@metz.ger“Darf ich versuchen festzuhalten?“Natürlich, sehr gerne sogar metz.ger. ^^
“Das ursprüngliche Übel ist der Wunsch etwas zu ändern, da dieser das bisherige negativ betrachtet und weitere Auspaltung in wahr und falsch vornimmt und droht das Gleichgewicht der Welt ins Wanken zu bringen.“Also, um es vorweg zu nehmen metz.ger, handelt es sich hier um Deine Interpretation, welche nicht kongruent mit meinen Aussagen einhergehen, also nicht das abbilden wovon ich explizit gesprochen habe. Dürfte ich Dich daher bitten, meinen Ausführungen mehr Aufmerksamkeit entgegenzubringen, wenn Du darauf Bezug nehmen möchtest?
Aber kann auch dazu was dazu sagen metz.ger:
Die Macht des Menschen ist so gewaltig, dass er sogar die Macht hat, seine Macht wegzugeben und sich zu einem völlig machtlosen Geschöpf zu machen. Und von dieser Möglichkeit machen wir Menschen ausgiebig Gebrauch und es scheint als ob dies eine der Lieblingsbeschäftigung des Menschen wäre.
Nichts regt gewisse Menschen mehr auf als die Äusserung, sie seien machtvolle Wesen und der Grund dafür ist klar: ein Mensch, der wirklich Macht hat, ist für sein Leben und seine Umwelt verantwortlich und das geht einigen dann doch zu weit. Viel lieber ist man Opfer, dann hat man wenigstens die Möglichkeit, sich zu beklagen und andere für das eigene Elend verantwortlich zu machen.
Hier einige Tricks, die wir Menschen anwenden, um uns zu machtlosen Geschöpfen zu machen:
Die Angst beeinflusst viele Artgenossen. Denken wir dabei an die Angst vor Krankheit, vor Unfall, vor Rezession, vor einer Entlassung oder ganz einfach die Angst vor dem Chef, oder Mitarbeitern. Zu erwähnen ist ebenso die Angst vor Verantwortung und vor anderen Meinungen. Die Angst vor Einbruch, Aggressionen, kriegerische Auseinandersetzungen und die Aufzählung könnte beliebig fortgesetzt werden etc.
Um diese Angst in gewisse Grenzen zu halten, haben wir uns unter anderem zwei Dinge einfallen lassen: die Versicherungen und den Sozialstaat. Beides bietet dem Menschen zumindest ein materielles Auffangnetz. Wie gross offenbar die Angst sein muss, kann direkt an der Bedeutung dieser zwei Institutionen abgelesen werden. Es sind enorme Geldsummen, die dort zusammenfliessen und verwaltet werden. In einer materiellen Welt ist es naheliegend, eine gewisse Sicherheit mit Geld zu kaufen.
Das tiefere Problem liegt darin, dass wir innerlich unsicher sind. Unsicherheit führt zu Angst und Angst führt nicht nur zu den Versicherungen, Angst führt auch zu Kampf, zu Abwehr, zu Aggression. Je mehr Unsicherheit, desto mehr Angst, desto mehr Abwehr, desto mehr Aggressionen. Ein Mensch, der sich unsicher fühlt, ist natürlich ein machtloser mensch. Ein wirklich mächtiger Mensch wird sich logischerweise nicht unsicher fühlen und das bedeutet: er wird keine Angst haben.
Die Angst ist somit ein Problem der menschlichen Unsicherheit. Unsicherheit ist mangelndes Vertrauen in sich selbst und/oder in die Welt. Und jetzt nähern wir uns einer interessanten Überlegung; die meisten Menschen gehören einer Religion an und glauben somit an einen Gott.
Normalerweise ist das ein sehr mächtiger, ein allmächtiger Gott. Wenn nun Menschen, die an Gott glauben, Angst haben und Versicherungen abschließen, dann heißt das doch nichts anderes als:
Vertrauen in Gott ist gut, aber eine Versicherung ist besser. (!)
Es fehlt also hier schlicht das fundamentale Vertrauen in das Leben Hier-und-Jetzt und wäre dieses Vertrauen vorhanden, gäbe es die Angst nicht.
Ein weiter Punkt ist die Sünde und bei unseren Betrachtungen über den machtlosen Menschen kommt der Sünde eine wichtige Rolle zu. Die Sünde ist ausserordentlich praktisch, um die Menschen zu beherrschen, um sie abhängig zu machen. Der Mechanismus, der dahinter steckt, ist einfach und seit Jahrtausenden bewährt:
Man erklärt den Menschen, „ihr seid alle Sünder.“ Somit haben sie ein schlechtes Gewissen und weil sie dann ein schlechtes gewissen haben, sind sie manipulierbar. Das ist bei Erwachsenen so, und das ist bei Kindern so. Sobald also jemand ein schlechtes gewissen hat, bekommt man von ihm Dinge, die man sonst nicht bekommen würde.
