Diktator oder Volksfreund?
09.12.2004 um 21:47Link: 62.5.183.114 (extern) (Archiv-Version vom 08.12.2004)
Nach Lukaschenkos Sieg muss Russland neue Wege in der Außenpolitik finden
Alexander Lukaschenkos Erdrutschsieg beim kürzlich abgehaltenen Referendum, dass dem weißrussischen Präsidenten eine dritte Amtszeit ermöglicht, hat in verschiedenen Teilen der Welt widersprüchliche Resonanz ausgelöst. 90 Prozent der weißrussischen Wähler hatten sich an der Abstimmung beteiligt, davon votierten über 70 Prozent für eine Verlängerung von Lukaschenkos Amtszeit. Dies wurde im Ausland so unterschiedlich beurteilt, dass selbst die offizielle Erklärung des weißrussischen Außenministeriums einigermaßen widersprüchlich ausfiel. Dort wird die Bewertung des Referendums durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als nicht objektiv bezeichnet, andererseits nimmt das Außenministerium mit Genugtuung „die Objektivität und Ausgeglichenheit“ zur Kenntnis, „die in den Beurteilungen der GUS-Missionen und anderer unabhängiger Beobachter zum Ausdruck kommen.“
Russlands offizielle Position besteht derweil darin, die freie und demokratische Wahl zu begrüßen, die das weißrussische Volk getroffen habe. Wladimir Ruschajlo, der Leiter der GUS-Beobachtermission, betonte jedoch, die hohe Wahlbeteiligung beim Referendum sei durch Druck von außen zustande gekommen. Die russische Opposition hat das Referendum und die begleitenden Wahlen zum weißrussischen Parlament einstimmig verurteilt, ebenso wie die damit einhergehende Verfolgung der Opposition und die Verprügelung eines ausländischen Journalisten. Auch das russische Außenministerium schickte eine Anfrage bezüglich der Schritte, die gegen russische Journalisten eingeleitet worden seien.
Zweifellos befindet sich Russland in einer heiklen Lage, was den weißrussischen Bereich seiner Außenpolitik angeht. Der Westen hat Weißrussland längst den Rücken gekehrt, stempelt Lukaschenko als „letzten Diktator Europas“ ab und droht dem Land mit wirtschaftlichen Sanktionen. Doch darf man so einfach eine Wahl anzweifeln, die der weißrussische Wähler nun einmal getroffen hat? Schließlich ist Lukaschenko mit beeindruckenden Resultaten zum Referendum angetreten: zehnprozentiger Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts, Gehaltserhöhungen, kaum Arbeitslosigkeit und eine der niedrigsten Kriminalitätsraten im gesamten postsowjetischem Raum. Über all diese Erfolge werden die Wähler von braven Fernsehsendern in vollem Umfang in Kenntnis gesetzt. In den staatlichen weißrussischen Medien gibt es generell keine schlechten Nachrichten: Ausgestrahlt werden stattdessen Informationen darüber, wie gut es den Weißrussen geht, welche hervorragenden Leistungen das Land im Sport, in der Landwirtschaft, der Industrie und der Kultur vollbringt. Daneben kommen begeisterte Ausländer zu Wort, die alles bewundern, was sie in Weißrussland gesehen haben.
Diese Propaganda im Geiste der Sowjetunion hat sicher ihren Teil zum Ausgang des Referendums beigetragen. Doch tatsächlich geht es den Weißrussen unter Lukaschenko materiell nicht schlecht, und niemand wünscht sich wohl zurück in die unmittelbar nachsowjetische Phase, in der die Wirtschaft schwer in der Krise steckte und der größte Teil der Bevölkerung in Armut lebte. Auch das Beispiel der Nachbarn Litauen und Lettland, wo nach dem EU-Beitritt die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderging, sorgt nur bei wenigen Weißrussen für Begeisterung.
