Sowas wie eine Seele gibt es nicht!
30.11.2006 um 17:30
Hier der Artikel. Zwar etwas lang, aber dafür sehr aufschlussreich:
Die Liebeist ein seltsames Spiel – finden auch Wissenschaftler und erforschen das schönste allerGefühle. An Hirnscans zeigen sie, was sich in den Köpfen von Verliebten abspielt, beiMäusen entdecken sie das Treuegen und selbst dem weiblichen Orgasmus rücken sie zuleibe.
Irgendwo aus der Bauchgegend kommt dieses komische Gefühl von Glück – denkenwir. Pausenlos muss man grinsen und fühlt sich wie krank. Die Stirn ist ganz heiß und dasHerz rast. Komisch, schlecht geht es einem dabei eigentlich nicht – im Gegenteil. DieLiebe hat viele Facetten. Neben der romantischen, leidenschaftlichen Zuneigung zumanderen, manchmal auch zum eigenen Geschlecht, kennen wir die Mutterliebe, dieGeschwisterliebe und andere Formen emotionaler Bindung. Was unterscheidet diese Gefühlevoneinander und was passiert mit uns, wenn wir verliebt sind?
Andreas Bartels,ein junger Neurobiologe aus Zürich, ist diesen Fragen auf den Grund gegangen. Gemeinsammit Semir Zeki vom University College in London erforscht er die Liebe – im Kopf. MitHilfe von fMRI, einer besonderen Art der Computertomografie, scannen die beidenWissenschaftler Gehirne von Verliebten und untersuchen, welche Regionen aktiv sind, wennein Mensch bis über beide Ohren verknallt ist. 17 Probanden legten sich dazu in einenKernspintomografen. Während ihnen Fotos vom heiß begehrten Partner gezeigt wurden,machten Bartels und Zeki Schnappschüsse vom Gehirn.
Das Ergebnis: Bei allenVersuchspersonen leuchteten die gleichen vier Areale auf. "Es ist erstaunlich, dass dieAktivität im Gehirn bei einem derartig komplexen Gefühl wie der Liebe auf so engbegrenzte Regionen beschränkt ist", meint Bartels. Als Gegenprobe legte man denVerliebten auch Fotos von Freunden vor, in die sie nicht verschossen waren. Daraufsprangen die Liebeszentren nicht an.
Noch überraschter waren die Forscher, alssie den gleichen Versuch mit Müttern wiederholten, die auf Fotos von ihren Sprösslingenschauten. In unserem Empfinden ist es ein großer Unterschied, ob wir vor Aufregung zusterben glauben, wenn uns der oder die Angehimmelte im Supermarkt begegnet oder ob wirdas eigene Kind von ganzem Herzen lieben. Bartels und Zeki vermuteten, dass sich diesesehr verschiedenen Emotionen auch im Gehirn unterschiedlich darstellen würden. Dochfalsch gedacht: Bei liebenden Müttern sind überwiegend die gleichen Hirnregionen aktivwie bei liebestollen Partnern.
Anhand der fMRI-Aufnahmen konnten die beidenForscher erkennen, was es ist, das die beiden Arten der Liebe vereint: Die Orte, an denensich Liebe in unseren Köpfen abspielt, decken sich zu großen Teilen mit Regionen, dieauch auf Drogen wie Kokain ansprechen. Liebe macht glücklich, weil sie unserBelohnungszentrum aktiviert, das uns berauscht und benebelt. So verstärkt die NaturVerhalten, das wir wiederholen sollen, sie erfreut uns mit Glücksgefühlen.
"Gleichzeitig wurden bei beiden Arten der Liebe Hirnareale deaktiviert, die mit negativenGefühlen einhergehen", so Bartels. Und mehr noch: Blockiert wurden besonders dieRegionen, die für die kritische Beurteilung eines Menschen verantwortlich sind. Liebemacht wirklich blind. Und das ist in den Augen der Forscher auch durchaus sinnvoll. Denndurch die rosarote Brille wird unsere natürliche Distanz zu anderen Menschen überwunden,wir gehen Beziehungen ein und unsere Bedenken gegenüber dem anderen werden im Zaumgehalten.
