@JimmybondyDer relevante Punkt ist die Frage, ob Paulus selbst zur Verbreitung des Evangeliums Gewalt anwandte. Nämlich um zu sagen, Paulus habe die Lehren Jesu verdreht oder seine eigenen Lehren anstelle derer von Jesus verbreitet, müssten sich Widersprüche auftun.
Einer dieser möglichen Widersprüche könnte das Thema Gewalt darstellen. Wie verhielt sich Jesus und wie verhielt sich Paulus?
Nun, du weißt auch, dass Jesus sich am Ende hingegeben hat und zwar Gewaltlos. Das zeigt auch die biblische Geschichte die du ansprichst. Allerdings war Jesus bis zu einem bestimmten Moment selbst innerlich entweder nicht bereit zu eben jenem Schritt, oder er war wie du sagst, da wirklich noch schwankend. Oder er hoffte, dass Gott ihm zu Hilfe kommen würde. Denn er wusste was mit ihm geschehen würde. Er wusste, dass ihn einer seiner Jünger verraten würde und wusste auch wer es sein würde. Er wusste ebenfalls, dass durch diesen Verrat nicht nur Er, sondern auch seine Jünger in Gefahr geraten würden.
Wozu die Frage nach den Schwertern von Jesus letztlich gestellt wurde, bleibt unklar. Sollten seine Jünger Ihn verteidigen, falls notwendig, oder waren sie dazu angedacht, dass die Jünger sich verteidigen sollten, falls sie angegriffen werden würden?
Ich meine, bis zum Gebet im Garten Getsemane war noch alles mehr oder weniger unklar und offen. Denn Jesus wollte nicht sterben, sah aber dass es so kommen würde und bat seinen Vater im Himmel, dass der Kelch an ihm vorüber gehe. Jesus entschied sich schließlich, nachdem er durch einen Engel gestärkt wurde, den Kelch anzunehmen, wenn es Gott so will !
Danach ließ er sich dann, als die Soldaten kamen auch freiwillig und ohne Gewalt abführen. Petrus war jener, welcher mit dem Schwert eingriff und einem Soldaten ein Ohr abhieb. Das verurteilte Jesus schließlich.
Daraus geht für mich hervor: Die Jünger sollten nicht Jesus verteidigen mit dem Schwert, sondern nur sich selbst, falls auch sie angegriffen werden würden. Denn auch damit war zu rechnen. Er selbst aber wollte sich dem Schicksal fügen und zwar Gewaltlos.
Für mich geht auch sonst aus den biblischen Beschreibungen folgendes hervor: Jesus hat sich und sein Leben nie geschont, wenn es um Ihn selbst ging, fügte er sich den Dingen. Seine Ehre verteidigte er nie, wohl aber, wenn es um die Ehre seiner Jünger ging, oder um andere Menschen oder um die Ehre seines himmlischen Vaters. Das wird auch besonders deutlich als er im Temepelvorhof die Krämerbuden umgeschmissen hatte. Auch das ist eine Form von Gewalt, die man ansonsten diesem Jesus so nach den anderen Überlieferungen eigentlich nicht zugetraut hätte.
Da allerdings ging es um die Ehre seines Vaters im Himmel ! Als man ihm eine Ehebrecherin herbei zerrte, warf er jedoch keinen Stein ! Da ging es um die Ehre dieser Frau ! Die stellte er wieder her, indem ihr ihre Sünden in den Sand schrieb !
Oder bei der Frau am Jakobsbrunnen. Da ging es um die Ehre dieser Frau. Er ließ sich auf sie ein, er redete mit ihr. Fünf Männer hatte sie gehabt und den sie jetzt habe, sei nicht ihr Mann, sagte Jesus ihr. Aber auch diese verurteilte er nicht. Stattdessen bot er ihr an, vom lebendigen Wasser (sein Wort, seine Lehre) zu geben.
