Leben als Gottesbeweis?
11.11.2018 um 14:56In Diskussionen zur Existenz eines Gottes wird die Existenz des Lebens gern und oft als beweiskräftiges Argument dafür herangezogen, dass es einen Gott geben muss. Dabei werden u.a. folgende Argumente vorgebracht:
1. Komplexitätsargument: Leben ist bereits in seinen primitivsten Erscheinungsformen so komplex beschaffen, dass es nicht von selbst entstehen kann, sondern eines Erschaffers bedarf.
2. Funktionalitätsargument: Leben ist hinsichtlich seiner Bestandteile funktional so aufeinander abgestimmt, dass diese Funktionalität nicht von selbst entstanden sein kann (bekannt auch als Argument der nichtreduzierbaren Komplexität oder als Paleys Uhrenargument). Also muss es einen Schöpfer gegeben haben, der die einzelnen Teile zu einem funktionierenden Ganzen zusammengefügt hat.
3. Informationsargument: Leben beruht auf genetischer Information. Diese Information ist in der DNA enthalten. Information entsteht nicht von selbst, sondern bedarf eines Erschaffers, der die Information erzeugt und in die DNA einbringt.
4. Naturgesetzargument: Leben setzt sich aus Makromolekülen zusammen. Makromoleküle können sich nicht von selbst aus einfacheren Bestandteilen zusammenlagern, da die Umgebungsbedingungen dies aus physikalischen und chemischen Gründen verhindern. Die Naturgesetze wirken dem Entstehen von Makromolekülen entgegen. Also muss ein Schöpfer nachgeholfen haben.
5. Entropieargument: Leben verstößt gegen den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, weil es Ordnung aufbaut und erhält, statt in Unordnung zu zerfallen. Also muss ein Schöpfer nachgeholfen haben, damit Leben entstehen konnte.
Ich denke, die Auswahl ist repräsentativ genug, um zu erkennen, auf welche Weise die Existenz des Lebens als Beweisgrund für die Existenz eines Gottes dienen soll. Das Argument geht letztlich auf Paulus zurück, der im Römerbrief folgendes schrieb:
"Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken, sodass sie keine Entschuldigung haben." (Römer 1, 20)
Wie man feststellen kann, ist diese Art von Argumentation immer noch in Mode und es entfalten sich daraus immer wieder neu immer wieder ähnliche Debatten, die immer wieder darauf hinauslaufen, dass diese Argumentation nicht zwingend beweiskräftig ist, sondern lediglich eine Zurschaustellung von Unwissen ist, die den zu beweisenden Gott die Rolle des Lückenbüßers zuweist.
Darüber hinaus sind die vorgebrachten Argumente teilweise falsch (insbesondere 3., 4. und 5.), so dass sie bereits vom Ansatz her verfehlt sind. Aber auch die ersten beiden Argumente - wo es zugegebenermaßen noch große Verständnislücken gibt - drücken lediglich eine gefühlte Unmöglichkeit aus, ohne eine tatsächliche Unmöglichkeit nachzuweisen.
Wenn man also die Existenz des Lebens als Beweisgrund für die Existenz eines Gottes - den man hier als Person begreifen kann, die willentlich in einen natürlichen Entstehungsprozess eingreift, um ein gewolltes Resultat zu erzeugen (z.B. Lebewesen aus zuvor toter Materie) - heranzieht, begibt man sich auf ein Gebiet, wo verschiedene Naturwissenschaften bereits tätig sind.
Das ist dann der Versuch, mit Hilfe naturwissenschaftlicher Erkenntnisse etwas nachzuweisen, was sich den Erkenntnismöglichkeiten der Naturwissenschaften entzieht. Man bemüht also ein Instrument für etwas, was mit den Einsatzmöglichkeiten dieses Instruments nichts zu tun hat, so als wollte man mit einem Teleskop ein Musikstück hören.
Als Naturalist beziehe ich die Position, dass das Leben als natürlicher Prozess zu begreifen ist, der ebenso als natürlicher Prozess entstanden ist, der keiner außernatürlichen Einflussnahme bedurfte.
Im Unterschied zum Thread "Artenvielfalt - Produkt der Evolution oder Schöpfung?" soll es hier nicht um konkrete Evolutionsschritte gehen, die sich so oder so vollzogen haben, sondern um die Interpretation der Entstehung des Lebens als Argument für die Notwendigkeit der Existenz eines Gottes. Hier dürfen sich also alle diejenigen nach Herzenslust austoben, die diese Interpretation für stichhaltig ansehen wie auch diejenigen, die dem widersprechen.
Einige Argumente, warum mir diese Interpretation nicht stichhaltig zu sein scheint, hatte ich genannt, aber sie können gern bezweifelt oder vertieft werden. Mir ist klar, dass das Thema weltanschaulich kontrovers ist und für manche emotional aufgeladen. Dennoch bitte ich alle Mitdiskutanten darum, die Ruhe zu bewahren und sachlich und höflich miteinander umzugehen, ohne wechselseitig in Polemik zu verfallen.
