Und wieder, einfach nur irgendwas reingeworfen, Null Herleitung.
Bei den Griechen war Kurzhaarigkeit für Männer Standard. Auch unter den Römern wurde Kurzhaarigkeit und ebenso Bartlosigkeit zum Inbegriff von Zivilisiertheit. Genau dies fand man dann praktisch im gesamten Imperium Romanum. Tunikatragende kurzhaarige und bartlose Männer.
Jedenfalls dort, wo man die griechisch-römischen kulturellen Eigenheiten gerne übernahm.
So auch in der Provinz Iudaea.
Naja, nicht ganz. In Palästina gab es Städte, die unter seleukidischer und später römischer Zeit gegründet bzw. ausgebaut wurden, die sich kaum von anderen Städten des hellenistisch-römischen Kulturkreises unterschieden. Die Juden, die hier lebten, waren stark von dieser Kultur geprägt, sprachen griechisch, ja trugen auch griechische (oder gar römische) Namen, oder gräzisierte Namen, zuweilen auch Übersetzungen ihres Namens ins Griechische. Griechisch war hier die Verkehrssprache. In diesen Städten lebten auch sehr viele Griechen, Römer, aber auch sonst Angehörige diverser Völkerschaften aus Ost und West.
Auf der anderen Seite gab es aber auch viele Gegenden, in denen die Juden betont ungriechisch lebten. Hier galt natürlich auch nicht die hellenistische Haarmode.
Was für einer war nun Jesus? Schaut man sich an, in welchen Ortschaften Galiläas Jesus selbst wohnte, später dann als Wanderprediger bereiste und durchzog, so handelt es sich um die jüdisch geprägten Siedlungen Galiläas. Die hellenisierten Städte fehlen. Dies hat die Forschung schon vor langem festgestellt; Jesus entstammt dem traditionalistischen, nichthellenisierten Umfeld, und er agierte auch bewußt in diesem Umfeld.
Das bedeutet, daß Jesus wahrscheinlich keine hellenistische Haartracht-Vorstellung vertrat. Bleibt die Frage, welche Haartracht gabs dann unter den Traditionalisten? Könnt ja auch was Kurzes sein.
Eher nicht.
Original anzeigen (0,3 MB)Dieses Bild stammt aus der Synagoge von Dura Europos, einer Stadt im Osten Syriens, aus dem 3. Jahrhundert. Die Schrift ist auf griechisch, und bildliche Darstellung deutet ebenfalls auf eine jüdische Gemeinde hin, die selbst nicht traditionalistisch war. Dennoch stellt sie hier eine biblische Szene (der Priester ist Aron, wie die griechische Schrift neben ihm zeigt), bei der die Israeliten bärtig und langhaarig waren. Auch hier, ein anderes Bilddetail aus Dura Europos.
Paulus jedenfalls, der hier bereits in Sachen Männerhaartracht zitiert wurde, war selbst ein hellenistisch geprägter Jude aus dem hellenistischen Tarsos in Kleinasien, der vor allem in hellenistisch geprägten Synagogen predigte und gleich gänzlich hellenistische Gemeinden gründete. Für ihn war "griechisch" geradezu ein Synonym für "international", Nichtjuden nannte er einfach Griechen. Daß dieser hellenistisch geprägte Mensch hellenistischen Menschen was von kurzen Männerhaaren schreibt, verwundert mich nun wahrlich nicht. Sagt aber nu mal gar nichts darüber aus, was für ne Frisur Jesus hatte. Dies zu beantworten, dafür muß´man sich schon ein bisserl einarbeiten.