Niselprim schrieb:Wennst mal hinschaust, dann interessiert es die Obrigkeit nicht, was Du und ich denken oder wollen. Sie interessiert, wie sie uns lenken sollen.
Verstehst Du meinen Ansatz? Diese Frage stelle ich auch an @psreturns Egal welche Weltreligion es sein wird und die Führungspitze der Ökumene darstellt, es besteht die Gefahr, dass die Freiheit des Individuums, zwecks Gruppenzwang und so, geraubt wird.
(Direkt vorab, ich werde bei dem geplanten Text insgesamt etwas weiter ausholen und ich vermute es wird in der Summe doch wieder recht viel Text geben. Ich hoffe vorab trotzdem schon einmal, dass ich es hinbekomme trotz der möglichen Komplexität der Ausführungen ihre Verständlichkeit zu wahren.
Ebenso hoffe ich, dass sich doch der ein oder andere die Zeit nehmen wird es zu lesen und zu versuchen die Gedankengänge mitzugehen.)
Ich möchte jetzt einmal einen kleinen Abstecher in die Mathematik machen.
Vor etwa 2-3 Jahren hat mich eine Frage sehr intensiv beschäftigt: Ist jeder Mensch grundsätzlich in der Lage die Sprache der Logik - also die Mathematik - zu erlernen, zu verstehen und letztlich auch selbst zu sprechen?
Mich hatte schon immer gewundert, warum in weiten Teilen unserer Gesellschaft die Mathematik so ein dermaßen unbeliebtes Thema zu sein scheint und warum es doch Menschen gibt, denen es dagegen so verhältnismäßig einfach fällt immer komplexe Teilgebiete zu verstehen und erklären zu können.
Jetzt werden sich vielleicht einige Fragen: Mathe ist eine Sprache? - Ganz genau:
Sie hat ihre ganz eigenen Vokabeln, ihre hauseigenen Schriftzeichen, bestimmte grammatikalische Regeln, gewisse Vorgaben wie Sätze oder gar Aufsätze aufgebaut sein sollten, gewisse Grundmuster an denen man wiederum erkennen kann auf welchen Typ einer Fragestellung man wie anworten sollte, usw.
Und wie jede Sprache kann sie doch jeder, der sie beherrscht, auf seine ganz eigene Weise sprechen und trotzdem verstanden werden. Jeder der Mathematik betreibt bzw. spricht und schreibt hat seinen ganz eigenen Dialekt und seine Aussagen sind für andere trotzdem erkennbar.
Die Frage, an der ich mich nun wirklich lange Zeit festgebissen hatte, war, in welcher Weise jemand anderes denkt, wenn er nun Mathematik betreibt.
Ich meine, ich habe mir nun ein gewisses Maß an Theorie angelernt, habe meine Art und Weise Mathematik zu betreiben geübt und verbessert und mir ganz persönliche Denkweisen angeeignet wie ich nun eine bestimmte Fragestellung beantworte bzw. welche Denkrpozesse in dem Moment ablaufen, wenn ich eine Aufgabenstellung vor mir liegen habe. Da gibt ganz viele kleine Zwischenschritte, mit ihren ganz eigenen Algorithmen, die ich dann eben fast automatisch abrufe, mit den entsprechenden Werten der Aufgabe befülle und es mir letztlich ermöglichen zu einen Ergebnis zu gelangen.
Ich habe allerdings absolut keine Ahnung wie das bei jemand anderem abläuft, weil ich eben nicht genau auf die selbe Weise denken kann wie er. Bei Nachhilfeschülern brachte es mir rein gar nichts, wenn ich versuchte, ihnen immer und immer wieder die Theorie in meinem "Dialekt" zu beschreiben. Ich musste versuchen zu erkennen welchen "Dialekt" sie sprechen, wie viele Vobakeln ihnen bekannt waren und in wie weit sie überhaupt in der Lage waren zu sprechen, um dann zu versuchen es in ihre ganz eigene Sprache zu übersetzen.
Das Ganze wäre viel einfacher, wenn ich mich darauf verlassen könnte, dass meine Art zu Denken und zu lernen vollkommen deckungsgleich zu denen aller anderen wäre - aber das ist sie eben nicht.
Auch hier ist die Frage nach dem Warum wieder ganz entscheidend. Nur allein zu erfahren, was sie nicht verstehen, bringt mir beim Erklären rein gar nichts, wenn ich mir nicht die Mühe mache herauszufinden, warum sie es nicht verstehen und dieses Verständnis für ihre Denkweise letztlich auch wieder in meine Erklärungen einfließen zu lassen.
