@Repulsor @Libertin Guter Artikel, Repulsor, genauso erlebe ich viele Muslime in Gesprächen.
Aber die sind ja laut einigen hier keine "Echten", sondern weichgespülte Attrappen!
"Und wenn du jene siehst, welche über unsere Botschaft spöttisch reden,
dann kehre dich von ihnen ab, bis sie ein anderes Gespräch beginnen..." (6:68)
"Das Gute und das Böse sind fürwahr nicht gleich.
Wehre (das Böse) mit Besserem ab,
und schon wird der, zwischen dem und dir Feindschaft war,
dir wie ein echter Freund werden.
Aber dies geschieht nur denjenigen, die standhaft sind,
ja nur Menschen von besonderer Begnadung." (41:34-36)
"Und Diener des Erbarmers sind diejenigen,
welche auf Erden bescheiden auftreten;
wenn die Ahnungslosen sie [provozierend] anreden,
entbieten sie ihnen den Friedensgruß (qâlû salâmâ)." (25:63)
Diese und weitere Koranverse widerlegen die von vielen Islamisten und Islamkritikern artikulierte Behauptung, dass der Koran keine Feindesliebe kenne und zudem einen unversöhnlichen, oder gar harten Kurs gegen Beleidigungen des Islams vorschreibe. Die Vertreter dieser Position behaupten unter Berufung auf Stimmen aus der islamischen Tradition, dass Toleranzverse wie die obigen mansûkh, d. h. in ihrer Gültigkeit von späteren (Kriegs-)Versen aufgehoben worden seien. Diese Auffassung erweist sich bei einem zweiten gündlicheren Blick auf den Koran als nicht zwingend, vielfach sogar als grundlegend falsch.
Denn sie basiert auf willkürlichen Setzungen und nachträglichen Konstruktionen der klassischen Islamgelehrten. Dies lässt sich leicht anhand der großen Unterschiede in den Gelehrtenmeinungen zu der Anzahl der angeblich aufgehobenen Verse zeigen. Ferner basiert diese Auffassung oft auf Quellen, die den obigen Koranversen eindeutig widersprechen und in jedem Fall weniger authentisch sind.
Zur Begründung der angeblich aufgehobenen Gültigkeit der obigen Toleranzverse durch spätere Kriegsverse wird die falsche Behauptung ins Feld geführt, dass die späteren Kriegsverse den früheren Toleranzversen widersprechen würden, und dass in einem solchen Fall die späteren Verse die früheren aufheben würden (naskh - Abrogation). Das naskh-Argument mag z. B. auf die Verse zum Weingenuss zutreffen. Aber zumindest bei den Toleranz- und Kriegsversen geht dieses Aufhebung-durch-Widerspruch-Argument schon allein deshalb ins Leere, weil sich diese Verse mitnichten widersprechen. Die Toleranzverse sind unter friedlichen, d. h. relativ "normalen" Umständen geoffenbart worden und sind somit problemlos universalisierbar. Von den Kriegsversen wiederum lässt sich (auch für die sehr späten Suren) mehr oder weniger leicht zeigen, dass sie als Reaktionen auf eine militärische Bedrohung von außen zu verstehen sind und somit nur unter speziellen, historisch größtenteils überkommenen Bedingungen Gültigkeit besitzen bzw. besaßen.
Warum bitte sollte ich den intoleranten Auslegungen also mehr Gehör schenken als den oben aufgeführten Versen, die in bestem Einklang mit der Vernunft stehen und offensichtlich auch von den ersten Muslimen als bleibender Bestandteil des Korans überliefert wurden?
Wenn das klassische islamische Recht sich einst an den obigen Verse orientiert hätte, dann gäbe es heute vielleicht weniger Morddrohungen gegen Beleidiger des Islams und der Karikaturenstreit wäre nie eskaliert. Der Islam würde nicht in einem Atemzug mit religiösem Fanatismus genannt werden und das Recht der islamischen Rechtsgelehrten wäre frei von so mancher Strafvorschrift für Beleidigungen des Islams oder des Propheten.
