Fragen über den Islam
17.09.2008 um 10:41
Arabisch ist "blumig"
Besser gesagt:
Arabisch kann blumig und hochpoetisch sein!
Arabisch kann aber auch präzise sein, man kann nahezu jeden Vorgang mit einem Verb ausdrücken, problemlos in andere Wortarten umsetzen und dabei auch noch verschiedene Feinheiten berücksichtigen:
Ich möchte das an einem Beispiel kurz erläutern:
Im Koran kommt einmal das Wort "Al- Takathur" vor. Das wird meist unbeholfen umschrieben mit "Das Streben nach mehr" oder Ähnlichem
Es handelt sich hier um eine reziproke (Gegenseitigkeit) Form, die man prinzipiell (von der grammatischen Grundstruktur her) für jedes Verb anwenden kann
Al - Takathur ist daher: Gegenseitig viel/mehr haben (wollen)
Zusätzlich vermittelt dieser Stamm häufig eine kontinuierliche Entwicklung
Takathur hat daher auch die Bedeutung der Populationsvermehrung in einem mehr langfristigen Bezug
Will ich dagegen eine rasche Vermehrung/Vervielfältigung ausdrücken, sage ich nicht "Takathur", sondern eher "Takatthur" (Verdopplung des Th)
Will ich im Wort Vermehrung/Vervielfältigung die Aktivität ausdrücken (jemand vermehrt), verwende ich die Form "Takthir", während sein oben stehendes Äquivalent (Sein Gegenstück, das mit ihm zusammen ein "Paar" bildet) Takatthur eine passivische (vermehrt werden) oder eine reflexive Bedeutung (sich vermehren) ausdrückt
Will ich sagen, dass jemand eine Zahl überschätzt oder eine hohe Zahl annimmt, kann ich die Form "Istakthara" verwenden = Für viel halten
Möchte ich Vielheit als unbestimmte Menge (Kollektivum) angeben, verwende ich die männliche Form: "Kuthr"
Möchte ich Vielheit dagegen als abgrenzbare Menge angeben, verwende ich die weibliche Form: "Kathra/Kuthra"
Möchte ich sagen, dass jemand etwas häufig oder mit großer Intensität tut, kann ich die Form "Akthara" verwenden: Z.v. Akthara Al- Amal (Er arbeitet viel)
Wie bei den anderen Formen auch kann man das Verb bedenkenlos in Substantive und Adjektive umwandeln, bsp.
Akthara (Er machte viel) - Ikthar (Etwas-viel-machen) - Mukthir (derjenige der viel macht, viel machend), Mukthar (Das was viel gemacht wird, das Vielgemachte)
Theoretisch sind weitere Formen möglich, die aber bei diesem Verb nicht im Gebrauch sind
1. Man kann den Ort angeben, an dem etwas getan wird:
Z.b. Madrasa (weiblich): Der Ort an dem man lernt/an dem gelernt wird
Masna (männl.): Der Ort an dem produziert wird (= Fabrik)
Madschzar (männl.) - ich bin mir ziemlich sicher, dass der Metzger davon kommt, das G ist phonetisch dem dsch sehr ähnlich, die Ägypter sprechen z.b. statt dsch "g" -
= Der Ort an dem geschlachtet wird (Metzgerei)
Madschzara (gleiches Wort weibl.) - ich bin mir ziemlich sicher, dass das Massaker davon kommt) = Der Ort an dem (u.a.) Menschen abgeschlachtet werden = Massaker
Masdschid: Der Ort an dem sich niederwirft = Moschee
2. Mann kann eine aktive Einflussnahme ausdrücken
Bsp. steht im Koran an einer Stelle: "Wenn ihr die Frauen berührt habt"
Das Wort für berühren ist "Laamasa" (mit langem a)
Hier ist eine aktive Einwirkung ausgedrückt, während das Grundverb (lamasa mit kurzem a) allgemeiner und neutral ist. Daher haben die meisten Rechtsgelehrten unter "Mulamasa" (= die Substantivform) eine Berührung mit sexueller Absicht verstanden, manche bezogen es auch auf den Geschlechtsverkehr
Ähnliche Beispiele: Muqataa = Boykott
Das Wort ist vom Grundverb "qataa" abgeleitet, welches "schneiden, durchtrennen" bedeutet. Mit der Intensivform drückt man aus, dass man aktiv jemanden von der Zusammenarbeit abschneidet, so wie wir in der Umgangssprache etwa beim Fußball auch sagen: "Er hat ihn geschnitten"
Taqatu (die oben erwähnte Form, die Gegenseitigkeit ausdrückt) ist übrigens die Kreuzung (Der Punkt, an dem sich zwei Linien gegenseitig schneiden)
Musalama = mit jmd. Frieden schließen
Mudafaa: Sich gegen jmd. verteidigen, jmd. verteidigen
3. Man kann eine häufige Wiederholung oder Intensivierung ausdrücken:
Bsp.
Taqti (von der Grundform "schneiden" abgeleitet) bedeutet: Etwas zerhacken (In Stücke schneiden)
Tagsil (von der Grundform "waschen") bedeutet: "in der Waschmaschine waschen" da dort die Wäsche in rascher Wiederholung gewaschen wird
Tanzil (von der Grundform "Herunter...") bedeutet im Koran ganz genau: "Immer wieder offenbaren"
Daher wird nur der Koran an manchen Stellen mit "Tanzil" bedacht, während sonst von "Inzal" die Rede ist
Manche Adjektive und Substantive können intensiviert werden:
Bsp.
Aarif, Arraf, Arif bedeuten alle "Wissend, Kenner", Arraf und Arif sind Steigerungsformen
Manche Wörter haben den "Plural vom Plural"
Talib = Student, Schüler
Tullab (männl. Form) = Studenten, Schüler
Talaba (männl. + weibl.) = viele Studenten
Insan = Ein/Der Mensch
Nas = kann "Ein paar Leute" oder "Die Menschen" heißen
Unas = viele Menschen
Ins = Die Menschen in ihrer Gesamtheit -> Wenn gleichzeitig von den Dschinn die Rede ist, verwendet der Koran "Ins"
Ein letztes Phänomen (da wären wir wieder beim Anfangspunkt, der blumigen Sprache angelangt):
Lautmalerei: Ruckartige Bewegungen; Zischlaute/Rumpeln etc
Zalzala = Erdbeben, Erschütterung
Zabzaba = Erschütterung, Oszillieren
Rafrafa = flattern
Kabkaba = kopfüber (stürzen)
Waswasa = einflüstern
Sabsaba = übel beschimpfen, wild herumschimpfen (normal schimpfen: sabba)
Felix würde jetzt sagen: Und das ist noch nicht alles ;)
Ich staune selbst immer wieder von Neuem, wie variantenreich die arabische Sprache ist, und das ist natürlich auch ein Verdienst des Korans, der ja neben der hochklassigen arabischen Dichtung die wesentlichen Richtlinien für das einheitliche "hocharabisch" der großen (im übrigen persischstämmigen) Grammatiker gesetzt hat