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass jeder Mensch eine ganz eigene Art des Denkens hat und zwei Menschen, die die selbe Aufgabenstellung bekommen, eben nicht zwangsläufig diese dann gleich schnell verstehen, sie auch nicht gleich schnell verarbeiten, sie auch nicht die gleichen Denkalgorithmen abrufen und der Lösungsweg nicht 1:1 der gleiche sein wird, weil sie womöglich ganz verschiedene Methoden angewandt haben. Und trotzdem können sie zum gleichen Ergebnis gelangen. Erstaunlich.
Fragt man dann im Nachinein wieder die Warum Frage, dann wir der eine wohl mit Darum und der andere mit Deshalb antworten und trotzdem unterschiedlicher Wege konnten sie zum gleichen Schluss kommen.
Und jetzt endlich kommt die Zusammenführung der bisherigen Abschnitt mit dem Thema Glauben und Religion:
Auch als ich mich mit diesen Themen befasste, stellte sich mir Recht bald die Frage, in welcher Weise denn wohl andere Menschen über diese Themen denken, wenn sie diese durchdenken. Was für Themengebiete, Erfahrungswerte oder Ansichten da während des Denkens in den Denkprozess einfließen. Ich kam auch hier wiederum zu der Antwort, dass ich einfach absolut keine Ahnung habe wie das bei jedem Einzelnen abläuft.
Das ist auch der Grund, warum ich meine, dass sich Religionen welcher Form auch immer nicht zu sehr selbst in eine unnötige Form pressen sollten. Denn ich vermute, dass selbst jeder bibelfeste Christ in seiner eigenen Gedankenwelt insgesamt ein doch Recht individuelles Bild vom Inhalt der Bibel hat. Von der Ferne betrachtet mögen diese Ansichten dann ziemlich ähnlich aussehen, aber ich vermute je nähe man herangeht, umso mehr Unterschiede werden in der Fülle von Details deutlich, die erst in der Summe den Glauben an den Inhalt dieses Buches ergeben.
Ich vermute es ist also selbst innerhalb einer Religion so gut wie unmöglich, dass zwei Menschen diese Religion auf exakt die selbe Weise verstanden und verinnerlicht haben.
Genau deshalb, auf Grund dieser Vermutung, interessiert mich bei einem anderen zu aller erst warum er glaubt. Und bevor ich darauf keine präzise Antwort bekommen habe, brauche ich auch gar nicht erst nach dem Was oder Wen zu fragen.
Genau wie die Mathematik bzw. die Logik, so erscheinen mir eben auch der Glaube bzw. die Religionen lediglich ein Hilfsmittel für ganz bestimmte Fragestellungen unserer Welt und unserer Existenz zu sein. Ein Hilfsmittel, was nicht absolutiert werden sollte, weil dann auch auf Fragestellungen angewendet werden soll, bei denen dieses Hilfsmittel eigentlich gar nicht helfen kann.
(Bei Emotionen bzw. Problemen mit denen geht man ja schließlich auch lieber zu einem Biologen oder Psychologen, wenn man Erklärungen sucht und nicht zu einem Mathematiker, der zwangsläufig versucht in seiner Sprache irgendetwas zu formulieren, was einem in dieser Form für sein konkretes Problem überhaupt nicht hilft, weil es ja ursprünglich kein mathematisches Problem war.)
Versuch einer Zusammenfassung:
Weil jeder Mensch auf seine eigene ganz bestimmte Weise denkt und davon auszugehen ist, dass diese immer etwas anders ist als die eigene, macht es wenig Sinn zu vermuten, dass jeder der an irgendeine bestimmte Standartreligion glaubt, diese auch immer in gleichem Maße verinnerlicht oder durchdacht hat. Also selbst zwei Gläubige der gleichen Glaubensrichtung sind nicht davon befreit mit ihren hauseigenen Mitgläubigen in den Dialog zu treten.
Wiederum ist nicht auszuschließen, dass jemand der sich mit einer gewissen Religion befasst hat, diese grundlegend aber nicht angenommen hat, trotzdem in der Lage sein könnte ganz ähnliche Denkstrukturen zu haben wie man selbst, auch wenn wir unterschiedliche Bezeichnungen für diese beiden finden könnten.
Diskutiere ich über diese Themen gern mit einer unterschwelligen Erinnerung an einen sich selbst als Christen und einen sich selbst als Atheisten bezeichneten Menschen, die feststellten, dass sie sich inhaltlich unheimlich nah waren, auch wenn sie es teilweise recht unterschiedliche, ja fast gegensätzliche Arten der Formulierung verwendeten. Eben weil ihre Motivation (das Warum) in bestimmte Richtungen zu Denken eine sehr große Schnittmenge besaß und dann die Art der Darstellung oder Formulierung nebensächlich wurde.