phenomena schrieb:Wieso verkennen ? Mir gehts speziell um Genesis 5,2. Das ist mehr als nur Genealogie
Seit wann ist die schöpferische Anlegung des Menschen in männlich und weiblich irrelevant für das Zeugen von Nachkommen = Genealogie?
Nee Du, diese Genealogie ist auf das Wesentlichste reduziert. Nur, was für die Genealogie selbst, also für die geschlechterfolgende Rückbindung an den Ursprung (und ihr vorläufiges Ziel), wichtig ist, steht da. Nix, "das man 'Wiederholung von Aspekten der Vorgeschichte' nennen könnte", um sich dann zu wundern, wieso nix zu Kain und Abel dasteht. Wenn Du die Funktion der einzelnen Elemente der Genealogie fürs Ganze verkennst, dann kommt halt so ein Wundern bei raus.
phenomena schrieb:Woher "kannte" der Autor denn die Vorfahren ? Hat er sie von irgendeiner anderen Überlieferung übernommen und sie ggf. überschmückt, sich selber komplett ausgedacht, oder hat es ihm jemand ad hoc gesagt, der diese alle persönlich kannte ?
Hier wurden mehrere Überlieferungen miteinander verknüpft. Zum einen die hinter 1.Mose4,25f stehende Überlieferung von Adam bis Set, und zum anderen eine andere, mit der Kainserzählung und der Kainitengenealogie eng verwandte, aber nicht erhaltene Überlieferung.
Die Kainiten-Genealogie in 1.Mose4 fängt zwar mit Kain an, doch zunächst sind Kain und Abel Brüder, haben also Eltern. Also gibt es zumindest einen Vater Kains in der Kainitengenealogie.
Und jetzt vergleiche ich mal die Kainitengenealogie mit der Genealogie nach Set von 1.Mose5:
"Vater" - Enosch
Kain - Kenan
Henoch - Henoch
Irad - Jered
Mehujael - Mahalalel
Metuschael - Metuschelach
Lamech - Lamech
...... - Noah
Jabal+Jubal+Tubal-Kain - Sem+Ham+Jafet
Hand hoch, wem die Namensähnlichkeit auffällt! OK, die Dreiergruppe Mahalalel-Jered-Henoch mußte ich umdrehen, damit es paßt. Aber Zufall ist das nicht.
Adam heißt übrigens "Mensch", wie Eva (Chawa) "Lebewesen" heißt. Sehr sinnvoll für den Anfang der Menschheit, quasi "nomen est omen". Und das Pendant zum Kains-Vater? Enosch heißt "Mann", "Mensch". Wir haben es hier also tatsächlich mit einer ursprünglich eigenständigen Genealogie der allerersten Menschen zu tun.
Auch am Ende ähneln sich diese beiden Genealogien, wenn auch nicht mehr im Namen. Denn während die Kainitengenealogie anfangs stets nur auf einen Nachfolger verweist, werden am Ende gleich drei Nachkommen genannt. Und das ist Absicht. Denn während eine Genealogie mit nur je einem Sohn letztlich ne Art "Familiengenealogie" ist, geht es bei ner Genealogie mit mehreren namentlich benannten Nachkommen um eine Aufspaltung. Und zwar um eine Aufspaltung in die ganze Menschheit. Deswegen finden sich in der Kainitengenealogie zu jedem der drei Lamech-Söhne noch Angaben, welche Volksgruppe aus welchem der Söhne hervorgegangen ist. Und bei der anderen Genealogie? Da werden aus den genannten drei Söhnen dann ebenfalls alle Völker der Menschheit draus, eingeteilt in die damals bekannten Großregionen, die spätbronzezeitlich von je einer Großmacht beherrscht wurden. Jafet für die Völker des Nordens, die Herrschaftssphäre der Hethiter, Ham für die Völker des Südens, den ägyptischen Herrschaftsbereich, und Sem für die Völker des Ostens, die Machtdomäne Assurs.
Auch die Erzväter-Genealogie ist so aufgebaut. Mit Abraham-Isaak-Jakob haben wir zunächst eine einlinige Familien-Genealogie, aber am Ende die Aufspaltung in eine Gesamtheit vieler separater Gruppen durch die Zwölfzahl der Söhne Jakobs, die Gesamtheit des Volkes Israel.
Der Verfasser von 1.Mose5 hat also die Überlieferung von Adam bis Set sowie eine mit der biblisch bezeugten Kainitengenealogie eng verwandte Version aufgegriffen und miteinander verbunden. Als drittes übernahm der Verfasser noch eine weitere Überlieferung, nämlich die vom Sintfluthelden Noah und dessen drei Söhnen, aus denen sich die nachsintflutliche Menschheit gebildet hat. Alle diese Überlieferungen verband er zu dieser einen Genealogie, wie wir sie seither kennen.
