@bekchris@allDAS SIND WORTE VON PICHAS LAPIDE WELCHEN ICH SEHR SCHÄTZE UND FÜR SERIÖS HALTE!
DIALOG ist das Zauberwort und den anderen auch mal sein Recht zu geben und nicht stur an einer falschen Auslegung und Übersetzung der Bibel festzuhalten....
Wenn das die Christen schaffen würden, würde vieles anders ausschaun und unsägliches Leid verhindern. Da es keine öffentliche Stelle dafür gibt, der Vatikan sich abputzt (obwohl ziemlich weit unten im Lesestoff steht sogar was dabei) wo und wie er nur kann, so soll der Mensch sich selber bilden und unterscheidene Weisheit anwenden.
Wer ohne Sünde ist werfe den ersten Stein, warum sind dann hier so viele Steinewerfer? Weil sie keine Huren sind und bestraft werden können? Steht das Gleichnis nicht für ALLES?
Wie leicht wäre es dann, auch den moslemischen Glauben anzuerkennen und auch die Interpretation neu zu definieren?
ES GIBT NUR EINEN GOTT? Warum können wir Menschen dann nicht nur EINE Seele sein?
Ich meine der Koran, die Thora und die Bibel sind alle gleich wertvoll und zollen alle dem selben Gott Respekt. Das ist meine Meinung...
Es gibt auch genug Literatur zur Information und wir alle können lesen. Warum dann diese Ignoranz und dieses Egoverhaftet sein, die Wahrheit zu kennen. Soviel ich weiß, ist dieseer Hochmut für Christen sogar eine Todsünde, oder schon vergessen?
DIE JUDEN UND DER TOD JESU
Jüdische Überlegungen zur Passionsgeschichte von Pinchas Lapide
"Welchen Eindruck, glaubst du, wird die Erzählung auf das Gemüt des Kindes machen, wenn du ihm von den Drangsalen, die Jesus in seinem Leben tragen mußte, berichtest, von dem Verrat, den einer seiner Gefährten an ihm beging, wie die anderen ihn verleugneten, sowie von den Beschimpfungen und Beleidigungen der anderen Juden, die ihn schließlich ans Kreuz schlugen - wie man es oft auf den Bildern sieht - und die wollten, daß sein Blut über sie und ihre Kinder käme, während er für sie betet, daß das nicht geschehen möge und daß Der Himmlische Vater ihnen diese Sünde vergebe ...
Wenn du ihm berichtest, daß zur gleichen Zeit ein schändlicher Räuber lebte, der zum Tode verurteilt war: daß das Volk dessen Freilassung verlangte und es ihm zujubelte ... während es schrie: 'Ans Kreuz mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!' Sicherlich wird es fest entschlossen sein, wenn es einmal groß geworden ist, alle jene Gottlosen in Stücke zu reißen, die sich gegen die Liebe Jesu gewendet haben."
Mit diesen Worten beschreibt Soeren Kierkegaard in seinem Buch "Schule des Christentums" die blutige Wirkungsgeschichte unzähliger Osterpredigten, die die Passionsgeschichte in eine Passion der Juden verwandelte, Karfreitag jahrhundertelang zum Pogromtag, und das Heil der Christen zum Unheil für Jesu leibliche Brüder werden ließ.
Wer die Evangelien mit kritisch-nüchternen Augen zu lesen gewillt ist, weiß, daß es in ihnen keineswegs um objektive Berichterstattung geht, sondern um theologische Glaubensaussagen, die unumgänglich vom Zeitgeist ihrer Verfassungsjahre geprägt worden sind.
Sie wurden - wie bekannt - 40 bis 60 Jahre nach der Kreuzigung endredigiert, als Jerusalem zerstört lag und das Judenvolk besiegt, zerstreut und als ewiger Rebell im ganzen römischen Kaiserreich verpönt war, so daß sowohl das Judesein Jesu als auch sein schändlicher Zelotentod von Römerhand ein fast unüberwindliches Doppelhindernis für die damals beginnende Heidenmission darstellen mußte. Es war daher eine Lebensfrage für die Evangelisten, mit allen Mitteln der Stilistik die Römerschuld an Golgatha auf ein Minimum zu reduzieren, um die Schuld "der Juden" am Tode ihres Landsmannes so weit wie möglich aufzubauschen. Nur so konnten sie hoffen, die neronischen und spätere Verfolgungen gegen die Frühkirche zu mildern und die römischen Behörden zur Duldung der neuen Religion zu bewegen.
