Geisterstadt Ban-Saint-Jean
28.01.2008 um 13:35
Hallo erstmal,
ich bin gerade auf dieses Forum gestoßen, welches ich sehr interessant finde! Großes Lob zunächst an alle.
Da ich gerade an einem Aufsatz bzw. einer Studie auf dem Gebiet der Wahrnehmungspsychologie schreibe, hatte ich diese Seite beim Googlen entdeckt.
Ich war vor 4 Jahren im Sommer in BAN SAINT JEAN. War mir erst nicht ganz sicher ob es sich um dieselbe Geisterstadt handelt da das ganze schon über 4 Jahre her ist, euren Schilderungen nach, und den Informationen aus dem Netz, muss es aber dieser Ort gewesen sein. Zusammen mit meiner damaligen Freundin waren wir mit dem Auto unterwegs nach Südfrankreich. Ich kann zwar von keinen Geistererscheinungen berichten, trotzdem habe ich dort merkwürdige Erfahrungen gemacht, die mir jetzt für meinen Aufsatz dienlich sein können.
Ich interessiere mich privat schon seit der Kindheit sehr für das 3. Reich und allem was damit zusammenhängt. Als damaliger Psychologiestudent hat mich (auch nach wie vor) immer schon interessiert, wie ein ganzes Volk innerhalb kürzester Zeit zu den schrecklichsten Taten fähig war. Und allein schon wie das Naziregime die Menschen derart beeinflussen konnte. Immerhin waren ja auch meine Großeltern und Urgroßeltern darin verstrickt. Kurz gesagt kam ich bei dem Interesse daran unweigerlich auch auf die Internierungs- bzw. Gefangenenlager (oder auch KZ).
Durch Bekannte in Frankreich wurde ich dann auf das Lager in der Nähe von Boulay aufmerksam gemacht, insbesondere auch auf die Gerüchte und Geistergeschichten die sich darum ranken.
Also beschloss ich auf dem Weg an die Côte d’Azur dort einen Halt zu machen. Es gibt die dollsten Gruselgeschichten offenbar schon seit vielen Jahren. Und die Bekannten aus der Nähe von Metz kannten auch allerhand Spukgeschichten über das Lager und die Gegend, obwohl natürlich niemand wirklich daran glaubt. Der Großvater der Familie kommt aus der Gegend, deswegen wußte er allerhand zu erzählen. Was er erzählte deckt sich so ziemlich mit dem, was ich hier jetzt auch auf etlichen Seiten im Internet las: das GERÜCHT über den Massenmord an über 20.000 Kriegsgefangenen. Natürlich auch noch ziemlich schön ausgeschmückt von jemandem der froh ist einen interessierten Zuhörer gefunden zu haben. Was mich aber am meisten faszinierte war zum einen die Tatsache dass dieses Lager zu besichtigen sei, und zum anderen, dass dies eine einzigartige Möglichkeit war eine noch stehende GEISTERSTADT (also eine verlassene Stadt) zu besichtigen. In Deutschland gibt es soetwas ja (noch) nicht.
Also fuhren wir (meine Freundin et moi) im Sommerurlaub dort vorbei. Von den "Gruselgeschichten" erzählte ich meiner Freundin nicht das kleinste Detail, geschweige denn davon dass dies ein Gefangenenlager war, wo zumindest knapp 3.000 Gefangene starben (soviel ist FAKT und offiziell). Ich hielt dies damals auch nicht für relevant, einzig die Möglichkeit eine komplette verlassene Stadt inmitten des Waldes zu besichtigen war der Anlass dorthin zu fahren.
Da das ganze schon über 4 Jahre her ist kann ich mich natürlich nicht mehr ganz genau daran erinnern. Es war im Sommer 2003, im Juni oder Juli, und es war ein wunderschöner sonniger und warmer Tag, also richtiges T-Shirt Wetter. Früh losgefahren waren wir kurz nach Mittag dort. Nachdem wir etwas suchen mußten fanden wir diese "Stadt", das Auto parkten wir außerhalb und gingen zu Fuß einen Weg entlang, von wo aus man zwischen den Bäumen schon die ersten Gebäude erblicken konnten.