Die Altersangaben wurden dann vom Verfasser hinzugefügt. Sie entsprechen dem, ja gestalten das Konzept der unterschiedlichen Lebensspannen je "Epoche", für die Vorsintflutler eben das "gesegnete Alter" von bis zu 1000 Jahren. Dabei mußte er zuletzt das Erstvateralter erhöhen (für Metuschelach und Lamech auf über 180 Jahre, für Noah sogar auf 500), damit das hohe Alter der Vorfahren nicht mit der Sintflut kollabiert (Metuschelach stirbt im Jahr der Flut). So mußte wie gesagt nur Lamechs Alter drastisch runtergesetzt werden, auf 777 Jahre.
Ob es noch weitere, spezielle Gründe für die genauen einzelnen Jahresangaben gibt, läßt sich nicht ermitteln. Ein allmählicher Rückgang des Lebensalters wie für die Väterzeit liegt jedenfalls nicht vor.
phenomena schrieb:Dass wir gar nichts über Kains Alter und Tod erfahren ist wiederum gar nicht so verständlich.
Wieso das? Du gehst da mit neuzeitlichen Vorstellungen und Erwartungen an den Text. So fragen sich auch immer wieder Menschen, was wohl mit Jesus zwischen seiner Kindheit und der Taufe am Jordan losgewesen sei (Ägypten? Indien?). Aber ein Evangelium ist keine Biographie und will gar keine solche Fragen aufwerfen. Mal so als Beispiel.
phenomena schrieb:perttivalkonen schrieb:
Wo wird das angesprochen, daß dieses Status infragegestellt wäre? Das liest Du da nur hinein, nicht heraus.
Den Rauswurf aus dem Paradies kann man schon als Zäsur oder Paradigmenwechsel bezeichnen. Auch Hiob 31,33 und Hosea 6,7 scheinen das so zu sehen.
Weder deuten die Stellen bei Hiob und Hosea dergleichen an, noch gibt es irgendeinen Hinweis, daß die "Zäsur" von 1.Mose3 irgendne Auswirkung auf die Gottebenbildlichkeit von 1.Mose1 hätte. Naheliegend ist dies ohnehin nicht. Schließlich gehören 1.Mose1 und 1.Mose2-3 zu zwei verschiedenen "Quellen". Der erste Schöpfungsbericht ist priesterschriftlich, der zweite hingegen "jahwistisch". Letztlich wurden beide Textgruppen miteinander zusammengestellt und natürlich auch aufeinander bezogen. Dennoch aber sollten sich diese Bezugnahmen schon erkennen lassen. Du aber behauptest sie einfach nur.
Der Witz an der Zusammenstellung zweier letztlich nicht zueinander passender Schöpfungsberichte ist die Konterkarierung des einen durch den anderen. Im ersten wird der Mensch gottebenbildlich erschaffen, und das gilt als etwas Gutes. Ferner wird der Mensch zum Herrscher über die ganze Schöpfung eingesetzt. Im zweiten Bericht dagegen wird der Mensch geschaffen und in den Garten gesetzt, damit er selbigen bewahren und bebauen solle, er ist also Diener der Schöpfung, nicht ihr Herrscher. Und auch das "Sein wie Gott" kommt im zweiten Bericht vor, zunächst aus dem Mund der Schlange (ihr werdet wie Gott sein), dann aber bestätigt von Gott (siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner). Hier jedoch ist diese Gottebenbildlichkeit etwas Negatives. (Und ja, hier hat die Gottebenbildlichkeit tatsächlich etwas mit der "Zäsur" zu tun.)
Beides gehört zum Menschsein, das Mächtigsein und das Verantwortlichsein. Und ebenso ist unsere Gottebenbildlichkeit, unsere Macht und Potenz und unsere Erkenntnisfähigkeit, sowohl etwas Gutes als auch etwas Gefährliches. Erst beide Seiten zusammen beschreiben uns wirklich. Dies dürfte der Grund sein, wieso beide Berichte aufgenommen und nebeneinandergestellt wurden, obwohl sie einander "historisch" widersprechen (z.B. Reihenfolge der Erschaffungen). Aber "historisch" las damals eh keiner, nicht in unserem Sinne.
Auch wenn die eine Gottesebenbildlichkeit tatsächlich mit jener Zäsur zu tun hat, kann man dies nicht für die andere sagen. Und vor allem kann man nicht sagen, die Gottebenbildlichkeit (welche auch immer) wäre mit der Zäsur vergangen odgl. Nicht einmal dies läßt sich sagen, daß die Wertigkeit der Gottesebenbildlichkeit sich mit der Zäsur gewandelt hätte: erst positiv, dann negativ. Nein, erst wenn die Gottesebenbildlichkeit zugleich sowohl positiv als auch negativ verstanden wird und nicht sukzessive erst so, dann so, erst dann ist die Aussageabsicht der Kompilatoren verstanden.
phenomena schrieb:Jetzt könnte ich auch noch darauf verweisen, dass der Mensch nach dem Sündenfall laut Jahwe "wie einer von uns..." geworden ist. Ist der Mensch also erst nach dem Sündenfall wie Gott geworden, oder liegt die Betonung auf einer (echad) mit dem Hinweis, dass der Mensch zuvor wie mehr als nur einer von ihnen war ? Dass der Mensch mit dem Sündenfall von einer Vielzahl (Vollzahl) an Göttlichem zu einer Einzahl an Götlichem wurde und so von dem Abbild nur noch ein Zerrbild über geblieben ist.