Wer diese subtile Kunst der redaktionellen Schuldverschiebung bezweifelt, möge die vier verschiedenen Schilderungen des Prozesses Jesu miteinander vergleichen, um sich selbst zu vergewissern, wie die Evangelien schrittweise - von Markus über Matthäus bis zu Johannes - den römischen Landpfleger immer sympathischer und "die Juden" immer feindseliger darstellen. Eine Schuldverschiebung, die letzten Endes in zwei Höhepunkten gipfelt: die Heiligsprechung des Pilatus in der Äthiopischen Staatskirche und die prozeßlose, kollektive Verdammung aller Juden als "Gottesmörder".
Im folgenden sollen einige Vorschläge innerhalb des Kirchenkanons zur "Entschärfung" der Passionsberichte gemacht werden, um Jesusliebe von (zumindest potentiellem) Judenhaß in der Lesung, Predigt und im Unterricht zu erläutern:
1. Das historische Tatsachengerüst, das sich aus den vier Evangelienberichten abzeichnet, besagt: Die Verhaftung Jesu wurde von römischen Truppen befehligt (Mk 14,43); es war römisches Recht - Lex Julia Majestatis - das bei Jesus angewandt wurde; nur der römische Landpfleger besaß die Kompetenz, ihn zum Tode zu verurteilen, was er tat, obwohl er wußte, daß Jesus unschuldig sei (Lk 23,4 et par); die sadistisch-brutale Art der Hinrichtung war römisch und dem jüdischen Strafrecht unbekannt; genau wie es römische Soldaten waren, die Jesu blutenden Körper auspeitschten, ihn - und mit ihm sein ganzes Volk - als angespieenen, gedemütigten und dorngekrönten "Judenkönig" verhöhnten, um dann seine Glieder an ein römisches Kreuz zu nageln.
Aber Juden waren es, die "als große Masse Volkes folgte" (Lk 23,27), als ihr Landsmann den Hügel Golgatha erstieg; Jüdinnen versuchten seine Qual mit einem Betäubungstrank zu lindern (Mk 15,23); jüdisch waren ebenso die Frauen, "die ihn beweinten und beklagten" (Lk 23,27), wie auch die Volksmassen, die sich trauernd "an die Brust schlugen" (Lk 23,48), und zwei jüdische Schicksalsgefährten teilten sein Los, als er verschied. Ebenso waren es Juden, die den toten Jesus liebevoll vom Kreuz herabnehmen, um ihm ein würdiges jüdisches Begräbnis zuteil werden zu lassen (Lk 23,50 ff.).
Schließlich waren es Juden - und keine anderen - die als erste seine Frohbotschaft predigten; den Juden er-schien er als Auferstandener, und lediglich Juden waren es, die die ersten Kirchen gründeten.
Ob vor dem römischen Prozeß ein jüdisches Vorverhör stattfand, ob Jesus vor den Hohepriestern erscheinen mußte, ob die Pharisäer überhaupt zu seinen Gegnern zählten oder ob es lediglich einige der Sadduzäer waren, die ihn bei Pilatus anklagten - all dies mag um-stritten sein. Was jedoch über jeden Zweifel erhaben bleibt, ist, daß es nur ein Teil der jüdischen Obrigkeit war: "Eure Führer, die aus Unwissenheit handelten", wie Petrus besagt (Apg 3,17); "Ihr Reichen", wie sie der Jakobusbrief nennt (5,6); "die Herrscher dieser Welt" (1.Kor 2,8), wie Paulus sie anprangert (was eher nach römischer Obrigkeit klingt!), die am Justizmord Jesu als Denunzianten beteiligt waren - gegen den Willen des Volkes, ohne sein Zutun und aus Furcht vor den jüdischen Volksmengen, die ihm fast ausnahmslos Wohlwollen und Zuneigung bekundeten.
