Optimist schrieb:nichts mit "sexuelle Lust", sondern "böse Lust" -> das könnte alles Mögliche sein, z.B. Spielsucht.
Wäre "Lust" (besser: Begehr, Begierde) wenigstens generell aufs Sexuelle bezogen, gänzlich oder besonders häufig. Dann wäre die "schlechte Begier" immerhin naheliegend ne negative sexuelle Sache. Doch Jesus selbst sprach davon, daß er "mit großer Begier" das Passahfest mit den Seinen zu feiern erwartet hätte. Definitiv, jegliches Begehren ist "Begehr", nix mit bevorzugt Sexuellem.
Optimist schrieb:"Wollüstlinge, noch Knabenschänder" -> das könnte sonst was sein, es müssen sicherlich nicht zwangsläufig Homosexuelle gemeint sein.
"Wollüstlinge" = malakoi, sg. malakos
Matthäus11,8: Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen, mit
weichen [Kleidern] bekleidet? Siehe, die
weiche [Kleider] tragen, sind in den Häusern der Könige.
Lukas7,25: Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? Einen Menschen, mit
weichen Kleidern angetan? Siehe, die in herrlicher Kleidung und in Üppigkeit leben, sind an den königlichen Höfen.
1.Korinther6,9f: Oder wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Irrt euch nicht! Weder Unzüchtige, noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch
"Weiche", noch
arsenokoitai, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes erben.
"Knabenschänder" = arsenokoitai, sg. arsenokoitês
Einzige Stelle
1.Korinther6,9f: Oder wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden? Irrt euch nicht! Weder Unzüchtige, noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch
malakoi, noch
arsenokoitai, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes erben.
arsên
Matthäus19,4: Er aber antwortete und sprach: Habt ihr nicht gelesen, dass der, welcher sie schuf, sie von Anfang an [als]
Mann und Weib schuf
Markus10,6: von Anfang der Schöpfung an aber hat er sie als
Mann und Weib geschaffen.
Lukas2,23: wie im Gesetz des Herrn geschrieben steht: `Alle
männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig heissen
Römer1,27: und ebenso haben auch die
Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen, sind in ihrer Wollust zueinander entbrannt, indem sie
Männer mit
Männern Schande trieben, und empfingen den gebührenden Lohn ihrer Verirrung an sich selbst.
Galater3,28: Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht
Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.
Offenbarung12,5: Und sie gebar einen Sohn, ein
männliches [Kind], der alle Nationen hüten soll mit eisernem Stab; und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und zu seinem Thron.
12,13: Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die das
männliche [Kind] geboren hatte.
Hier immerhin taucht arsên auch im Zusammenhang mit der männlichen Homosexualität auf; doch bezeichnenderweise gerade nicht mit dem Begriff "arsenokoitai". Arsên ist einfach eine Bezeichnung für Mann, männlich, mehr nicht. Auch in diesem Zusammenhang.
koitê
Lukas11,7: und jener würde von innen antworten und sagen: Mach mir keine Mühe, die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir im
Bett; ich kann nicht aufstehen und dir geben?
Römer9,10: Nicht allein aber bei ihr war es so, sondern auch bei Rebekka, als sie von einem, von unserem Vater Isaak,
schwanger war.
13,13: Lasst uns anständig wandeln wie am Tag; nicht in Schwelgereien und Trinkgelagen, nicht in
Unzucht und Ausschweifungen, nicht in Streit und Neid;
Hebräer13,4: Die Ehe sei ehrbar in allem, und das
Ehebett unbefleckt; denn Unzüchtige und Ehebrecher wird Gott richten.
koitôn
Apostelgeschichte12,20: Er war aber sehr erbittert gegen die Tyrer und Sidonier. Sie kamen aber einmütig zu ihm, und nachdem sie Blastus, den
Kämmerer des Königs, überredet hatten, baten sie um Frieden, weil ihr Land von dem königlichen [Land] ernährt wurde.
Koitê heißt in der Grundbedeutung Bett. Daß mehrfach das Ehebett vorkommt, liegt an der thematischen Auswahl der biblischen Stellen, nicht einer inhaltlichen Bevorzugung der Vokabel. Die Lukasstelle zeigt deutlich, daß koitê keinen solchen "grundsätzlichen Beigeschmack" hat.