Der Trick geht jetzt so: man lässt ihn natürlich mit seinem schlechten Gewissen nicht allein, man ist ja schliesslich kein Unmensch und zeigt nun dem armen Sünder den Weg zu seiner Erlösung, den Weg zum Heil. Er braucht also nur dieses oder jenes zu tun –oder zu bezahlen- und siehe da, seine Sünden sind weggenommen.
Das geht oft ganz einfach und schnell. Wichtig ist jetzt hier aber, dass sich der Mensch trotzdem nicht sicher fühlt, sonst könnte es ihm zu wohl werden und wenn er wäre nicht mehr so leicht kontrollierbar. Es geht also darum, ihm klar zu machen, dass die Sünde wie eine Drohung ständig über ihm schwebt. So ist er viel leichter manipulierbar.
Dieses Prinzip funktioniert tadellos. Unerklärlich ist aber, weshalb die Menschen das mit sich machen lassen. Weshalb geben so viele Menschen ihre Macht weg an andere Menschen?
Und woher nehmen diese andere Artgenossen das Recht, über Sünde und Nicht-Sünde zu entscheiden? Woher nimmt ein Mensch das Recht, über andere Menschen zu urteilen?
Die Sünde ist aber kein Naturgesetz. Sie ist eine reine Erfindung des Menschen mit dem einzigen Zweck, seine Mitmenschen zu beherrschen. Solange wie ein Mensch das mit sich lassen lässt, wird er nie zu einem wirklich machtvollen Menschen.
Es geht hier auch nicht um die Sündenprediger zu verurteilen, sondern wer dieses Spiel mit der Sünde mitmacht, ist selbst verantwortlich; niemand zwingt ihn dazu.
Unverständlich ist, weshalb viele Menschen freiwillig ihre Macht an andere Menschen abgeben. Unverständlich ist auch, weshalb dies sogar im Christentum funktioniert.
Das Ergebnis ersehen wir rund um uns. Gegenseitige Beschuldigungen, Aggressionen, Kriege, Umweltzerstörung und vor allem: die Unfähigkeit, unsere Probleme zu lösen.
Das Abschieben der Verantwortung ist ebenso ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Das Opferspiel ist äusserst beliebt, weil es praktisch ist. Wer sich als Opfer bezeichnen kann, der hat normalerweise die Mehrheit der Artgenossen auf seiner Seite und er erhält Zuneigung und Aufmerksamkeit, ja vielleicht sogar Bewunderung, sofern er sein schweres (Opfer-) Los tapfer trägt.
Eines aber wird dabei völlig vergessen: Opfer sein heisst machtlos sein. Ist das eines Menschen würdig? Ist der Mensch darauf ausgelegt, das machtlose Opfer irgendwelcher nicht kontrollierbaren Kräfte zu sein? Wenn das tatsächlich so wäre, dann hätten die menschen aus meiner Sicht eine völlig inakzeptable Existenz, eine menschenunwürdige Existenz.
Es ist erschreckend zu sehen, wie Menschen verbissen an ihrer eigenen Machtlosigkeit festhalten. Das geht teilweise bis zur Aggression. Es gibt Menschen, die
wollen Opfer anderer Menschen sein, die
wollen Opfer eines Unfalls sein, die
wollen Opfer einer Krankheit sein.
Das ist Aberglauben aus dem tiefsten Mittelalter –mitten in einer hochtechnisierten Gesellschaft.
Das ist doch unser „normaler“ Denkmechanismus, welcher wiederum je nach Glaubenskosntrukt beeinflusst wird: so lange es für uns gut läuft, fühlen wir uns verantwortlich; sobald etwas geschieht, das uns nicht passt, suchen wir die Verantwortung anderswo. Nach Gutdünken schieben wir die Verantwortung einmal dahin und einmal dorthin und nehmen sie immer dann zu uns, wenn wir erfolgreich waren.
Ein beliebtes Spiel war eine zeitlang das Abschieben der Verantwortung auf die Eltern und das ist sehr praktisch. Man kann dann beispielsweise einen Menschen umbringen oder vergewaltigen und erklären „Ich hatte eine schwere Jugend“. Und die betroffenen Eltern konnten ihrerseits wieder auf ihre eigene schwere Jugend verweisen, die natürlich dazu geführt hat, dass die Erziehung der Kinder darunter gelitten hat usw. usf. Aber so kommen wir eben nicht weiter.
