dedux schrieb:Diese Frau hatte eine verzerrte Sicht auf ihre Mitmenschen, man könnte sagen, einen defekten Ich-Filter.
@dedux @allIch möchte das an zwei Begriffen erläutern:
Wahrnehmung - WahrgebungZur Wahrnehmung:
In der Mitte unseres Zwischenhirns sitzt der Thalamus, eine bohnenförmige Struktur. Er ist ein der Großhirnrinde vorgeschalteter Filter. Alle Wahrnehmungseindrücke, d. h. alle eingehenden Informationen, werden im Thalamus vorverarbeitet, bevor sie der Großhirnrinde zugeführt werden. Dabei entscheidet der Thalamus, der auch als "Tor zum Bewusstsein" bezeichnet wird, welche der eingehenden Informationen (Sehen, Hören, Fühlen ...) im Augenblick für den Organismus so wichtig sind, dass sie ins Bewusstsein gelangen sollen.
http://www.gehirnlernen.de/gehirn/das-zwischenhirn-der-thalamus/ (Archiv-Version vom 08.03.2016)Jede Modalität (ob Sehen, Hören, Fühlen) wird dabei in einer bestimmten Region des Thalamus verarbeitet, umgeschaltet und an die Großhirnrinde weitergeleitet. Diese Kerne nennt man spezifische Thalamuskerne. Sie unterhalten starke Faserverbindungen zur Großhirnrinde. Die unspezifischen Thalamuskerne hingegen bekommen Eingänge von anderen Hirnregionen und projizieren nur indirekt und diffus zum Cortex. Über sie erhält der Thalamus Hintergrundinformationen zur Gesamtsituation, wodurch eine Entscheidung möglich wird, welche Informationen an das Großhirn weitergeleitet werden sollen oder nicht.
(Zitat aus dem Link, s. o.)
Die Wahrnehmung hängt infolgedessen ab von der Lebenserfahrung und Einstellung des Wahrnehmenden, je nach Relevanz für sein "Dasein". M. E. eine Erklärung dafür, warum einige Menschen z. B. kaum Notiz von der so genannten Flüchtlingskrise nehmen, während andere tagein tagaus in pro und kontra Debatten verstrickt sind. Was für das fiktive Ich eine überschwellige Bedeutung hat, wird wahrgenommen, alles andere nicht oder nur am Rande bemerkt. Das gilt für gesunde Menschen. Einige Symptome, insbesondere die Denkstörungen Schizophrener, lassen sich psychologisch mit Störungen der Informationsverarbeitung, sog. kognitive Basisstörungen, erklären. Dazu zählt die Schwäche der vorbeschriebenen Filterfunktion für irrelevante Informationen. Der Schizophrene wird von Sinneseindrücken "überflutet"
Zur Wahrgebung:
Wahrgebung geht auf das Entwicklungsmodell des Radikalen Konstruktivismus zurück.
Nach dieser Theorie ist die menschliche Erkenntnisfähigkeit von Grund auf konstruiert, und nur eben diese eine einzige Weltsicht in diesem Moment existent.
Soll heißen…was sind unsere Erlebnisse?
Antwort: Viel mehr das was wir hineinlegen, als das, was darin liegt. Notfalls um den Preis, das Wahrgenommene den Erwartungen anzugleichen, wo immer das möglich ist. Das schemagetriebene Ich agiert so, und der lebensgeschichtliche Sozialisierungsprozess, aber auch bestimmte Einstellungen, Ängste, Phantasien und Wünsche haben dieses interne Selbstmodell geprägt, das sich in wiederkehrenden Routineschleifen immer wieder rekonstruiert. Biologisch liegt jedem Selbstmodell eine eigene, spezifische neuronale Verarbeitungsweise zugrunde.
Fazit: Menschen reagieren nicht auf die Realität, sondern auf
Ihre Abbildung der Realität.
Hier ein guter Überblick:
http://coaching-rempt.jimdo.com/wahrnehmung/In diesem Kontext, was bedeutet Entwicklung?
Personale Bewusstseinsentwicklung beschreibt einen fortschreitenden Prozess der Durchdringung und Dezentrierung festgelegter Wirklichkeitskonstruktionen. Problematisch ist das Anhaften an mentale Vorstellungen, wie im Beispiel von
@dedux die Vorstellung der Frau, alle "Schwarzköpfe" sind für Sie (für ihren Organismus) gefährlich. Diese Annahme ist in der Tat ein dysfunktionaler Zustand reduzierter Bewusstheit, den es - entwicklungsmäßig - zu überwinden gilt. Der hilfsbereite Ausländer hat sie ihre fehlerhafte Realitätsprüfung erkennen lassen. Möglicherweise wird sie zukünfig - mit entsprechend Achtsamkeit - wenigstens nicht mehr verallgemeinern.