Pan_narrans schrieb:Sich für traditionel protestantische Gegenden alleine auf den Anteil an Katholiken zu beziehen, ist schon leicht manipulativ, meinst Du nicht?
Meine ich nicht, nein. Die Statistik ist verlinkt, jeder kann die Zahlen nachlesen und die Statistik selbst interpretieren. Und selbst mit den Protestanten im Boot erreichen die Katholiken keine Mehrheit, nicht annäherend. Es bleibt also dabei: Die Aussage, es sei
"nahezu unmöglich, seine Kinder von religiösem Denken fernzuhalten", ist grober Unfug bzw. in den Neuen Bundesländern fernab jeglicher Lebenswirklichkeit.
Oceansize schrieb:Die von dir genannten Zahlen zur Religionszugehörigkeit in Berlin und Norddeutschland überraschen mich, da ich sie nicht als so niedrig eingeschätzt hätte!
Ja, mich hatten sie neulich auch ein wenig überrascht, wobei ich aber auch zugegeben muss, dass mich das nie so wirklich interessiert hat. Man bekommt die Verhältnisse eigentlich auch so im Alltag schon genug mit, d.h. dass der Anteil an (frommen) Christen ziemlich gering zu sein scheint, wenn bspw. innerhalb eines größeren Freundes- oder Kollegenkreis höchstens mal nach längerer Zeit rauskommt, dass da tatsächlich einer dabei ist, der regelmäßig sonntags zum Gottesdienst geht. Bei der etwas älteren Generation (60+) im Verwandtenkreis (Tante, Oma, whatever...) sieht's wieder etwas anders aus, einige sind wohl sogar getauft (müsste ich aber erst nachfragen, hat mich nie sonderlich interessiert). Hm... eigentlich würde mich an dieser Stelle hier mal die Altersverteilung interessieren... Wenn sich bspw. die 4% Katholiken auch noch übermäßig stark auf die oberen Altersgruppen verteilen, dauert's nicht mehr lang, bis sie hier vollends zur Rarität werden...
Oceansize schrieb:Für Baden-Würrtemberg und Bayern sieht die Wirklichkeit aber leider ganz anders aus, und das ist eben die Lebenswirklichkeit, die ich hier tagtäglich erlebe. Und gerade weil die Zahlen für die Zugehörigkeit zur christlichen Kirche im Norden so niedrig sind, müsste es die Menschen doch umso mehr aufregen, dass das Christentum in Deutschland von staatlicher Seite in solch einem großen Umfang subventioniert wird!
Die Wirklichkeit ist eben zu einem großen Teil subjektiv. Es hat
unzählige Jahre gedauert, bis ich eines Tages endlich verstand, warum sich manche Atheisten, mit denen ich diskutierte, so renitent gegen alles, was irgendwie nach Religion riecht, zur Wehr setzten und diverse mir völlig unverständliche Standpunkte vertraten. Der Klassiker ist ja die "religiöse Indoktrination", die du ebenfalls ins Spiel brachtest:
Oceansize schrieb:...zumal die beiden großen Kirchen des Landes sehr darauf bedacht sind, unsere "Kleinsten" von Geburt an zu indoktrinieren...
Ein Berliner versteht das nicht oder bestenfalls kaum. Sicherlich gibt es hier irgendwo christliche Kindergärten und auch Schulen, sind aber eher rar. Der Religionsunterricht in Berlin (und sicherlich auch in einigen anderen Bundesländern) ist völlig freiwillig.
Und was die Subventionen angeht... Der Staat subventioniert ja nicht nur religiöse Institutionen und Einrichtungen, sondern auch wirtschaftliche, wissenschaftliche oder kulturelle. Hier ruft niemand nach einer Trennung von Staat & Wirtschaft, Staat & Wissenschaft oder Staat & Kultur - warum auch? Und mich interessiert's im Detail zwar auch nicht, weil ich die Problematik der Geldflüsse in Richtung Steueroasen, Banken & Konzerne für weitaus brisanter halte, aber soweit ich weiß, werden kirchliche Einrichtungen ganz oder zumindest zu einem großen Teil eh aus der Kirchensteuer finanziert.