2. Wie gesagt, alle neutestamentlichen Autoren sind sich über die Hauptschuldigen am Tode Jesu einig: "Ihr Reichen habt den Gerechten verurteilt und er-mordet", so lautet die Anklage im Jakobusbrief (5,6); "Über uns bringen wollt ihr das Blut dieses Menschen", so tönt das genaue Echo aus dem Munde des Hohepriesters in der Apostelgeschichte (5,28); und daß im Kreise der sadduzäischen Priesterfamilie befürchtet worden sei, wenn man die messianische Bewegung um Jesu weiterwachsen lasse, "so wer-den die Römer kommen und uns den Ort (den Tempel) und das Volk wegnehmen", berichtet Johannes (11,48), welcher auch das entscheidende letzte Wort im Prozeß vor Pilatus "den Hohepriestern" gibt: "Wir haben keinen König außer dem Kaiser" (19,15).
So wird einhellig berichtet, und so ist es auch - unabhängig vom Inspirationsglauben - historisch einleuchtend: Wie spät im 7. Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts die kollaborationistische Sadduzäeraristokratie von der national-religiösen Revolution gegen Rom hinweggefegt worden ist, so mußte sie solches bereits ein Menschenalter zuvor befürchten und sich im elementarsten Selbsterhaltungsinteresse schon gegen die möglichen Anfänge solcher messianischen Revolution wehren. Was immer dieser Jesus selbst wollen mochte, allein die um ihn aufflammen-de Bewegung genügte bereits zur äußersten Alarmierung der auf Pulverfässern sitzenden "Quislinge" der Oberschicht in Jerusalem.
3. Wenn Paulus die "Obersten dieser Welt" als die Henker Jesu bezeichnet, so hat er darunter ebensowenig wie die Apokalypse unter dem "Würger des Lammes" das jüdische Volk gemeint. Wer ist denn dieser Würger der Apokalypse, dieser ingrimmige Verfolger Jesu, der vom Blute der Heiligen trieft (Apk 17,14)? Es ist "die große Hure Babylon, die Mutter der Buhlerei und aller Greuel auf Erden; das Weib, das auf den sieben Bergen sitzt, trunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu". Mit an-deren Worten: das weltversündigende Rom (Apk 17,5-9) die Verkörperung des Antimessias in den Augen des. Apokalyptikers wie in jenen aller anderen Juden jener blutdurchwirkten Zeitenwende.
4. Dem lukanischen Bericht (Lk 23) sollte soweit wie möglich der Vorzug gegeben werden, da er sich mit größter Wahrscheinlichkeit auf die ältesten Berichte stützt (Lk 1,1), und
- am deutlichsten das Mitgefühl der jüdischen Volksmenge zum Ausdruck bringt (Lk 23,27.35a.48f.);
- als Gegner Jesu "die Oberen" (23,35b), "die (römischen) Soldaten" (23,36) und nur einen der zwei Verbrecher (23,39) bezeichnet, ohne solche Gegnerschaft auf "die Juden" zu pauschalisieren;
- den jüdischen Spott (Mk 15,35f., Mt 27,34 und 27,47f.) der auf Ps 69,22 beruht, reduziert, wo-gegen nach Lk 23,36 die römischen Soldaten - nicht ein Jude - Jesus höhnisch mit Essig tränken;
- auf das Sondergut des Matthäus: das rein alttestamentliche Händewaschen des Pilatus in Unschuld (Mt 27,24) und die sogenannte Selbstverfluchung des "ganzen Volkes", verzichtet.
5. Mit Nachdruck sollte Lukas 23,34 zu Wort kommen: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" - ein Jesuswort, das die Entlastung aller Mitschuldigen am Kreuzestod zum Testament des Nazareners macht.
6. Was die Mitschuld einiger Juden betrifft, sollte das Motiv der Unwissenheit Betonung finden, die sowohl Petrus als auch Paulus ihren Volksgenossen bescheinigen:
"Aber ich weiß, Brüder, daß ihr in Unwissenheit gehandelt habt, so wie auch eure Oberen" (Apg 3,17). "Wenn sie erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt" (1.Kor 2,8).
7. Nicht weniger hervorgehoben werden sollte die Freiwilligkeit des Opferganges Jesu, dessen Leben niemand auf Erden nahm, da er es selbst dahingab: "Deshalb liebt mich Der Vater, weil ich mein Leben hingebe ... niemand nimmt es mir, sondern ich gebe es freiwillig hin. Ich habe die Vollmacht, es hin-zugeben, und ich habe die Vollmacht, es wieder zu nehmen" (Jo 10,17-18).