Man kann allerdings durchaus geteilter Meinung sein, in Bezug auf die Frage: Dürfen Christen Gewalt anwenden oder nicht? Letztlich muss das jeder einzelne mit seinem Gewissen entscheiden. Was ich nur überhaupt gar nicht mag sind solche Äusserungen von anderen über die Christen: Ihr dürft euch nicht wehren ! Das steht einem Aussenstehenden gar nicht zu zu beurteilen.
Gewalt als Herrschaftsmittel um in Form von Angriffen seine Macht auszudehnen lehne ich allerdings grundsätzlich ab. Selbst wenn ich gar kein Christ wäre. Aber zur reinen Selbstverteidigung halte ich auch bei Christen für legitim. Das zeigt mir die Geschichte mit den Schwertern.
Aber Gewalt als Mittel um andere zu verurteilen (siehe Steinigung) lehne ich wieder ab. Denn das Urteil gegen Sünder verrichtet Gott ! Ein Sünder gegen Gott kann auch wieder umkehren. Wird er aber hin gerichtet, gibt man ihm keine Chance mehr. Solche drastischen Maßnahmen stehen uns Menschen nicht zu.
Anders sieht es wiederum da aus, wo durch das Fehlverhalten eines Menschen (sündigen) auch andere Menschen zu Schaden kommen. Da gibt es nun zwei Möglichkeiten: Einmal die alte mosaische Regel: Zahn um Zahn - Was nichts anderes besagt wie: Nicht mehr und nicht weniger, sondern gleiches mit gleichem zu vergelten. Und im Idealfalle, was noch besser wäre (was Jesus empfiehlt, wenn der Mensch dazu fähig ist, was ich aber keinesfalls als Muss-Gesetz betrachte): Vergeben statt Vergelten.
Man kann es auch so umschreiben:Schlägt dich einer auf die rechte Wange, darfst du nach Moses ihm auch auf die rechte Wange schlagen. Das ist dein Recht zur Selbstverteidigung. Aber du darfst ihm nicht auch noch auf die linke Wange schlagen. Das wäre Zwei Zähne wegen einem... Das wäre eine Maßüberschreitung ! Besser allerdings wäre es, wenn du es kannst, die linke Wange auch noch hin zu halten. Wie gesagt, ich betrachte es nicht als Muss-Gesetz, welches das alte Gesetz Moses ausser Kraft setzt, sondern als Empfehlung, um einer möglichen Gewalt-Eskalation von vorne herein Einhalt zu gebieten, einer aufkommenden Gewaltspirale damit ein Ende zu setzen. Es zeigt nur, dass es machbar ist. Wie sich der Mensch dann konkret verhalten muss, wird nicht vorgeschrieben. Er hat zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Zahn um Zahn oder Vergeben statt Vergelten. Beide sind legitim, aber eine davon ist die bessere. Was nicht erlaubt ist, ist eine Erhöhung der Gewalt, also Zwei Zähne wegen einem.
Das nur mal zur Erläuterung in Bezug auf die Gewaltfrage bei Jesus. Kommen wir nun wieder zu Paulus. Hat Paulus bei der Verbreitung des Evangeliums nun Gewalt angewandt oder nicht? Ist er in die Fußstapfen Jesu getreten oder nicht?
Ich meine, hier eindeutig sagen zu können: Er hat als früherer Saulus Gewalt gegen die Christen angewandt. Später nach seinem Damaskus-Erlebnis hat er weder Gewalt gegen Christen, noch Gewalt gegen Nichtchristen angewandt und ist am Ende ebenso wie ein Märtyrer gestorben wie Jesus auch. Hat sich im Tempel festnehmen und verurteilen lassen und hat von dem Recht auf Selbstverteidigung keinen Gebrauch gemacht. Er hat sich nur durch das Wort verteidigt. Er hat oftmals in Kerkern gesessen und sich gefangen nehmen lassen aufgrund seines Glaubens. Und in dieser Hinsicht ist das Bild stimmig.
