Glaube verlieren
10.02.2019 um 11:59
Es gibt für mich viele Gründe, die gegen die Religion sprechen und warum ich mich letztendlich gegen den Glauben (für mich war das der Islam) entschieden habe.
Religion ist doch Vieles, ein facettenreiches Konstrukt, wie so viele andere Dinge, die durch Menschenhand geschaffen wurden. Sie veränderten sich über die Zeit, genau wie der Mensch sich und seine Vorstellungen über die Zeit verändert hat.
Dabei sollte doch eine universelle Botschaft losgelöst sein vom Individuum oder vom Menschen. Andernfalls kann es nicht universell sein.
Genau dies ist es, was viele Religionen für sich beanspruchen und mit ihnen die Gläubigen.
Ich persönlich finde die Geschichte des menschlichen Glaubens sehr interessant. Schade, dass sich nur die wenigsten Gläubigen für diese Geschichte begeistern können.
Denn dann würden sie erkennen, wie facettenreich der Mensch mit all seinen Werken sein kann. All die Ausgrabungen und gefundenen Zeitzeugnisse sind natürlich Gift für diese "universellen Wahrheiten". Vielleicht verschliesst man sich deshalb diesen Zeugnissen.
Das was jetzt kommt ist sicherlich für Viele nicht neu, aber ich greife es nochmal auf, um den von mir Eingangs erwähnten Facettenreichtum zu untermauern.
Religion hat über die Zeit immer mehr Rollen eingenommen und über die letzten Jahrhunderte wieder einige dieser Rollen abgegeben.
Im Ursprung scheint die Religion für den Menschen ein Erklärversuch der Welt, die sie nicht versteht, zu sein. Darüberhinaus auch eine Zuflucht vor den Ereignissen, die er nicht selber beeinflussen kann. Später war es ein Instrument der Macht, eine Legitimation von Herrschern. Eigentlich sehr einleuchtend, wie sonst sollte man sich über seine Mitmenschen erheben können zu damaligen Zeiten. Es kommt nicht von ungefähr, dass altertümliche Könige in den Religionen sogar heute noch verehrt werden, David und Salomon kann ich hier als Beispiel nennen. Wobei es bei diesen Figuren nicht klar ist, ob sie wirklich existiert haben.
Vielleicht sind diese Figuren auch nur ein Ausdruck des Wunsches nach einem gerechten Herrscher.
Desweiteren kann man natürlich auch die ägyptischen Könige anführen.
Auch scheinen Herrscher Religionen gestiftet zu haben oder sie haben zumindest den Versuch unternommen oder wollten Veränderungen an diesen herbeiführen und manche sind daran gescheitert, z.B. Echnaton.
Auf der anderen Seite haben Herrscher darüber bestimmt, welchem Glauben man angehört. Das hatte natürlich seine Folgen, die bis in unsere Zeit reichen.
Das Ganze klingt natürlich weniger romantisch. Es wäre nicht schön, wenn die Religion wieder als Machtinstrument eingeführt werden würde, weil der Aspekt der Legitimation einer weltlichen Macht immer noch in den religiösen Texten schlummert.
Es ist auch kein Geheimnis, dass die Ungewissheit, die mit dem Tode verbunden ist, für einen stärkeren Glauben sorgt.
Damit geht auch der Glaube an eine Seele oder an einen allumfassenden Geist einher. An dieser Stelle würde mich interessieren, wie die Gläubigen unter euch zu der Idee einer Seele stehen. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass die religiösen Menschen der Seele eine große Bedeutung beimessen, die nicht nur auf das Jenseits beschränkt ist.
Er scheint für diese Menschen das Wesen eben dieser auch im Diesseits auszumachen. Aber das wiederum steht im Zwist mit einigen neurologischen Erkenntnissen und damit natürlich auch den Erfahrungen der Menschen.
So konnte man bspw. bei Menschen, die sich eine Hirnverletzung zugezogen haben, veränderte Charaktereigenschaften beobachten. Wie kann also die Seele das Wesen eines Menschen ausmachen, wenn sich der Mensch durch einen physischen Eingriff bereits im Diesseits verändern kann? Die Lobotomie und ihre Folgen können hier auch als Beispiel aufgeführt werden.