Russland dürfte derweil vor allem daran gelegen sein, dass keine NATO-Panzer vor Smolensk stationiert werden, und eine solche Entwicklung wäre durchaus denkbar, wenn in Weißrussland die Opposition an die Macht käme. Deswegen werden gerade im Bereich der Verteidigung und Sicherheit die Beziehungen zwischen Weißrussland und Russland immer weiter vertieft. In allen anderen Bereichen der bilateralen Beziehungen herrscht jedoch Stagnation. Die ökonomischen und politischen Modelle der beiden Länder entwickeln sich immer weiter auseinander. Der Staat kontrolliert in Weißrussland nach wie vor die Industrie und hält an einem sowjetisch geprägten System von Sozialleistungen fest. Russland dagegen forciert den aggressiven Ausbau der Marktwirtschaft.
Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts hat Russland deshalb in seinen Beziehungen zu Weißrussland die verschiedensten Stadien durchlaufen: von der Proklamierung einer engstmöglichen Annäherung, ja beinahe Wiedervereinigung mit Weißrussland, über das Abdrehen der Gasleitungen bis hin zur Tendenz, das Land in Zukunft als einfache Verwaltungseinheit der Russischen Föderation zu betrachten. Lukaschenkos Erdrutschsieg wird den Annäherungsprozess im wirtschaftlichen Bereich sicher weiter verlangsamen. Doch gänzlich stoppen lässt sich dieser Prozess nicht. Denn Lukaschenko weiß, dass das „weißrussische Wirtschaftswunder“ am Tropf des russischen Marktes hängt – dorthin fließt die Hälfte des weißrussischen Exports. Und auch Russland kann es sich nicht leisten, Weißrussland den Rücken zu kehren – egal, wer dort an der Macht ist.
Seine letzte Rede war unterstes Niveau. SChrecklich dass es solche Leute im 21. Jahrhundert noch gibt.
Was meint ihr? Sollte die EU Lukashenkov weiterhin die Einreise verbieten?
grüsse
happy ;)
«wenn ich aus dem Haus gehe, langweile ich mich» CapaRezza
Nach Lukaschenkos Sieg muss Russland neue Wege in der Außenpolitik finden
Alexander Lukaschenkos Erdrutschsieg beim kürzlich abgehaltenen Referendum, dass dem weißrussischen Präsidenten eine dritte Amtszeit ermöglicht, hat in verschiedenen Teilen der Welt widersprüchliche Resonanz ausgelöst. 90 Prozent der weißrussischen Wähler hatten sich an der Abstimmung beteiligt, davon votierten über 70 Prozent für eine Verlängerung von Lukaschenkos Amtszeit. Dies wurde im Ausland so unterschiedlich beurteilt, dass selbst die offizielle Erklärung des weißrussischen Außenministeriums einigermaßen widersprüchlich ausfiel. Dort wird die Bewertung des Referendums durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als nicht objektiv bezeichnet, andererseits nimmt das Außenministerium mit Genugtuung „die Objektivität und Ausgeglichenheit“ zur Kenntnis, „die in den Beurteilungen der GUS-Missionen und anderer unabhängiger Beobachter zum Ausdruck kommen.“
Russlands offizielle Position besteht derweil darin, die freie und demokratische Wahl zu begrüßen, die das weißrussische Volk getroffen habe. Wladimir Ruschajlo, der Leiter der GUS-Beobachtermission, betonte jedoch, die hohe Wahlbeteiligung beim Referendum sei durch Druck von außen zustande gekommen. Die russische Opposition hat das Referendum und die begleitenden Wahlen zum weißrussischen Parlament einstimmig verurteilt, ebenso wie die damit einhergehende Verfolgung der Opposition und die Verprügelung eines ausländischen Journalisten. Auch das russische Außenministerium schickte eine Anfrage bezüglich der Schritte, die gegen russische Journalisten eingeleitet worden seien.