Ich wünsche uns allen eine lebhafte Diskussion, die neben dem Aufzeigen von Kontroversen hoffentlich auch das eine oder andere Aha-Erlebnis bietet.
1. Komplexitätsargument: Leben ist bereits in seinen primitivsten Erscheinungsformen so komplex beschaffen, dass es nicht von selbst entstehen kann, sondern eines Erschaffers bedarf.
2. Funktionalitätsargument: Leben ist hinsichtlich seiner Bestandteile funktional so aufeinander abgestimmt, dass diese Funktionalität nicht von selbst entstanden sein kann (bekannt auch als Argument der nichtreduzierbaren Komplexität oder als Paleys Uhrenargument). Also muss es einen Schöpfer gegeben haben, der die einzelnen Teile zu einem funktionierenden Ganzen zusammengefügt hat.
3. Informationsargument: Leben beruht auf genetischer Information. Diese Information ist in der DNA enthalten. Information entsteht nicht von selbst, sondern bedarf eines Erschaffers, der die Information erzeugt und in die DNA einbringt.
4. Naturgesetzargument: Leben setzt sich aus Makromolekülen zusammen. Makromoleküle können sich nicht von selbst aus einfacheren Bestandteilen zusammenlagern, da die Umgebungsbedingungen dies aus physikalischen und chemischen Gründen verhindern. Die Naturgesetze wirken dem Entstehen von Makromolekülen entgegen. Also muss ein Schöpfer nachgeholfen haben.
5. Entropieargument: Leben verstößt gegen den Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, weil es Ordnung aufbaut und erhält, statt in Unordnung zu zerfallen. Also muss ein Schöpfer nachgeholfen haben, damit Leben entstehen konnte.
Ich denke, die Auswahl ist repräsentativ genug, um zu erkennen, auf welche Weise die Existenz des Lebens als Beweisgrund für die Existenz eines Gottes dienen soll. Das Argument geht letztlich auf Paulus zurück, der im Römerbrief folgendes schrieb:
"Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken, sodass sie keine Entschuldigung haben." (Römer 1, 20)
Wie man feststellen kann, ist diese Art von Argumentation immer noch in Mode und es entfalten sich daraus immer wieder neu immer wieder ähnliche Debatten, die immer wieder darauf hinauslaufen, dass diese Argumentation nicht zwingend beweiskräftig ist, sondern lediglich eine Zurschaustellung von Unwissen ist, die den zu beweisenden Gott die Rolle des Lückenbüßers zuweist.
Darüber hinaus sind die vorgebrachten Argumente teilweise falsch (insbesondere 3., 4. und 5.), so dass sie bereits vom Ansatz her verfehlt sind. Aber auch die ersten beiden Argumente - wo es zugegebenermaßen noch große Verständnislücken gibt - drücken lediglich eine gefühlte Unmöglichkeit aus, ohne eine tatsächliche Unmöglichkeit nachzuweisen.
Wenn man also die Existenz des Lebens als Beweisgrund für die Existenz eines Gottes - den man hier als Person begreifen kann, die willentlich in einen natürlichen Entstehungsprozess eingreift, um ein gewolltes Resultat zu erzeugen (z.B. Lebewesen aus zuvor toter Materie) - heranzieht, begibt man sich auf ein Gebiet, wo verschiedene Naturwissenschaften bereits tätig sind.
Das ist dann der Versuch, mit Hilfe naturwissenschaftlicher Erkenntnisse etwas nachzuweisen, was sich den Erkenntnismöglichkeiten der Naturwissenschaften entzieht. Man bemüht also ein Instrument für etwas, was mit den Einsatzmöglichkeiten dieses Instruments nichts zu tun hat, so als wollte man mit einem Teleskop ein Musikstück hören.
Als Naturalist beziehe ich die Position, dass das Leben als natürlicher Prozess zu begreifen ist, der ebenso als natürlicher Prozess entstanden ist, der keiner außernatürlichen Einflussnahme bedurfte.
Im Unterschied zum Thread "Artenvielfalt - Produkt der Evolution oder Schöpfung?" soll es hier nicht um konkrete Evolutionsschritte gehen, die sich so oder so vollzogen haben, sondern um die Interpretation der Entstehung des Lebens als Argument für die Notwendigkeit der Existenz eines Gottes. Hier dürfen sich also alle diejenigen nach Herzenslust austoben, die diese Interpretation für stichhaltig ansehen wie auch diejenigen, die dem widersprechen.
Einige Argumente, warum mir diese Interpretation nicht stichhaltig zu sein scheint, hatte ich genannt, aber sie können gern bezweifelt oder vertieft werden. Mir ist klar, dass das Thema weltanschaulich kontrovers ist und für manche emotional aufgeladen. Dennoch bitte ich alle Mitdiskutanten darum, die Ruhe zu bewahren und sachlich und höflich miteinander umzugehen, ohne wechselseitig in Polemik zu verfallen.
Ich wünsche uns allen eine lebhafte Diskussion, die neben dem Aufzeigen von Kontroversen hoffentlich auch das eine oder andere Aha-Erlebnis bietet.