Insgesamt ist der Islam gespickt mit Verheißungen für das Nachleben. Natürlich ist das nicht nur auf den Islam beschränkt. Nur wurde mir mit der Zeit bewusst, dass man für diese Belohnungen einen physischen Körper braucht und der verrottet bekanntermaßen auf der Erde. Wie soll ich denn z.B. ohne Riechorgan etwas schmecken können? Dabei muss man nicht mal tot sein, um z.B. seinen Geschmackssinn zu verlieren. Also scheint dies nichts mit der "Seele" zu tun zu haben. Wie soll man da all die wundervollen Dinge im Himmel genießen können, wenn doch die Seele nicht riechen und schmecken kann? Wie soll ich mich denn mit den Jungfrauen vergnügen, wenn mein Fortpflanzungstrieb nicht mehr vorhanden ist und mein bestes Stück auf der Erde verrottet? Ohne die ganzen Organe und Körperteile funktioniert das alles doch nicht. Man sieht hier ganz gut, dass das Jenseits nur eine Abstraktion und eine idealisierte Form der Welt ist, die wir kennen.
All diese Gedanken und natürlich noch viele mehr haben dazu geführt, dass ich mich vom Glauben entfernt habe. Mir reichten nicht mehr die übernatürlichen Erklärmuster. Ich entwickelte mich zu einer Person, die rationale Erklärmuster bevorzugte.
Aber ohne den Menschen, der sich von vielen natürlichen Einflüssen unabhängig gemacht hat, wäre ein Unglaube so nicht möglich.
Ich habe nichts gegen gläubige Menschen, ich will nur nicht, dass sie sich oder ihren Glauben anderen Menschen aufzwingen. Vielleicht ist das in diesen Breitengraden nicht so ein großes Thema, aber in sehr vielen Regionen ist das Problem immer noch aktuell.
Der religiöse Fanatismus ist sehr schlimm.
Der Gedanke an den Tod und an die Belohnungen und Bestrafungen im Jenseits haben viele Fanatiker hervorgebracht.
Er führte sogar zu Praktiken, die an Zwangsneurosen erinnern. Das wiederum führt sicherlich zu psychischen Schäden beim Menschen.
Das gilt natürlich nicht für alle Gläubigen.
Der Gedanke, dass der Mensch nicht rein ist und das er immer mehr tun muss, um rein zu sein und um in den Himmel zu gelangen kann eben zu diesen Zwangsneurosen führen.
Schliesslich kann und darf es ja nicht so einfach sein, wenn man sich das ewige Leben verdienen will. Es liegt halt in der Natur der Sache.
Der Gedanke, dass man niemals Gott gerecht werden kann steckt immer noch in vielen religiösen Texten drin und diesen Gedanken finde ich wie gesagt gefährlich und schädlich.
Auch sind sich viele gläubige Menschen nicht der Tatsache bewusst, dass ihre Religion und religiösen Texte beeinflusst wurden durch historische Figuren. Also kann keine Rede von einer unveränderten Religion sein, heute existieren nur noch Interpretationen von verschiedenen Gelehrten und geistigen Führern. Insbesondere die Muslime pochen immer wieder darauf, weil sie sich am wenigsten dieser Tatsache bewusst sind. Aber das hat auch wieder mit dem Wesen der Menschen zu tun. Und mögen sie an noch so übernatürliche Dinge glauben, sie brauchen trotzdem einen weltlichen Beweis. Und der muss in irgendeiner Form physisch sein und muss auf brechen und biegen erbracht werden, denn der eigene Glaube muss wahr sein, es gibt keine Alternative.
Da die Rede vom verlieren des Glaubens war ist mein Text wahrscheinlich negativ ausgefallen, weil ich selber vom Glauben abgefallen bin. Es gibt auch schöne Aspekte an der Religion, die ich nicht bestreiten möchte und es hat sicherlich auch positive Auswirkungen auf die Menschen.
Gründe gibt es sicherlich viele, die für oder gegen die Religionen oder den Glauben sprechen. Ich denke die jeweilige geistige Haltung gegenüber übernatürlichen Erklärmodellen entscheidet darüber, ob man und wie man gläubig ist oder auch nicht.
Die Tendenz geht aber eher in die Richtung, dass man das Übernatürliche immer mehr verdrängt, so sind heutige religiöse Ansichten teilweise weniger abgehoben als noch vor einigen Jahrhunderten.
Man möge noch so sehr darauf pochen, dass die eigene Religion nicht verändert wurde, das stimmt so nicht. Religionen verändern sich mit den Menschen zusammen und das muss nicht negativ sein.