Wir als Christen haben natürlich viele Glaubensvorbilder und nicht nur ein Vorbild in Jesus. Wobei dieser Jesus für die Christen natürlich das größte Vorbild ist. Dennoch sind für uns Christen eben auch all jene, die in die Fußstapfen Jesu getreten sind, die heute als Heilige verehrt werden (ob das so richtig ist, lasse ich mal dahin gestellt), genauso Vorbilder im Glauben. Und Paulus war nur ein solches Vorbild von vielen. Und viele Christen sind tatsächlich wegen ihres Glaubens hin gerichtet worden und als Märtyrer gestorben. Sie dienen uns als Vorbilder, unseren Glauben ernst zu nehmen und sich lieber hinrichten zu lassen als etwa von unserem Glauben abzulassen.
Wir haben aber, so meine ich, als Christen durchaus das Recht uns auch zu Verteidigen, wenn wir (vor allem wegen unseres Glaubens) angegriffen werden. Wir haben das Recht, uns nach dem mosaischen Gesetz: Zahn um Zahn zu wehren, wir müssen aber nicht von diesem Recht gebrauch machen ! Wir dürfen, sofern wir die Kraft dazu haben, uns auch schlagen lassen um der Ehre Gottes willen. Auch das ist ein Recht, aber keine Pflicht.
Der Unterschied ist: Rechte darf man in Anspruch nehmen, muss man aber nicht. Eine Pflicht hingegen ist zu erfüllen, sonst wäre es ja auch keine Pflicht. Viele Moslems verstehen unter alldem was Jesus gesagt hat, viel zu oft eine Verpflichtung. Sie sind das so gewohnt aus ihrer Glaubenstradition heraus, weil das was Mohammed ihnen gesagt hat, genauso als Verpflichtend betrachtet wird. Dass kann man aber nicht 1:1 auf Jesus so übertragen. Und das tun wir als Christen im allgemeinen auch nicht.
Wenn Jesus einen blinden heilte, indem er Spucke mit Lehm vermischte und ihm auf die Augen legte, dann heißt das nicht, dass wir als Christen nun allen Blinden genauso auf eben diese Art und Weise helfen sollen. Wenn wir das tun würden, würde wahrscheinlich auch keine Heilung auftreten, mal ganz davon abgesehen, weil wir gar nicht diese Macht in uns haben.
Es gibt aber viele Beispiele davon wie Jesus einzelnen Menschen begegnet ist und es war jedesmal unterschiedlich. Auch die Heilungen waren jedesmal unterschiedlich ! Das zeigt mir zumindest: Es gibt keine Schablone die man für jede ähnliche Gelegenheit als vorgegebenes Verhaltensmuster drauf legen kann, sondern es ist jede Situation eine neue, eine andere, es ist jeder Mensch anders. Und immer wieder ist der Mensch selbst gefragt und muss abwägen und sich selbst fragen: Was ist jetzt in diesem Moment richtig und wichtig?
Und das ist auch eine besondere Herausforderung für Christen, eben weil es keine Schablone gibt, die man als vorgegebene Verhaltensnorm immer gleich anwenden kann, so wie etwas die mosaischen Gesetze, die im Grunde auf den einzelnen Menschen keine Reücksicht nehmen, auch nicht auf die Umstände, auf die Situation, sondern nur eines feststellen: Schuldig nach dem Gesetz oder nicht. Und darin unterscheidet sich auch die Christenheit. Die beiden höchsten Gebote (die sich im übrigen auch schon unter den mosaischen Geboten wiederfinden) sind ausschlaggebend ! Es soll nicht nur stumpf nach Gesetz gehandelt werden, denn das Gesetz ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz. Es soll die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten der Handlungsmaßstab sein. Und innerhalb dieser Liebe ist das Verhalten welches dann möglich ist, zu agieren ein sehr großer dem Menschen gegebener Spielraum. Er kann und soll selbstständig entscheiden lernen, er soll sich an den Grundsätzen wie: Zahn um Zahn um der Gerechtigkeit willen orientieren, er kann aber auch Vergeben, wenn er dazu fähig ist, statt zu vergelten. Und gerade diese Vielfalt an Möglichkeiten und kein Schablonendenken, als sei jede Handlung gleichermaßen zu beurteilen, macht Christentum auch so interessant.