Wir sind also Weltmeister im Erfinden von Ausreden, im Suchen von Schuldigen und die Bücher dazu füllen ganze Bibliotheken. Solange wir wir daran festhalten, machen wir uns zu machtlosen Wesen und haben keine Chance, unsere Probleme zu lösen.
Wir sind immer nur das Opfer unseres eigenen Denkens. Unsere Macht ist so gross, dass wir uns selbst zu machtlosen Opfern machen können, wenn wir wollen. Und aus irgendeinem unerklärlichen Grund wollen das offenbar viele Menschen.
“Warum muß das, was Du SOLL nennst Willkür statt Bestimmung sein?“Habe ich nicht so ausgeführt metz.ger. Sondern das was sein SOLL, nicht aber IST, erzeugt eine Diskrepanz. IST und SOLL sind NIE identisch und dieser Sachverhalt führt dann zu einer empfunden Willkür im IST- Zustand, dem man sowieso nicht auszuweichen vermag, solange ein Lebewesen lebt.
;)“Ich habe gemeint, daß die Wissenschaft nicht weiss, wie die Welt zerstört wird und kann somit doch nicht wirklich Antwort darauf geben, wie man dies abwenden kann !?“Doch, doch, doch diese Warnhinweise und Möglichkeiten zur Verhinderung wurden stets von der Masse, den Institutionen chronisch als marginal aufgefasst und daher wurde auch keine weitere Energie oder Aufmerksamkeit darin aufgewendet.
“Du sagtest der Mensch muss nichts, also muß er auch nicht leben.“Ja, das wäre stringent die Konsequenz und das Argument ist immer noch auf soliden Boden.
;)“Gilt dies nicht für alles? Ist nicht vielleicht ein Sinn dahinter, daß die Welt "zerstört" wird?“Sinn? Was für einen Sinn denn und wer soll den einen Sinn austüfteln können, ausser eben wir Menschen?
“Warum diskutieren wir?“Ich aus Verbundenheit zum Leben, schlechthin und weil wir in einer Diskussion sind.
“Du willst doch auch Dinge geändert sehen, oder !?“Nein, ich will nichts. Da ich mich lediglich auf das was IST beschränke, so erlebe ich permanente Veränderung analog wie das was IST selbst auch.
“Darf der Mensch Nachfahren gebähren, darf er sich um diese Kümmern, darf er erziehen?“Es ist überhaupt keine Frage, ob er das darf, er tut es schlicht ganz einfach und dies schon seit jeher.
“Wenn ja, wie darf er erziehen?“Am besten, wenn er sich lediglich auf das was IST beschränkt. Sein Kind in eigener Verantwortung und in freier Entfaltung seines Selbst (!= EGO/ICH) entfalten lässt.
Verantwortlich werden für das eigene Selbst ist ein paradoxer Prozess. Wer in einfachen Begriffen des zeitlichen Nacheinanders denkt, wird die Wirkmechanismen nie erfassen. Entwicklung ist nie denkbar ohne Einflüsse von aussen. Wir alle haben Eltern, haben Vater oder Mutter, die in uns weiter wirken. Doch die Widersprüche im Innern der menschlichen Psyche entstehen, entfalten ihre eigene Dynamik. So kommt es zu Handlungen, die scheinbar durch bestimmte äussere Ereignisse determiniert sind, in Wahrheit aberwenig oder gar nichts mit ihnen zu tun haben.
Denn nicht nur die Umweltbeeinflusst das kleine Selbst, das wachsen möchte. Die Reaktionen des Kindes auf diese prägenden Einflüsse wirken ihrerseits auf die Umwelt zurück. Es handelt sich also um eine ständige Wechselwirkung. Vater und Mutter können dem Kind ihren Willen aufzwingen, doch Art und Intensität ihres erzieherischen Einflusses werden bestimmt durch die Reaktionen des Kindes.
Die Kompliziertheit dieses Wechselspieles zwischen Kind und Eltern liegt darin, dass die Möglichkeit zur Autonomie einerseits in den frühsten Interaktionen zwischen dem werdenden Selbst und seiner Umwelt grundgelegt wird, andererseits aber entscheidend dafür ist, wie weit das Kind Verantwortung für sich selbst übernimmt. Davon hängen alle künftigen Beziehungen innerhalb des sozialen Feldes ab.
Grundsätzlich kann Verantwortlichkeit sich in zweierlei Richtungen entwickeln: Entweder
formt sich das werdende Selbst frei und offen in eigener Verantwortung, oder es überlässt sich fügsam dem prägenden Einfluss anderer.