Oceansize schrieb:Wenn es in Deutschland die Religionsfreiheit gibt, dann impliziert dieser Gedanke auch die Möglichkeit einer Freiheit von Religion. Dies ist durch die nicht vorhandene Trennung von Staat und Kirche jedoch nicht gegeben, und das ist nun einmal leider ein Fakt.
Weil, und auch das ist Fakt, sich verschiedene Lebenswirklichkeiten auf gleichem geographischen Raum nun einmal nicht entzerren lassen. Hinter jeder sozialen Gruppierung stehen Organisationen und letztendlich häufig auch Interessenverbände, die wiederum nun einmal auch ein wohlberechtigtes Recht an der Mitgestaltung der Gesellschaft haben, so sie nämlich Teil jener Gesellschaft sind. Natürlich sollten Machtverhältnisse letztendlich aber auch die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln, klar.
Oceansize schrieb:In diesem Punkt würde ich doch entschieden widersprechen. Man muss erst einmal die Kunst hinbekommen, Tag und Nacht vor den Himmelskörpern zu erschaffen =). Die Schöpfungsgeschichte der Bibel ist aus wissenschaftlicher Sicht bestenfalls reinster Slapstick.
Was man den Menschen im Altertum aber auch nicht allzu übel nehmen darf. Deren damaliger Wissensstand ist nicht einmal annähernd mit dem vergleichbar, was man heutzutage in der Grundschule oder spätestens auf der Sekundarschule lernt. Man konnte zwar viele Fragen formulieren, aber Antworten waren rar oder gänzlich nicht zu erwarten. Wie alt etwa die Welt ist, was überhaupt alles dazu gehört uvm. - darüber konnte man nur spekulieren. Aber man konnte wenigstens versuchen, sich irgendwie halbwegs sinnvolle Vorstellungen zu machen. Existiert die Welt schon seit Ewigkeiten? Und falls nicht, ist sie dann *schwupps* quasi komplett fertig aus dem "Nichts" aufgetaucht? Diese und anderen Frage vor dem Hintergrund des Wissenstandes etwa eines Grundschülers zu beantworten,
das ist ein Kunststück. Ich bin darin kein Experte, aber es gab natürlich noch unzählige andere Schöpfungsmythen in anderen Kulturen, auf die Schnelle findet man hier bspw. was:
http://www.galerie-elender.de/Mythen.htmUnd ein Schöpfungsmythos verrückter als der andere. Die "Genesis" kommt hier wahrlich noch am überzeugendsten bei weg und beschreibt dazu auch noch am ehesten den tatsächlichen Ablauf, wenn auch in einer sehr bildhaften und primitiven Sprache und natürlich alles andere als naturwissenschaftlich und exakt. Mehr war vor Jahrtausenden einfach nicht drin.
Oceansize schrieb:Sehr gut, dann können wir ja darin übereinstimmen, dass die religiösen Erklärungsversuche mit unserer modernen Welt nicht in Einklang zu bringen sind und daher ausgedient haben.
Jein. Altertümliche Vorstellungen (oder ganz allgemein
metaphysische Vorstellungen) können von Natur aus bestenfalls nur äußerst vage sein. Selbst die Vorstellungen der Atomisten über das sog. "Atom" waren äußerst vage - bis zu konkreten Modellen oder gar Theorien kann es auch ein verdammt weiter weg sein, wie die Geschichte der Atomistik lehrt (und noch Anfang des letzten Jahrhunderts war die Existenz von "Atomen" umstritten...!). Religiöse Vorstellungen und Erklärungen sind durchaus mit den modernen Naturwissenschaften in Einklang zu bringen, nur müssen sie sich dabei auch
weiterentwickeln, was ganz konkret dann zum Beispiel bedeuten kann, dass man sich von so manchem Aberglauben radikal trennen muss (Kreationisten tun sich hier ja bspw. besonders schwer...). Versuche gab es in der Geschichte auch durchaus (Deismus, Pantheismus...), sind bisher nur leider stets am Widerstand der Deutungshoheit und des Meinungsmonopols der Kirche gescheitert, wie es scheint...