@emineoemineo schrieb:ich hoffe aber Du siehst Dich nicht als Gott
Ob ich mich als Gott sehe? Ich weiß nicht, welches Denkkonzept du dir erschaffen hast, welches du als Gott bezeichnest. Es kann sich jedoch nur um ein Konstrukt deines Denkens in deinem Bewusstsein handeln. Vergiss es, denn es wird ohnehin augenblicklich für dich verschwinden, wenn du eingeschlafen bist. Es ist nur eine Erscheinung. Nichts Reales. Ich bin kein Denkkonzept, denn ich bin nichts, was mal erscheint und dann wieder verschwindet.
Wer ich bin, willst du wissen? Versuche mir zu folgen bei dem, was ich hier als nächstes schreibe, dann bekommst du eine weitere kleine Vorstellung von dem, was ich tatsächlich bin.
Das (=der mich derzeit als Mann Empfindende) was diese Worte hier als Beitrag geschrieben hat, ist nichts anderes als die materialisierte Essenz aus dem Körper meines Vaters, verbunden mit der materialisierten Essenz meiner Mutter (Schwangerschaft), welches sich durch das von meinen Eltern zu sich genommene Essen in die Form eines Körpers gebracht hat, einen Körper aus Knochen, Fleisch, Blut, etc.
Ich selbst bin bei all diesen Veränderungen nicht hinzugezogen worden. Mein menschlicher Körper ist nur die ständige Veränderung von etwas bereits Bestehendem, welches umgeformt wird und sich zu einem Baby umformte, dann zu einem Jugendlichen, hin zu Erwachsenen, etc.
Während dieser Umwandlungen wurde mir dann (von meinen Eltern) zu einem bestimmten Zeitpunkt in meiner Kindheit gesagt, das ICH geboren wurde, dass ICH einen Namen und eine Form genannt Körper habe. Danach hatte ich dieses Wissen meines eigenen "Daseins" und ICH begann mich als "getrennte Individualität" zu empfinden, als Eigenständigkeit, getrennt vom Rest der Welt.
Heute überlege ich: Ist das wahr?
Haben meine Eltern wirklich eigens, ganz speziell, mit Vorbedacht und absichtlich MICH erschaffen?
Wussten meine Eltern vorher, dass dieser konzeptionelle Prozess einer ständigen Veränderung ausgerechnet MICH hervorbringen würde?
Habe ICH eigens, ganz speziell, mit Vorbedacht und absichtlich genau dieses Elternpaar als meine Eltern ausgewählt? Habe ICH sie ausgewählt, damit sie all diese Umformungen zu meinem Körper weiterführen sollen?
Mit den Antworten auf all diese Fragen mache ich die persönliche Erfahrung, dass die Form meines Körpers eindeutig und unmissverständlich aus bereits bestehenden Essenzen umgeformt wird, welche ich dann später als "meinen Körper" bezeichne, und dass diese Umformungen keinen Anfang und kein Ende erkennen lassen. Deswegen kann ich nicht sagen: Es ist Fakt, dass ICH als Eigenständigkeit existiere. Um das als wahre Aussage zu postulieren, müsste ich diesen Veränderungsprozess anhalten können, ihn stoppen, denn erst dann gibt es etwas, worauf ich (anschaulich gesagt) mit dem Finger zeigen und sagen könnte "Das bin ich". Während aller Veränderungen ist das jedoch nicht möglich.
Das ist die erste fundamentale persönliche Erfahrung.
Eine Form, welche auch immer, befindet sich in einer ständigen Veränderung. Die Frage taucht in mir auf: Wer bin ich? Bin ich ALLE?
Mein ICH, verstanden als ein Phänomen, ist nur eine Erscheinung in meinem Bewusstsein, zeitlich, begrenzt, und nur für meine Sinne erkennbar, wohingegen das, was wir alle sind, was uns verbindet und was wir schon immer als Gesamtheit "wir" waren und immer sein werden, ohne Form und Namen, ist das, was große Philosophen wie Kant als das Noumenon bezeichnen, zeitlos, raumlos, formlos, noch nicht als seiendes Individuum ausgeformt.