Damit weicht es den Verpflichtungen echter Verantwortung aus.Die Flucht vor der Verantwortung wird dabei aus dem Bewusstseinverdrängt. Dies muss so sein, weil die Preisgabe der Autonomie durch Unterwerfung untereinen fremden Willen ein elementares Machtspiel in Gang setzt: „Ich werde so, wie du mich haben willst, damit du für mich sorgst. Meine Unterwerfung ist von nun an meine Macht über dich, mit der ich deine Fürsorge erzwinge.“ So wird das Sich-abhängig-Machen zurRache für die Unterwerfung.
Erstens übernimmt das Kind die Bewertung der Eltern. Was man Internalisierung nennt, ist also ein
Prozess der Kollaboration durch Unterwerfung. Zweitens bedeutet dies, dass das Kind alles an sich selber zu hassen beginnt, was es in Konflikt mit den Erwartungen seiner Eltern bringen könnte.
Und drittens erwächst aus diesem Selbsthass die Bereitschaft zu immer weiteren Unterwerfung. Damit ist ein Teufelskreis in Gang gesetzt: Unterwerfung und Selbstverachtung bedingen sich wechselseitig. Es ist immer beides vorhanden: Selbsthass und Selbstverachtung. Doch eben die Selbstverachtung darf nicht gefühlt werden, weil sie unerträglich wäre. Darum muss der ganze Prozess unbewusst bleiben; er wird verdrängt und verleugnet, und so stürzt man sich blindlings immer tiefer in die Verstrickungen des Machtspiels.
So sieht die menschliche Situation aus, wenn die Mitwirkung an der eigenen Unterwerfung die Entwicklung charakterisiert. Und wer nicht mehr weiss, dass er sich unterworfen hat, kann das abgespaltene Selbst auch im späteren Leben nicht integrieren. Der daraus resultierende Selbsthass wird alle künftigen Handlungen nähren- als Versuch, das seelische Ungleichgewicht zu kompensieren.
Eigentlich ist ein Leben in Selbsthassunmöglich. Nur wenn man sich dem eigenen Selbst, das sich so bereitwillig unterwerfen konnte, stellt, dann gelangt man- wenn auch unter Schmerzen- zu einer Verminderung des Selbsthasses. Doch sich ihm stellen, das würde bedeuten, die Unterwerfung anzuerkennen, die einen hassen macht.
Ein Kind aber kann nicht erkennen und damit nichtzugeben, dass es den Schmerz nicht ertragen konnte, in seinem Selbst nicht wirklichangenommen zu werden, nicht anerkannt zu werden. Sich selbst angenommen zu fühlen durchdie Liebe eines anderen ist eine Grundbedingung des menschlichen Wachsens. FriedrichHebbel hat es in einem Gedicht ausgedrückt:
So dir im Auge wundersam
Sah ichmich selbst entstehen.
Der Schmerz darüber, nicht angenommen zu werden, ist sehrwahrscheinlich bei manchen Kindern die Ursache des so genannten plötzlichen Kindstods. Meistens unterwirft sich das Kind, um teilzuhaben an der Macht, die es unterdrückt. Autistische Kinder gehen offensichtlich anders mit diesem Schmerz um, sie scheinen nichtbereit zu sein, ihn zu leugnen…
Es ist sehr paradox: Man kann nicht mit dem Selbsthass leben, ohne etwas gegen ihn zu tun. Würde man ihm ins Gesicht sehen, sähe man sich dem Schmerz über den Verrat, den man an sich selbst begangen hat, konfrontiert.
Also wird er geleugnet. Der Widerspruch zwischen dem Bedürfnis, vor sich selbst das Gesicht zuwahren, und der Bereitschaft, sich durch Unterwerfung mit der Macht zu verbünden, ist deshalb die
grundlegendste und vielleicht
erste Spaltung in der menschlichen Seele. Sie ist nicht eine blosse Verdrängung, sondern eine
radikale Abspaltung, die Abspaltung
vom Wissen um das preisgegebene Selbst und den daraus resultierenden
Selbsthass. Dies wird zum
Grundprinzip eines ganzen Lebens.Diese Spaltung ist eingebettet und wird aufrechterhalten von einer gesellschaftlichen Ideologie, die Gehorsam mit Verantwortung gleichsetzt: Gehorsam sein heisst gut sein, und gut sein heisst verantwortungsvoll sein.
Frei sein dagegen ist ungehorsam, und wer ungehorsam ist, fordert Missfallen heraus und droht den Schutz der Mächtigen beziehungsweise die Chance der Teilhabe an ihrer Macht zu verlieren.
(zitiert aus Wahnsinn als Normalität, A. Gruen)