Zu wissen, wo die Liebe im Kopf ihr Unwesen treibt, reichte einigenAmorologen aber noch nicht. Sie wollten herausfinden, was genau passiert, wenn dieNeuronen im Rausch der Leidenschaft ihre Signale abfeuern. Deshalb beschäftigten sichMiranda Lim und ihre Kollegen von der Emory-University in Atlanta mit den Molekülen, ausdenen die Liebe ist. Vasopressin und Oxytocin heißen die Botenstoffe, die alskörpereigene Drogen die Sinne berauschen, wenn Wühlmäuse verliebt sind. "Diese Stoffewerden vom Gehirn nach dem Sex ausgeschüttet oder im Zusammenhang mit anderenVerhaltensweisen bei der Fortpflanzung", so die Wissenschaftler. Bei Menschen ist dasähnlich. Auch Bartels fand bei seinen Probanden besonders diejenigen Bereiche im Gehirnstimuliert, in denen es von Andockstellen für die Liebesboten nur so wimmelt.
Diese Empfängermoleküle, die Rezeptoren, entscheiden, ob eine körpereigene Glücksdrogeüberhaupt wirken kann. Verblüffenderweise kann ein einzelner Rezeptor über enorm komplexeVerhaltensweisen entscheiden, wie jetzt Lim und ihr Team zeigen konnten. Die Forscherverglichen zwei verschiedene Wühlmausarten: Männchen der Wiesenwühlmaus (Mycrotuspennsylvanicus) wechseln häufig die Partner, während Präriewühlmäuse (Microtusochrogaster) sich mit einem einzigen zufrieden geben. Bei letzteren entdeckten dieForscher einen erhöhten Anteil an Vasopressin-Rezeptoren im Belohnungszentrum.
Die Wissenschftler isolierten die Erbanlage für diesen Treue-Rezeptor und schleustensie den flatterhaften Wiesenwühlmaus-Männchen ein. Plötzlich wichen auch die sonst soumtriebigen Machos ihren Partnerinnen nicht mehr von der Seite. Ob ein Mäuserich treubleibt oder nicht, hängt also von einem einzigen "Treuegen" ab.
Es gibt zwarauch beim Menschen ein Gen für den Vasopressin-Rezeptor, aber ob der so wirkt wie beiMäusen, wissen die Forscher noch nicht. Und selbst wenn Frauen künftig einen Gentestverlangen sollten, um die Treue des Partners checken zu lassen, kann der Mann soforteinen Racheakt starten. Er braucht seine Frau nur in einen Positronen-Emissionstomografen(PET) stecken zu lassen. Darin können Wissenschaftler nämlich eindeutig einen echten voneinem vorgetäuschten Orgasmus unterscheiden – und das kann peinlich werden.
GertHolstege von der Universität Groningen in Holland hat das allen Ernstes gemacht –allerdings nicht mit seiner eigenen Frau. Er schickte Probandinnen vor, die mit ihrenPartnern entweder zu echten Höhepunkten kamen oder so taten, als törne sie die skurrileUmgebung in der klinisch anmutenden Röhre so richtig an. Anhand der Hirnscans wurdesichtbar, dass unterschiedliche Regionen des weiblichen Gehirns aktiv sind – je nachdemob der Orgasmus echt war oder nicht.
Die neuen Ergebnisse aus derLiebesforschung machen deutlich, dass Liebe keine Einbildung ist und physiologisch beiverschiedenen Menschen ähnlich abläuft. "Wir können die Liebe im Kopf jetzt sehen", sagtAndreas Bartels und fügt hinzu: "Es sind vor allem Hirnregionen aktiv, die auch aufkörpereigenen Drogen wie Vasopressin und Oxytocin anspringen – und auch auf künstlichewie Kokain oder Extasy." Bisher weiß man wenig über den menschlichen "Liebestrunk",zusammengebraut in den Drüsen des Gehirns. Klar ist jedenfalls, dass kleine Mäuschenwenig Einfluss auf ihr Verhalten nehmen können, wenn im Gehirn hormongesteuerte Neuronenwie Milliarden winziger Pfeile Amors den Verstand außer Gefecht setzten. Vermutlich sindauch wir weniger Herr unserer Sinne als gedacht. Die im Hirn ausgeschütteten Stoffelassen uns Zweifel vergessen, schalten negative Gefühle aus und verblenden den kritischenBlick auf unser Gegenüber. Mit dieser Vernebelungstaktik hat uns die Evolution einSchnippchen geschlagen, damit wir uns eifrig vermehren. Egal wie sehr wir uns anstrengen,unser Leben bewusst zu steuern – wenn wir verliebt sind, ist alles aus.