Wir verbrachten einige Zeit dort, gingen über einen Großteil des Geländes, ich kann mich an den Wasserturm erinnern, einen zweiten Turm, Gebäude mitten im Wald und wir waren fasziniert von dem Ambiente und der Gegend. Teilweise lag dort Schutt und irgendwelcher Schrott herum. Das einzige was etwas unheimlich für Leute aus dem Ruhrgebiet ist, war diese absolute Stille wie man sie eben nur in der Wildnis kennt (abgesehen vom Vogelgezwitscher). Wir versuchten auch in einige Gebäude zu gehen, teilweise waren die Keller zugänglich, wo wir aber nicht hineingingen. Es war nach einer ganzen Zeit (vielleicht nach einer halben Stunde) wo wir meist scherzend durch diese Gegend liefen, wo mir dann diese Geschichten wieder einfielen. Auslöser war glaube ich ein sehr merkwürdiges Gebäude gewesen. Warum auch immer. Danach empfand ich das ganze tatsächlich als etwas gruselig. Ich muss dazu aber sagen, dass ich nicht an Geister oder dergleichen glaube. Nur versuchte ich daraufhin, ich sah das ganze dann nicht mehr als Stadt sondern als Lager, die Gebäude einzuordnen und suchte nach Hinweisen zu einem Zaun und dergleichen.
Wir liefen dann noch etwas weiter herum, als meine Freundin auf einmal total perplex auf ein Waldstück starrend, kreidebleich wurde. Wie apathisch starrte sie in die Richtung der Bäume, fing an zu weinen und stammelte mich umklammernd an, dass sie dort sofort weg wolle. Wir sollten sofort weiter fahren. Mir machte ihre Reaktion auch Angst, ich bekam leichte Panik und wir verließen schnellstmöglich das Dorf. Zum Glück kann man sich dort nicht so einfach verlaufen, so dass wir schnell wieder beim Auto waren und ohne großes Zögern unsere Reise fortsetzten. Während der Fahrt war sie schnell wieder klar und es ging ihr wieder besser. Auf die Frage was loswäre, wußte sie keine genaue Antwort zu geben. Ihr gefiele dieser Ort nicht, sagte sie.
Ich habe das damals vielleicht etwas vorschnell als eine typische Laune einer Frau abgetan. Jedenfalls habe ich sie nie vorher oder nachher in dieser Weise erlebt, wie in diesem Dorf. Und wie gesagt, sie wußte nichts von den Geschichten, noch habe ich ihr nachher davon etwas erzählt. Ich hielt es für besser nichts davon zu erwähnen, obwohl eigentlich nicht sonderlich empfindlich war ich von ihrem Verhalten recht geschockt.
Wir haben auch nie wieder darüber geredet, wie man halt schnell negative Erlebnisse verdrängt. Auch in den Erzählungen von unserer Reise war BAN SAINT JEAN kein Thema mehr.
Leider sind wir inzwischen auch nicht mehr zusammen und haben keinen Kontakt mehr, sonst würde ich da heute nochmal nachhaken.
ZUM ERLEBTEN: Was habe ich dort gesehen und erlebt? Nichts außergewöhnliches! Es gibt meiner Meinung nach dort (und im Allgemeinen) nichts außergewöhnliches. Wenn man von den Geschichten und Gerüchten nichts weiß, dann ist es dort richtig langweilig, sofern man Ruinen nicht mag.