Zweifellos befindet sich Russland in einer heiklen Lage, was den weißrussischen Bereich seiner Außenpolitik angeht. Der Westen hat Weißrussland längst den Rücken gekehrt, stempelt Lukaschenko als „letzten Diktator Europas“ ab und droht dem Land mit wirtschaftlichen Sanktionen. Doch darf man so einfach eine Wahl anzweifeln, die der weißrussische Wähler nun einmal getroffen hat? Schließlich ist Lukaschenko mit beeindruckenden Resultaten zum Referendum angetreten: zehnprozentiger Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts, Gehaltserhöhungen, kaum Arbeitslosigkeit und eine der niedrigsten Kriminalitätsraten im gesamten postsowjetischem Raum. Über all diese Erfolge werden die Wähler von braven Fernsehsendern in vollem Umfang in Kenntnis gesetzt. In den staatlichen weißrussischen Medien gibt es generell keine schlechten Nachrichten: Ausgestrahlt werden stattdessen Informationen darüber, wie gut es den Weißrussen geht, welche hervorragenden Leistungen das Land im Sport, in der Landwirtschaft, der Industrie und der Kultur vollbringt. Daneben kommen begeisterte Ausländer zu Wort, die alles bewundern, was sie in Weißrussland gesehen haben.
Diese Propaganda im Geiste der Sowjetunion hat sicher ihren Teil zum Ausgang des Referendums beigetragen. Doch tatsächlich geht es den Weißrussen unter Lukaschenko materiell nicht schlecht, und niemand wünscht sich wohl zurück in die unmittelbar nachsowjetische Phase, in der die Wirtschaft schwer in der Krise steckte und der größte Teil der Bevölkerung in Armut lebte. Auch das Beispiel der Nachbarn Litauen und Lettland, wo nach dem EU-Beitritt die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderging, sorgt nur bei wenigen Weißrussen für Begeisterung.
Russland dürfte derweil vor allem daran gelegen sein, dass keine NATO-Panzer vor Smolensk stationiert werden, und eine solche Entwicklung wäre durchaus denkbar, wenn in Weißrussland die Opposition an die Macht käme. Deswegen werden gerade im Bereich der Verteidigung und Sicherheit die Beziehungen zwischen Weißrussland und Russland immer weiter vertieft. In allen anderen Bereichen der bilateralen Beziehungen herrscht jedoch Stagnation. Die ökonomischen und politischen Modelle der beiden Länder entwickeln sich immer weiter auseinander. Der Staat kontrolliert in Weißrussland nach wie vor die Industrie und hält an einem sowjetisch geprägten System von Sozialleistungen fest. Russland dagegen forciert den aggressiven Ausbau der Marktwirtschaft.
Im Laufe des vergangenen Jahrzehnts hat Russland deshalb in seinen Beziehungen zu Weißrussland die verschiedensten Stadien durchlaufen: von der Proklamierung einer engstmöglichen Annäherung, ja beinahe Wiedervereinigung mit Weißrussland, über das Abdrehen der Gasleitungen bis hin zur Tendenz, das Land in Zukunft als einfache Verwaltungseinheit der Russischen Föderation zu betrachten. Lukaschenkos Erdrutschsieg wird den Annäherungsprozess im wirtschaftlichen Bereich sicher weiter verlangsamen. Doch gänzlich stoppen lässt sich dieser Prozess nicht. Denn Lukaschenko weiß, dass das „weißrussische Wirtschaftswunder“ am Tropf des russischen Marktes hängt – dorthin fließt die Hälfte des weißrussischen Exports. Und auch Russland kann es sich nicht leisten, Weißrussland den Rücken zu kehren – egal, wer dort an der Macht ist.
Seine letzte Rede war unterstes Niveau. SChrecklich dass es solche Leute im 21. Jahrhundert noch gibt.
Was meint ihr? Sollte die EU Lukashenkov weiterhin die Einreise verbieten?
grüsse
happy ;)
«wenn ich aus dem Haus gehe, langweile ich mich» CapaRezza