8. Gott Allein und nur ER ist Der im Kreuzesgeschehen Handelnde: "Gott ... Der des eigenen Sohnes nicht geschonet, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat..." (Röm 8,32), wobei das, was Gott tut und was Judas macht, mit ein und derselben Vokabel beschrieben wird: übergeben. Wer da noch Sündenböcke zu suchen imstande ist, der stellt Gottes Heilsvorhaben in einer Weise in Frage, die im Grunde an Blasphemie grenzt.
9. Wenn das Kreuz als Liebestat Gottes verstanden wird (Phil 2,6-8, Gal 1,4.2,20), als Akt des Gehorsams Jesu (Phil 2,8, Röm 5,19), wenn er "für unsere Sünden" starb (1.Kor 15,3, Gal 1,4), "für alle" (Röm 8,32), wenn sein stellvertretender Tod (2.Kor 5,15f.) ein freiwilliger Opfertod war (1.Kor 5,7, Eph 5,2), wenn Christus das erleiden mußte (Lk 24,26), dann konnte es ohne Golgatha keine Auferstehung geben, ohne Jesu Kreuzestod kein Heil für die Kirche, ohne seine Hinrichtung keinerlei Versöhnung oder Erlösung.
Wenn also sein Tod heilsnotwendig war, sollte man aus dem Teufelskreis des Schuldsuchens endlich aus-brechen, um alle, die irgendeine Rolle im Drama der Passion zu spielen hatten, als gottgewollte Werk-zeuge der Vorsehung zu erachten.
10. Im Trienter Katechismus, der 1570 von Papst Pius V. promulgiert wurde, heißt es:
"Unser Glaube lehrt uns: Als auf Befehl des Caesars Tiberius Pontius Pilatus in Judäa herrschte, ward Christus der Herr ans Kreuz genagelt ... An dieser Schuld müssen wir all jene beteiligt erachten, die wiederholt der Sünde verfallen; denn um unserer Sünden willen erlitt Christus den Kreuzestod und jene, welche in Sünden und Laster schwelgen, 'kreuzigen Gottes Sohn von neuem und spotten seiner' (Heb 6,6), und unsere Schuld hieran ist. wahrhaftig tiefer als die der Juden gewesen, indem es so ist, wie der Apostel sagt: 'Wenn sie es gewußt hätten, sie würden den Herrn der Herrlichkeit niemals gekreuzigt haben' (1.Kor 2,8).
Wogegen wir, die wir bekunden, ihn erkannt zu haben und ihn dennoch durch unsere Werke verraten - wir legen Hand an ihn und fügen ihm Leid zu."
Die katholische Kirche hatte also vor vier Jahrhunderten den Mut, öffentlich zu erklären, daß letztlich Pilatus die Verantwortung für Jesu Justizmord trägt; daß zwar die ganze Menschheit durch ihre Sünden Jesu Opfertod verursacht hatte, daß jedoch der Schuldanteil der Christen "tiefer" sei als der der Juden und daß sündige Christen - was sicherlich die Feinde und Verleumder ihrer jüdischen Mitmenschen einschließt - Jesus erneut und wiederholt ans Kreuz schlagen.
11. Das ist im Grunde auch das Leitmotiv des Kirchenliedes Paul Gerhardts "Oh, Haupt voll Blut und Wunden", wo es heißt:
"Nun, was du, Herr, erduldet,
ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet,
was du getragen hast."
Diese wahrlich christliche Aussage entspricht auch dem Bericht, daß "der Menschensohn in die Hände der Menschen ausgeliefert wurde" (Mk 9,31), der der Passion exemplarische und universale Dimensionen verleiht.
"So sind wir!", muß da jeder ehrliche Christ sagen, nicht: "So sind sie - die Juden!"
Die letztere Stellungnahme käme im Grunde der scheinheiligen Heuchelei des sprichwörtlichen "Pharisäers" gleich, der Gott dankt, "daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen" (Lk 18,11).