Besonders bezeichnend ist Römer13,13. Wir sind es geradezu gewöhnt, in biblischen Texten "Unzucht" und "Ausschweifungen" mit einem hinzugedachten "sexuelle" zu verstehen, doch gehen beide Begrifflichkeiten eben auch ohne. Und der Rest sämtlicher Aufzählungen dort läuft nun mal auf nichtsexuelle ethisch verwerfliche Handlungen hinaus. Besonders Schwelgereien und Trinkgelage sprechen für ein unproduktives, sich gehen lassendes Verhalten, für Trägheit, Faulheit & co. Hierzu würde ein Vorwurf á la "bett(faulenzend)" passen. Ebenso meint die aselgeia schlicht ein "ausschweifend" im Sinne von "über das Maß gehend", maßlos, übertreibend. Römer13,13 beschreibt also in sämtlichen "Eigenschaften" jemanden, der sich "nicht mannhaft" benimmt, sondern sich faul, träge, alles übertreibend verhält, schließlich noch unvernünftig, emotional statt rational auftritt (Streit und Neid).
Koitê ist also mitnichten etwas, das naheliegenderweise auf Sexualität bezogen werden müßte. Und in Rö13,13 ist es deutlich erkennbar nicht der Fall, da der Duktus der ganzen Liste dagegen spricht.
In Römer9,10 ist mit koitê tatsächlich der sexuelle Vollzug gemeint. Allerdings ganz speziell der "erfolgreiche", das Schwangerwerden. Läge diese Stelle fast noch nahe, hinter "koitê" direkt Sex zu verstehen, so liegt dieselbe Stelle wiederum sowas von ferne, gleichgeschlechtlichen Sex meinen zu
können!
In Apostelgeschichte12,20 heißt es wörtlich "Blastus, der über das Schlafgemach des Königs ist", meint also einen höfischen Eunuchen. Bett ist wieder Ehebett, aber aus der Sache heraus, nicht der Vokabel.
Der_Eine schrieb:An der Stelle scheint es mir eher, dass Paulus ausschließlich sexuelle Sünden aufzählt. Sowas wie Spielsucht ist dort sicherlich nicht gemeint.
Du bist es nur aus quasi christlicher traditioneller Lesart heraus gewöhnt, alle diese Begrifflichkeiten in erster Linie sexuell zu hören.
πορνείαν ἀκαθαρσίαν πάθος ἐπιθυμίαν κακήν, καὶ τὴν πλεονεξίαν, ἥτις ἐστὶν εἰδωλολατρία
Porneia ist deutlich, keine Frage. Aber Akatharsis? Lies mal, was laut Jesus den Menschen rein macht oder unrein, irgendne sexuelle Konnotation dabei? Pathos spricht eigentlich schon für sich, daß diese "Leidenschaft" mitnichten auf Sexualität getrimmt wäre. Die epithymia kakê ist wie gesagt ebenfalls mitnichten auf Sexualität bezogen, na und die pleonexia, die Habsucht, isses definitiv nicht.
Leute lesen in die Bibel weit häufiger hinein als aus ihr heraus.
Der_Eine schrieb:In Römer 1,26 und 1 Thessalonicher 4,5 bezieht sich dieses Wort ebenfalls auf sexuelle Sünden:
Selbstverständlich können Leidenschaften auch sexuelle umfassen.
Und die Thessalonicherstelle ist deutlich anders.
3 Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligung, dass ihr euch von der Unzucht fernhaltet,
4 dass jeder von euch sich sein eigenes Gefäss in Heiligkeit und Ehrbarkeit zu gewinnen wisse,
5 nicht in Leidenschaft der Lust wie die Nationen, die Gott nicht kennen;
6 dass er sich keine Übergriffe erlaube noch seinen Bruder in der Sache übervorteile, weil der Herr Rächer ist über dies alles, wie wir euch auch zuvor gesagt und ernstlich bezeugt haben.
7 Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern in Heiligung.
Grad mal die "Unzucht", die porneia, ist hier deutlich sexuell. In 4 soll jeder seinen eigenen Leib rein gewinnen, nicht seinen Sexualpartner. In 5 ist die Rede vom Pathos der Epithymia, also schlicht von der Leidenschaft des Begehrens (jeglichen Begehrens, siehe Jesu große Begierde nach dem gemeinschaftlichen Passahmal). Na und zu V.6 muß man gar nicht erst was sagen: nur indem dieser Vers von Dir ausgelassen wurde, konnte der Rest als "sexuell konnotiert" erscheinen. Vers 7 zeigt nun angesichts V.6, daß hier mitnichten irgendeine Beschränkung auf Sexuelles vorliegen kann, auch wenn wie gesagt christliches "Verstehen" viele Jahrhunderte lang auf Sexualität in Unreinheit / Heiligung gebürstet wurde.