@SuiGeneris Ich verstehe deinen Beitrag dahingehend, dass es dich nervt, belehrt zu werden.
Nun sehe ich es aber eher anders herum — so, dass derjenige, der etwas behauptet, es möglicherweise seinen Mitmenschen aufdrängen will. Das wäre in diesem Fall der Seelengläubige, gerne in Verbindung mit Religion. Ohne, dass mir jemand das Seelenkonzept „verkaufen“ will, habe ich keinen Anlass, mich überhaupt dazu zu äußern.
Hier sind wir in einem Diskussionsforum, was ja ein gutes Beispiel liefert. Für Glaubende, Behauptende oder Meinunhgabende jeder Art wird es dieses gerne als Proklamationsforum missverstanden, als Debatten-Einbahnstraße. Gegenverkehr unerwünscht.
Im Laufe der Jahre habe ich keine formal oder inhaltlich überzeugende Argumentation angetroffen, die eine Validität des Seelen-Konzeptes, wenn man von letzterem angesichts mangelnder Ausarbeitung überhaupt sprechen kann, nahegelegt hätte.
Kulturelle und religiöse Traditionen und Prägungen, überlieferte Denkmuster, genetische Disposition — all so etwas, aus dem die Annahme entspringt, es gebe eine Seele, ist per se noch kein Argument, nicht mal eine Meinung, m. E.
Wenige lassen sich überhaupt auf Diskussionen ein, vermeintlich ist es ausreichend, sich auf Glauben zu berufen. Das führt in einem Umfeld wie diesem natürlich nicht weit, wenn man gleich nach der ersten Runde die Glaubenskarte zieht oder sich überhaupt zurückzieht und den Anderen noch einen schönen Tag wünscht.
In philosophischen, und ich nehme an, auch in theologischen Kreise noch, werden derartige Fragestellungen indessen erörtert. Und man hat sich in einer solchen, gehobenen, Debattenkultur an die Regeln der Logik und Wissenschaft zu halten. In einer klassischen Disputatio liefert man sich quasi einen Zweikampf, in dem es keine Rolle spielt, was glaubt oder was man meint, sondern welche Argumentation nach den Regeln der Kunst überlegen ist.
Disputatio (lat., = wissenschaftl. Gespräch). Wichtiges Instrument im scholastischen Lehrbetrieb, um in argumentativer Wechselrede eine Frage zur Lösung zu bringen (quaestio disputata). Disputationen wurden sowohl im regelmäßigen Schul- und Prüfungsbetrieb, als auch anlässllich feierlicher öffentlicher Veranstaltungen geführt. Die zu disputierende Frage wurde vom Meister festgelegt und unter dessen Leitung von den Baccalaurei argumentativ mit Hilfe der Logik (ars disputandi) aufgearbeitet, bis eine abschließende Formulierung (determinatio) gefunden war. Der Disput zwischen Magister, Proponent und Opponent wurde als "das Turnier der Kleriker" angesehen. Eine Sonderform war der quodlibetische Disput, der von gleich wem zu gleich welchem Thema – de quodlibet ad voluntatem cuiuslibet – geführt wurde. Die Initiative lag hierbei nicht beim Meister sondern bei den Disputanten, die bei dieser Art des improvisierten Disputs besondere Sachkenntnis und geistige Wendigkeit beweisen mussten.
QuelleDas sage ich nur, um zu beklagen, dass uns, erst recht im Alltag, die Debattenkultur abhanden gekommen ist (hat sicher auch mit gestiegener Komplexität der Sachverhalte und des Fundus an Wissen zu tun). Etwas zu glauben und/oder zu meinen ist noch keine Leistung und auch keine Tugend. Eine fundierte Meinung hat freilich ihren Wert. Respektieren muss ich irgendwie jede Meinung. Oder wäre das zutreffendere Wort: tolerieren? Oder akzeptieren, wie
@Parapsychologe sagt? Wie auch immer. Manch einer bildet sich einfach zu viel auf seine Meinung (da der Glaube nicht diskutabel ist, muss die Meinung irgendwie einspringen) ein. Und wenn jemand einen Standpunkt zum Besten gibt, muss er sich auch der Kritik stellen. Wobei dann die Regeln der Kunst gelten und individuelle Defizite zur Niederlage führen können. 🤷🏼♂️