Weia, das ist mal sowas von mißverstanden. Das ist kein Abstieg, sondern ein Aufstieg, siehe die Aussage der Schlange, ebenso in der Aussage Gottes der Zugewinn der Erkenntnis des Guten und Bösen. Damit dieser Aufstieg nicht komplett wird, wird denn auch das Essen vom Baum des Lebens verhindert. Es geht um Aufstieg, nicht Abstieg.
phenomena schrieb:Also, ich wollte gar nicht sagen, dass die Ebenbildlichkeit Adams klipp und klar bestritten wird. Ich wollte sagen, dass es für die Zeit nach dem Sündenfall wenigstens Argumente für den Zweifel daran gibt.
Seh ich noch immer nichts. Spekulieren kann man natürlich über alles.
phenomena schrieb:Wieso nicht über Kain ?
Ähm, weil die Ähnlichkeit ausdrücklich über Set gesagt wird. Und nur über ihn, nicht mal mehr über die weiteren Generationen. Set ist also der "Erbe". Und das ist er nicht im Gegensatz zu seinen Nachkommen, sondern im Gegensatz zu Kain. Genau desegen wird dies nur bei Set gesagt, nicht bei den weiteren Generationen.
phenomena schrieb:Der war ja immerhin der zeitlich Erstgeborene.
Der aber immerhin sein Erstgeburtsrecht verspielt hat. Wie gesagt, Set wird ausdrücklich zum Erben der Gottebenbildlichkeit benannt.
phenomena schrieb:Oder wurde Kain zum Mörder, weil Adam es versäumte, sie ihm zu übertragen ?
Das ist zu dinglich gedacht. Die Ähnlichkeit ist mehr eine Sphäre als ein Phänotyp / Genotyp. Auch die Sünde eines Menschen ist eher wie eine Sphäre gedacht, eine umgebende Aura. Hier, bei Set, wird nun aber vor allem nur die "Erbschaft" geklärt, aber nicht gesagt, daß Kain diese nie bekommen hätte. Sondern nur, über wen sie sich fortpflanzen, weitervererben werde.
phenomena schrieb:"ungenaue Formulierung" würde ich auch nie dem Text unterstellen. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Schließe ich basierend von einer Nichterwähnung irgendwas aus, oder unterstelle ich den Protagonisten einen Alltag.
Doch, Du unterstellst genau diese ungenaue Formulierung. Die Geschwister werden summarisch benannt, nicht partiell nur die jüngeren. Bei letzterem unterstellst Du dem Verfasser, er habe nicht die gesamte Nachkommenschaft benannt mit seiner Formulierung.
Nur Kain (und seine Nachkommen) wurden in dieser Genealogie übergangen - aber das ist auch Absicht. Anzunehmen, noch weitere Nachkommen, jeweils ältere Geschwister des je namentlich genannten Sohnes, seien ebenfalls übergangen worden, wäre unsinnig. Wieso wurden die übergangen, haben die alle Dreck am Stecken wie Kain? Und wieso stets die Älteren? Das ergibt Null Sinn.
phenomena schrieb:Das ist doch die ähnliche Argumentationsweise wie meine. Du schließt Absurditäten zwar aus, aber generalisierst dann davon ausgehend. Niemand wird zwei mal geboren und niemand stirbt zweimal
Dennoch wird hier nichts ausgelassen, und das ist der Knackpunkt. Selbst bei dem einen, für den kein Tod mitgeteilt werden kann, wird dennoch sein (irdisches) Ende mitgeteilt. Da wird nichts ausgelassen von dem, was zum Schema gehört. Aber ältere Geschwister werden konsequent nicht erwähnt? Entschuldige mal, aber ich argumentiere völlig anders als Du.
phenomena schrieb:Und dass das "nachdem" sich zwingend auch auf die Zeugung von Söhnen und Töchter beziehen muss, ist auch nicht gesagt. Man kann eben nur der Reihe nach schreiben, aber Ereignisse geschehen und nun mal auch Parallel. Um parallele Ereignisse eindeutiger darzustellen bräuchte der Fließtext eine ganz andere Struktur.
Ach nein?
Und Set zeugte Söhne und Töchter; und mit 105 Jahren zeugte er Enosch.
Und Set lebte, nachdem er Enosch gezeugt hatte, 807 Jahre.
Und alle Tage Sets betrugen 912 Jahre, dann starb er.
Da steht es aber anders, und das ist ne Abfolge. Mit Hebräischkenntnissen ließe sich sogar erkennen, daß der Satz "und (er) zeugte Söhne und Töchter", wie er real hinter der Angabe der 807 Jahre steht, im Narrativ dasteht. Mit dem Narrativ aber werden Ereignisse beschrieben, die sich nach dem zuvor Gesagten ereignen. Für Gleich- oder Vorzeitigkeit hätte z.B. der weqatal verwendet werden müssen, also nach dem "und" das Verb im Perfekt, nicht Imperfekt wie beim Narrativ. Der Narrativ erzählt Ereignisgänge.