12. Zu Matthäus 27,25: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Diese Worte bedeuten im semitischen Ursinn: Wir tragen die Verantwortung. Sie beinhalten nicht die Übernahme einer Schuld, schon gar nicht die Selbstverfluchung von 3000 Juden, die maximal auf dem Vorhof vor dem Richtstuhl des Pilatus Platz gefunden hätten. Schon das Weihegebet zum Herzen Jesu von Pius XI. enthielt die Bitte für die Juden: "Das Blut, das einst auf sie herabgerufen wurde, möge jetzt als Quell der Erlösung und des Lebens auch sie überströmen." - Wobei der Papst sich auf das Matthäus-Evangelium beruft, das um die Deutung vom Blut Jesu als Segen weiß.
Denn von seinem Blut heißt es ja bei der Einsetzung des Abendmahles: "Das ist mein Blut des Bundes, das für die vielen vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 26,28).
Dazu schreibt Karl Hermann Schelkle:
"Das mag ein Interpretament des Matthäus sein. Aber es ist ein sehr altes und durchaus sachgemäßes Interpretament ... das Blut Christi ist nicht Unheil, sondern Gnade und Segen."
Denn während das Blut Abels von der Erde um Vergeltung schreit (Gen 4,10), reinigt das Blut Jesu nach dem Glauben seiner Gemeinde von allen Sünden und "ruft Vergebung herab" (clamat veniam), wie Thomas von Aquin in seinem Kommentar zu Hebräer 12,24 schreibt.
13. Wenn Jesus "für uns alle" gestorben ist (Röm 8,32), wenn "durch sein Blut am Kreuz ... alles auf Erden mit Gott versöhnt wurde", wie Kol 1,20 betont, wie kann man dann seinen Opfertod zum Kirchenmonopol einengen? Ist er denn für alle gestorben, außer seinem geliebten Volk Israel, dem all sein irdisches Leben und Streben galt?
Wie konnte dieser Jesus, dessen Liebe für ganz Israel samt seinen Sündern, Abtrünnigen und Verlorenen Schafen so beredt aus all seinen Worten und Taten spricht, der Heidenwelt die Erlösung bringen - nur um sein eigenes Fleisch und Blut angeblich mit Verworfenheit zu bestrafen?
Wann und wo hat er das je gesagt? Und wenn nicht er - wer maßt sich dann die Vollmacht an zu hassen, wo er liebte; zu strafen, wo er vergab; zu verwerfen, wo er nur zu heilen und zu segnen kam?
Und wenn er für uns alle gestorben ist, ist er dann nicht auch für uns alle auferstanden? Am Tempel-platz in Jerusalem verkündet Petrus seinen Volksgenossen: "Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht auferweckt und gesandt, um euch zu segnen ..." (Apg 3,26).
Also kam der Auferstandene zurück auf Erden vor-erst, um sein Judenvolk zu segnen. Sollten daraus nicht all diejenigen, die sich in der Nachfolge Christi wissen, die unvermeidlichen Konsequenzen ziehen?
Sie sagen: Die Juden sind an allem schuld.
Sie sagen: Die Studenten sind an allem schuld.
Sie sagen: Die Kommunisten sind an allem schuld.
Sie sagen: Die Regierung ist an allem schuld.
Sie sagen: Die Gewerkschaften sind an allem schuld.
Die anderen sind an allem schuld.
Nur ich bin an nichts schuld.
Und wir bilden uns ein,
wir Christen hätten den Juden etwas voraus
an Erkenntnis und Liebe zu Gott.
Wir klagen uns an,
daß wir vorschnell über das Volk urteilen,
dem du entstammst.
Wir maßen uns an,
wir hätten eine Vorrangstellung bei dir
und den besseren Glauben.
Hört den Trost der Heiligen Schrift:
Gott hat alle beschlossen unter dem Unglauben,
auf daß er sich aller erbarme.
O welch eine Tiefe des Reichtums,
beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!
Von ihm und durch ihn und zu ihm
sind alle Dinge.