Wie überzeugend ich auch denke, dieses Fundamentale verstanden zu haben, wird es mir unter keinen Umständen möglich sein, mich selbst von meiner Form und meinem Namen als Eigenständigkeit zu dissoziieren, mich als formlose und namenlose Eigenständigkeit zu empfinden. Dies ist nur möglich, wenn ich das, was ich als getrennte Eigenständigkeit bezeichne, vollkommen auflöse.
Das ist die zweite fundamentale persönliche Erfahrung.
Was ich als Phänomen ICH bezeichne, als eine von allem getrennte und unabhängige Eigenständigkeit, wird sich selbst als etwas Reales empfinden und sodann damit beginnen, Bemühungen und Anstrengungen zu unternehmen, um irgendetwas werden zu wollen, ähnlich unnütz wie ein Schatten, der seine eigene Essenz verfolgt. Wohingegen ich bemerke, dass ich selbst die ganze Zeit über bereits diese Essenz bin, und keinesfalls ein separierter, an irgend etwas gebundener oder durch irgend etwas hervorgerufener Schatten, der nach Befreiung sucht. Wenn man die Sonne ist, gibt es keine Schatten. Wie amüsant diese Vorstellung "ein Schatten", ein ICH, zu sein. Aber genau das ist das Spiel der Natur.
Nun komme ich zur meiner dritte fundamentalen persönlichen Erfahrung.
Bin ich der Lage irgendeine Manifestation in der Welt bemerken zu können, ohne das Konzept von Raum und Zeit? Würde das Phänomen ICH, oder irgendein anderes Phänomen, nicht in das Raum-Zeit-Konzept eingebunden und von ihm abhängig sein, wäre es mir nicht möglich, auch nur irgendetwas in diesem Universum zu erfassen. Ich muss mir hier immer vergegenwärtigen, dass alle Phänomene nur mit Hilfe dieses Raum-Zeit-Konzeptes bemerkbar sind, und dass sie ausschließlich in meinem Bewusstsein erscheinen. Sogar die Vorstellung einer Gesamtheit des Absoluten kann nur ein Denkkonzept in meinem Bewusstseins sein.
Wenn das Bewusstsein in das Absolute übergeht, wie beim traumlosen Schlaf, wer oder was ist dann vorhanden um irgendetwas wissen oder erfahren zu wollen?
Und nun das letzte, vierte Fundamentale.
Wenn ich das bisher Gesagte klar verstanden habe, sollte es mir dann nicht auch möglich sein, die Vorstellung ein Phänomen ICH zu sein, aufzulösen und mich in den Zustand des Davor zu begeben? Vor der Geburt? Kann ich zurückgehen in diesen Vor-Zustand, noch bevor mein Bewusstsein spontan erscheint wie es bei jedem Aufwachen der Fall ist, und es mir das Gefühl der Anwesenheit, des "Ich bin" verschafft? Denn dieses Gefühl der Anwesenheit ist nur so lange vorhanden, wie es einen Körper und ein Bewusstsein gibt, in dem es zum Ausdruck kommt. Der Körper ist der Ausdruck meiner Seele. Wenn dieser Vor-Zustand damit aufhört, das Gefühl der Anwesenheit aufrecht zu erhalten und damit den Körper auflöst, wird das Gefühl meiner Anwesenheit übergehen in meinen wahren natürlichen Zustand, wo es kein begrenzendes Bewusstsein, kein "Ich bin dies" oder "Ich bin das" gibt.
Fazit:
Ich mache die persönliche Erfahrung, dass ich weder geboren bin, noch sterben kann. Ich verstehe mein Gefühl der Anwesenheit mehr als den Beginn, einer Dauer und eines Endes dieses Eindrucks, objektiviert als eine Lebensspanne in einem Raum-Zeit-Konzept. Als Phänomen selbst gibt es keine Eigenständigkeit, die gebunden ist an ein Etwas. Deswegen habe ich auch kein Bedürfnis, eine Befreiung zu erlangen. Ich bin bereits frei von allem. Ich benötige nichts Zusätzliches, um zu sein. Ich bin vollkommen erfüllt von mir.
Das ist meine wahre Natur.