Lemminge
12.09.2003 um 17:06
Lemminge
Oder: Was stimmt an den Gerüchten vom Klippenspringen?
Fragen, die sich selten jemand stellt. Ein blödsinnig - lustiges Gespräch führte mich irgendwie zu Lemmingen und der bildhaften Vorstellung, die wir alle mit diesen Tieren verbinden. Eine Klippe am Ozean und eine große Gruppe Lemminge, die sich freudestrahlend in die Tiefe stürzt. Doch was bewegt diese Tierchen dazu und was sind Lemminge eigentlich genau?
Wenn man sich einen Lemming anschaut drängen sich dem typischen Heimtierhalter erst einmal der Vergleich mit Meerschweinchen auf. Doch mit knapp 15 cm Länge sind sie deutlich kleiner. Die winzigen Ohren verschwinden im Fell, die kurzen Füßchen taugen fast nur zum Laufen. Das Fell ist wunderbar ausgeprägt und je nach Gattung bräunlich-schwarz gescheckt. Das Fell passt sich den Jahreszeiten entsprechend an und wechselt dabei auch die Farbaufteilungen.
Übrigens gibt es verschiedene Arten von Lemmingen (Familie der Wühler). Der Berglemming (lemmus lemmus), den Braunen Lemming (lemmus sibircus), den Waldlemming (myopus schisticolor) und einige weitere Arten, die auch in unterschiedlichen Lebensräumen anzutreffen sind.
Die kleinen Nager leben aber alle in Gebieten mit ziemlich arktischem Klima. Wie Skandinavien, Norwegen, Grönland und Russland. Das heißt, sie müssen ihre Lebensart an ziemlich harte Bedingungen anpassen – im wahrsten Sinne des Wortes. Selbst im Sommer kann es vorkommen, dass der Boden noch angefroren und hart ist. Natürlich keine leichte Aufgabe für Tiere, die sich ihre Wohnungen unterhalb der Erde einrichten.
In der Tundra dieser Länder ernähren sie sich hauptsächlich von Gräsern, Moosen, Beeren, Wurzeln und Blättern – was sich im Sommer dort finden lässt. Da das Nahrungsangebot in diesen Gebieten recht spärlich ist, stehen Lemminge als Kleinsäuger ebenfalls hoch oben auf der Futterliste. Zu ihren natürlichen Feinden gehören die Schneeeule und der Arktische Fuchs, die mit wachsamen Augen durch ihre Gebiete streifen und hungrig nach Lemmingen auf Futtersuche Ausschau halten.
Lemminge sind eigentlich gar keine Gruppentiere, sondern leben in kleineren Familienverbänden zusammen. Die Weibchen haben in etwa 3 Würfe im Jahr und stellen ihre Fortpflanzung während der Wintermonate meistens ein. Hier beweist sich dann auch die Überlebenskunst der kleinen Gesellen. Im Winter bauen sie sich kleine Nester – aufgepolstert mit Blättern und Gräsern – unter dem Boden. Dort wird dann fast ausschließlich unterirdisch bei arktischen Temperaturen von bis zu –25C bis zum nächsten Frühling ausgeharrt, den die gefühlten Temperaturen über der Erde sind noch deutlich unangenehmer. Erst dann kommen sie wieder ans Tageslicht und nehmen ihr normales Leben wieder auf.
Doch was hat es nun mit diesem Gerücht auf sich? Praktisch erwiesen ist die Tatsache, dass die Population der Lemminge alle 4 Jahre explosionsartig nach oben schnellt. Kein Wunder, wenn sich der Kreislauf des Lebens wieder schließt. Im ersten Jahr gibt es wenig Lemminge, die sich natürlich Vermehren. Der Nachwuchs bringt im zweiten Jahr ebenfalls Nachwuchs hervor, und so geht es weiter. Im vierten Jahr ist die Population soweit angestiegen, dass es mit dem Nahrungsangebot knapp wird.
Als „Lösung“ wandern viele Lemminge einfach los, und so kommt es zu der berühmt, berüchtigten Massenwanderung. Dabei marschieren sie aber nicht in Gruppen, sondern vereinzelt. Mit etwa 4 Kilometern pro Stunde legen die kleinen Wanderer ein gutes Stück in der Nacht zurück. Auch Tags wird später immer mehr gelaufen und selten einmal angehalten. Hier wird es dann etwas schwieriger, mehrere identische Meinungen zu finden. Übergreifend lässt sich sagen, dass es in dem Köpfchen der kleinen Wesen offenbar eine Art Zwang zu wandern gibt, bis sie geeignetes Territorium zur Neubesiedlung finden. Immer weiter, und vor allem immer ohne Richtungswechsel. Bis zum weit entfernten Ozean schaffen es die meisten Tierchen gar nicht mehr. Erschöpfung und folgende Unachtsamkeit führen dazu, leicht Beute anderer Tiere zu werden. Einen Territoriumswechsel gibt es aber nicht nur alle vier Jahre, sondern teilweise auch zwischen Sommer- und Winterquartier. Nur nicht in solchen Mengen, dass es wie bei großen Wanderungen auf Grund der periodischen Bevölkerungsexplosion auffällt.
Interessant wird es, wenn Lemminge auf ein Wasserhindernis treffen. Eigentlich sind sie hervorragende Schwimmer und schaffen es ohne Probleme, etwa einen Kilometer zurückzulegen. Aber in Anbetracht ihrer Größe können Wellengang und Strömung schnell tödlich enden. Und je nachdem an welchem See oder Fluss sie gerade gelandet sind kann es auch schon einmal vorkommen, dass sie das andere Ufer vor Erschöpfung einfach nicht mehr erreichen. Selbst in der eigenen Behausung kann Wasser für sie zu einer tödlichen Gefahr werden. Ist im Frühjahr Schneeschmelze, werden die Bauten teilweise überflutet und das Wasser sammelt sich in der großen Höhle, die als Nest diente.
Damit wäre das Bild vom schwimmenden Lemming wieder perfekt. Aber über die Klippe stürzen wird sich dort mit Sicherheit niemals ein Lemming.
Abschließend möchte ich noch zwei interessante Sachen erwähnen, auf die ich gestoßen bin.
In mehreren Berichten lies sich ein Hinweis auf Walt Disney’s Film „Weiße Wildnis“ finden. Dort soll es eine Szene geben, in der zu sehen ist, wie Lemminge sich aus großer Höhe über die Klippen stürzen. Angeblich handelt es sich dabei um Tiere, die das Filmteam Einheimischen für wenig Geld abgekauft hat und diese dann bewusst über die Klippe hinaus in den Tod wirft.
Die zweite Sache ist etwas positives. Zufällig bin ich auf einen sehr guten, großen und in Vergleich mit anderen Berichten auch durchaus kompetent klingenden amerikanischen Artikel gestoßen. Auch er ist im Internet unter www.ucls.uchicago.edu/projects/1996-97/Hillocks96/lemmings. html zu finden.
Wer deutsche Literatur bevorzugt, sollte sich vielleicht einmal das Buch „Der Berglemming“ von Kai Curry-Lindahl ansehen (ISBN 3894328487)
Quelle: http://www.nagetiere-online.de/sugar/sonder/exoten/lemminge .htm
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- Mahatma Gandhi