Wir könnten auf Provokationen sachlich und professionell reagieren, wie es das Gros der Muslime ja auch bevorzugt,
ohne uns ständig Bilder von enthemmten religiösen Fanatikern aus den Reihen unserer Religion unter die Nase halten und uns sagen lassen zu müssen: "Seht, das machen die im Namen eurer Religion! Sie sind eben die wahren Muslime und ihr seid lediglich eine weichgespülte Attrappe davon."Ich plädiere dezidiert für Toleranz, Geduld und Sachlichkeit auch gegenüber Kritiken, ja sogar Beleidigungen des Islams - und ich kann diese Auffassung konsistent mit dem Koran begründen. Und ich werfe allen dem wiedersprechenden Stimmen vor den Koran im Lichte der nachprophetischen islamischen Tradition zu verkürzen statt die islamische Tradition kritisch nach ihrer Korankompatibilität zu befragen.
Zu diesem Ergebnis komme ich zumindest, wenn ich Kompendien des islamischen Rechts wie z. B. das vom al-Azhar-Gelehrten Vehbe Zuhaylî studiere und mir die Nackenhaare zu Berge stehen, wenn ich mir anschaue, für was es alles Todes- und sonstige Strafen geben soll.
Solche unreflektierten Rechtskompendien, bzw. einige kritische Kapitel daraus sind nach meinem Bauchgefühl eine viel effektivere Beleidigung des Islams als alle noch so einfallsreichen Verunglimpfungen des Islams durch die Anti-Islam-Gaukelkünstler.Zudem lassen sich die intoleranten Islamkonzepte, wie ich oben skizziert habe, dem Koran nur mit interpretatorischer Gewalt aufpropfen. Insofern sitzen sowohl die militanten Islamisten, als auch die Islamkritiker wie so oft dem falschen Pferd auf und es ist eine dringliche Aufgabe jeder künftigen islamischen Theologie diesen weit verbreiteten und selbst verschuldeten Irrtum unter Aufbringung aller zur Verfügung stehenden Mittel zu korrigieren. Dabei darf der Respekt vor den außerkoranischen Quellen, den klassischen Gelehrten und ihrem Bild vom Propheten und dem idealen Islam kein Hindernis darstellen. Wem der Anknüpfungspunkt an eine solche Lesart des Islams noch fehlt, dem rate ich sich in die obigen Verse zu vertiefen und sich zu fragen, was diese eigentlich im Koran verloren haben, wenn sie aus völlig unklaren Gründen keine Gültigkeit mehr besitzen sollten.
Das Gesagte ist nicht nur aus persönlichen Gründen für mich, sondern auch in einem größeren politischen Kontext von Bedeutung. Denn die überall zu beobachtenden Versuche theologischer Neuorientierungen innerhalb des Islams, die Demokratisierungswelle in der arabischen Welt, das Ende des politischen Islams und des militanten Kemalismus in der Türkei zugunsten einer mit dem Islam ausgesöhnten liberalen Demokratie und die schwindende Glaubwürdigkeit der Kulturkampfrhetorik in Deutschland und weltweit - all dies sind Hoffnungsschimmer dafür, dass die Zeiten des politisch-islamistischen Fanatismus und ihrer islamfeindlichen Trittbrettfahrer in der westlichen Öffentlichkeit sich ihrem Ende zuneigen. Lasst euch also nicht beeindrucken von islamfeindlichen Kundgebungen und ihren medialen Vermarktern, denn die Kulturkampfideologie hat ihren Zenit längst überschritten. Die Vernunft gewinnt Überhand und das Ende der Hassideologien ist nur noch eine Frage weniger Jahre. Lasst uns alle, gleichgültig welcher Religion oder Weltanschauung wir angehören, an allen Fronten gemeinsam für eine bessere Welt arbeiten - eine Welt, in der genügend Platz, Speis und Trank für alle da ist. Inshallâh...*
@Ayyub Ayyub schrieb:"In den letzten Jahren betonen Islamwissenschaftler, dass das Handeln Mohammeds nicht mit unseren modernen ethischen Maßstäben gemessen werden dürfe, und versuchen, die Massenexekution der Quraiza in einen historischen Kontext zu stellen.
In ihrer großartigen Biographie des Propheten schreibt Karen Armstrong (Christin!), so sehr dieses Massaker uns heute schockiere, so wenig sei es nach der Stammesethik der damaligen Zeit als unrechtmäßig oder unmoralisch empfunden worden.
Ähnlich argumentiert Norman Stillman in „The jews of arab lands“, das Schicksal der Banu Quraiza sei, mit seinen Worten, „gemessen an den harschen Regeln der Kriegsführung jener Zeit keineswegs ungewöhnlich."
So ist es, und die barbarischen, unmenschlichen Handlungen zu dieser Zeit eine Realität, darum die Schriften in ihrem Kontext zu lesen und sehen ist keine Relativierung oder Beschönigung sondern einfach notwendig.