FAKT:
Soweit ich informiert bin ist es jedenfalls Fakt, dass dort KEINE Massenermordungen im Krieg stattfanden. Es handelte sich NICHT um ein Vernichtungslager, sondern ganz im Gegenteil, um ein Lazarettlager!!! Die ca. 3.000 Toten Kriegsgefangenen kamen auf "natürliche" Weise um (viele kamen halb verhungert von der Ostfront), jedenfalls scheint es sich bei dem Lager um ein mit den Alliierten vergleichbares Kriegsgefangenenlager gehandelt zu haben. Warum die Spekulationen um die über 20.000 Toten aufkamen ist jedenfalls sehr merkwürdig. Vielleicht liegt es daran, dass das Gerücht um 1945 sogar in die Zeitung kam - zu Zeiten wo gerade Auschwitz Furore machte und das ganze Ausmaß des Holocaust öffentlich wurde. Da war es durchaus vorstellbar, dass dergleichen überall (in allen Lagern) geschah.
Und leider ist es so, dass wenn etwas einmal in der Zeitung steht, es auch für wahr gehalten wird.
Außerdem war BAN SAINT JEAN offenbar bis in die 70er Jahre hinein noch bewohnt, was man an vielen Dingen vor Ort sehen kann (z.B. Leitungen, Bausubstanz). Das spricht auch ziemlich gegen ein Massengrad. Wer wohnt bzw. läßt andere auf einem Massengrab wohnen?
Das interessante für mich ist hingegen das Verhalten meiner damaligen Freundin.
Meine These ist, dass ihr Unbehagen durch mein Verhalten ausgelöst wurde. Mir fielen in BAN SAINT JEAN irgendwann wieder diese Geschichten über die vielen Toten und die Gräueltaten ein, was sich auf meine Stimmung ausgewirkt hat. Wenn ich auch versucht hatte mir nichts anmerken zu lassen, so hat sie unterbewußt einen Stimmungs- bzw. Gemütswechsel bei mir wahrgenommen. Kurz gesagt: Hier stimmt etwas nicht, irgendwas ist komisch. Ihr plötzliches Unbehagen wäre demnach von mir unterbewußt beeinflußt und ausgelöst worden. Wichtig wäre dabei evtl. auch wie schnell sich meine Stimmung veränderte, was dann wiederum die Intensität wie dies von einer anderen Person wahrgenommen werden kann beeinflußt.
Das ganze könnte viele Phänomene erklären, die besonders in Gruppen geschehen.
Zu BAN SAINT JEAN:
Ehrlich gesagt verstehe ich diesen ganzen Hype darum nicht. Im übrigen ist die STADT/das Dorf/das Lager BAN SAINT JEAN relativ unspektakulär.
GEISTERDÖRFER:
In Spanien gibt es dagegen eine ganze Menge GEISTERDÖRFER die um einiges spektakulärer sind. Vielleicht nicht ganz so groß wie BAN SAINT JEAN und ohne Foren im Internet, geschweige denn dass man bei vielen überhaupt einen Namen rausbekommt. Da kann man dann auch wirklich spekulieren was dort wohl passiert sei. Einfach mal die Strecke von Madrid nach Burgos mit Auto fahren und aufmerksam die Gegend beobachten. Da gibt es einiges, sogar verlassene Schlösser und Klöster inmitten einer wüstenähnlichen Landschaft (Castilla la Mancha oder Castilla León). Wer ein wenig über die spanische Geschichte weiß, der weiß auch dass dort einiges aus der Zeit des Bürgerkriegs noch heute im Argen liegt. Und von der Inquisition im Mittelalter ganz zu schweigen.
Außerdem findet man in Osteuropa eine ganze Menge derartiger Dörfer, u.a. in den baltischen Ländern, aufgrund der Landflucht. Von riesigen Industriebrachen mal ganz zu schweigen.
Und gar nicht mal so weit weg, in den neuen Bundesländern, u.a. in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern (z.B. der Uckermark) gibt es verlassene kleinere Ortschaften schon heute.
Die Geschichten oder Gerüchte dazu müssen aber erst noch erfunden werden!