I. Wer ist Christus?
Christus "überholt" den Bund Gottes mit uns: Er repariert ihn, erneuert, setzt in Kraft, nicht außer Kraft. Ein für allemal. Christi letztes Erscheinen geschieht nur noch zum endgültigen Heil für alle Wartenden. - Mit und durch Christi freiwilligen Opfertod ist der ritualisierte Wiederholungszwang zu endlosen Sühn-opfern beendet. Der Stein des Sisyphos ruht für immer, Sisyphos darf und muß aufhören. Der Weg zu Gott ist frei, alle möglichen Versuche, ihn selbst zu öffnen, sind beendet. Nichts geht mehr, nichts fehlt mehr. Seit Christus ist kein Opfertod mehr denkbar, der Gott gefällig wäre und als Himmelsschlüssel dienen könnte. Es wird zwar noch viele Opfertode bei den Menschen geben, freiwillige Selbstopfer und unfreiwillige Fremdopfer: Aber beide beruhen nicht auf Gottes Forderung, sondern zeigen nur den bösartigen Weltcharakter; erstere können Christusgestalt haben, letztere nie.
Christus, zum Heil erschienen, wird wieder zum Heil erscheinen. Kein anderes Heil und von niemandem anderen haben wir zu erwarten. An Christus scheiden sich die Geister, an ihm führt kein Weg vorbei. Das bekennen wir. Zugleich müssen wir er-kennen, daß unsere Vorstellungen vom Heil noch lange nicht die Christi sind. Wir werden empfangen, was Christus bringt, oder wir werden leer ausgehen. Unsere Rezepte löst er bestimmt nicht ein.
II. Wer sind wir im Verhältnis zu den Juden?
Zum Karfreitag gehören die Juden. (Mehrere herangezogene Predigthilfen verschwenden an diesen Tatbestand kein einziges Wort!) Damals: die Juden als Freunde oder Feinde Jesu. Heute: die Juden, die uns beschäftigen als Tote oder Lebende. Freundschaft oder Feindschaft gegenüber Jesus entscheidet sich nie an der Volkszugehörigkeit, sondern an der Einstellung eines Menschen zu Jesus. Um so bedrückender, daß in der christlich bestimmten Weltgeschichte vornehmlich Juden massenweise geopfert wurden: als "Christusmörder" oder "Feinde des Menschengeschlechts". Mörderische Verblendung von Christen schuf einen tiefen Graben zwischen Christus und den Juden, angefüllt mit jüdischem Blut.
Wer sind wir aber eigentlich im Verhältnis zu den Juden, durch Christus? Christus als Heilsbringer definiert einen jeden Menschen ihm gegenüber als Heilsbedürftigen - ohne Ausnahme, ohne Ausschließung. Heil ist Heil für alle, die auf Gottes einst gegebene, oft bestätigte, noch andauernde Bundesverheißung trauen. Gegenüber Christus gilt nicht Jude oder Heide oder sonstwer, sondern nur: Warten oder Nichtwarten. Allen im Wartestand gilt die Verheißung.
Der Wartestand, die Art zu warten ist nicht von uns Christen, sondern nur von Christus her zu bestimmen: Auch die, denen der Name Christus (aus sehr verständlichen Gründen!) nicht über die Lippen kommt, können auf eine christusgemäße Art warten (vgl. Mt 7,21). Allerdings - doch das trifft Juden und Christen - ist während des Wartens jeder Versuch untauglich, ungläubig, durch verdienstliche Werke, durch beachtenswerte Opfer sich zu Gott emporzuschaffen. Das wandernde Gottesvolk hat sein Heil längst im Rücken und darum sicher vor sich. Zum Gottesvolk gehört jeder, der von Gott alles Heil erwartet (nicht aber: von den Christen und auf ihre Weise!). Wer so auf das Heil wartet, tritt darum allem Unheil entgegen, das der Mensch dem Menschen antut. Gott tritt in Erscheinung, wo der Mensch dem Menschen herzlich gut ist.
Lieber Herr,
dein Wort hat uns zur Besinnung gebracht,
besonders gegenüber den Juden.
Deine Gnade reicht weit,
dein Heil gilt allen,
die sehnsüchtig auf dich warten,
gilt Juden, Christen, allen Menschen. -
Wir leben wie solche,
die unterwegs sind
und noch nicht am Ziel;
der Unglauben will uns fassen
und die Einbildung,
du bevorzugst uns Christen.
So leben wir am Heil vorbei,
bedürfen deiner Gnade.
Lieber Herr,
laß uns endlich in Brüderlichkeit leben mit allen,
die dein Kommen erwarten,
laß uns gemeinsam warten,
daß du kommst und wir erleben:
Du bist unser aller Vater.
Amen.