Ja, ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll.
Kapuzineraffen stellen Faustkeile her
Das tun sie nicht. Dieser Unsinn geht auf den Spiegel zurück, nicht auf den Nature-Artikel. Dort ist von "stone flakes" und "cores" die Rede, also von Steinabschlägen und Kernen. Das ist in der Steinzeitkultur eine Innovation; ein vorbereiteter Stein wird zum Kern mehrerer Klingen durch einzelne gezielte Schläge. Man schlägt von oben auf die Seitenkante, und ein länglicher Stift bricht ab, länglich, leidlich breit und ziemlich flach. Man dreht den Stein etwas, schlägt wieder zu, und wieder geht ein Stift ab. Bereits durch dieses Abschlagen besitzen die Abschläge scharfe Kanten.
Sowas machen die Kapuzineraffen, keine Faustkeile.
Kapuzineraffen sind als sogenannte Neuweltaffen nur sehr entfernt mit den Hominini verwandt.
und
Proffitt und seine Kollegen fordern nun, dass diese Funde noch einmal überprüft werden - vor allem in Gegenden, in denen sich nach bisherigen Annahmen die Lebensräume von Hominini und Kapuzineraffen überschnitten.
Tja, die Abschlagtechnik setzte im Mittelpaläolithikum ein, vor vielleicht grob 200.000 Jahren. Zu der Zeit lebte aber noch kein Hominine in der Neuen Welt, wo die Kapuzineraffen vorkommen. Ist also schwachsinnig zu fordern, man müsse Regionen neu prüfen, in denen beide Spezies gemeinsam lebten. Wenn, dann müßte man sich fragen, ob die Kapuzinerpraxis womöglich auch von afrikanischen Primaten angewandt wurde.
Vom Nature-Artikel ist nur der Abstract einzusehen, daher weiß ich nicht, ob dieser Schwachsinn auf Profitt & co. zurückgeht oder auf den Spiegelschreiber.
Sharp-edged stone flakes, struck from larger cores, are the primary evidence for the earliest stone technology.
"Scharfkantige Steinabschläge, die aus größeren Kernen stammen, sind der erste Beweis für die früheste Steintechnologie."
Hier isses dann der Unsinn aus der Feder der Nature-Artikelschreiber. Abschläge aus dem Oldowan, der ältesten Werkzeugkultur, müssen nicht scharfkantig sein. Jene Abschläge, die als Werkzeuge aus Kernen geschlagen werden, haben dagegen weniger als 10% des Alters des frühen Oldowans. Das würde ich nicht "earliest" nennen.
Die Affen stellen zwar Werkzeug her, benutzen es aber nicht wirklich. "Sie wurden nicht dabei beobachtet, wie sie mit den scharfen Kanten schneiden oder kratzen", konstatieren die Forscher in der Studie.
Stattdessen zertrümmern sie die Steine, um Mineralien oder Flechten aus ihnen zu lecken.
Mit anderen Worten, die Affen stellen
<-u>überhaupt kein Werkzeug her, sondern Abfall. Es sieht nur aus wie menschliche Artefakte, die tatsächlich Werkzeuge sind - weil als solches hergestellt und eingesetzt.
Proffitt und seine Kollegen fordern nun, dass diese Funde noch einmal überprüft werden - vor allem in Gegenden, in denen sich nach bisherigen Annahmen die Lebensräume von Hominini und Kapuzineraffen überschnitten.
Am Ende nochmal hierzu. In der Tat kann jedes bisher für ein "flake tool" und jeder "core" nochmals gegengeprüft werden, ob es sich um ein echtes Artefakt handelt oder nicht. Diese Forderung freilich ist nicht neu. Die Steinwerkzeuge des frühen Oldowan sind selbst für das Fachauge nicht leicht von natürlich geborstenen Steinen zu unterscheiden, und selbst der Faustkeil mit seiner markanten Gestalt, Erfolgsmodell und Dauerbrenner der Altsteinzeit, selbst er kann gelegentlich so aussehen, daß ihn selbst Hobbysammler übersehen. Na und was die Abschläge betrifft, so entstehen die schon durch einen einzelnen Schlag. Es wäre geradezu unnatürlich, wenn es nicht auch rein natürlich entstandene Exemplare gäbe.
Ich habe selber mal vor ein paar Jahren einen Feuersteinabschlag gefunden, einen Mikrolithen. Am Strand bei Laboe. Ob es ein natürlicher oder ein künstlicher war, weiß ich nicht. Seine Ränder waren nicht retuschiert, nicht nachbearbeitet, um die Klingenschneide scharf zu machen. Könnte dennoch ein Abschlag-Rohling gewesen sein. Ich werd es wohl nicht rausfinden, denn der Abschlag war nicht in situ. Er befand sich nicht inmitten weiterer Werkzeuge, auch nicht zwischen weiteren Abschlägen, da war kein Kern, und es waren auch keine Splitterreste da. Aus solchen Beifunden erschließt sich, ob dolch ein einzelner Abschlag-Rohling ein Artefakt ist oder ein Naturspiel.
Eigentlich wäre das "nicht in situ" ein gutes Kriterium, spräche dafür, daß jemand den Abschlag von seinem Entstehungsort weg mitgenommen hat. Daß es also ein Artefakt ist. Aber der Strand einer Flußmündung, da landet auch natürlich verbrachtes Material.
Auf sowas muß ohnehin schon geachtet werden. Und mit der Möglichkeit (neuwelt-)äffischer Produktion ändert sich da nicht viel. Während es für einen Mittelpaläolithiker kein Problem ist, gezielt diverse brauchbare Abschläge aus dem Kern zu schlagen, sollten die Abschläge der Kapuziner wie Kraut und Rüben aussehen. Eben gelegentlich auch mal ganz passabel, aber eben nur gelegentlich.
Na und wenn es stimmt, daß die Kapuziner Steine aufschlagen, um an Mineraleinschlüsse und Flechten zu kommen, dann sind die Steine, die sie zerschlagen, eher nicht solche, welche Menschen verwenden, um daraus Werkzeuge zu schlagen. Kapuziner bevorzugen Steine mit Brüchen bzw. solche mit Einschlüssen, Werkzeugmacher dagegen meiden diese.