Türkei macht Jet-Abschuss zum NATO-Thema
Der Abschuss eines türkischen Militärjets durch Syrien belastet weiter die Beziehungen beider Staaten: Der türkische Außenminister Davutoglu will den Vorfall in der NATO besprechen. Syriens Regierung bleibt bei ihrem Standpunkt. Sie sieht den Abschuss als Akt der Selbstverteidigung.
Von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Die türkische Regierung macht den Abschuss einer türkischen F4-Phantom durch Syrien zum NATO-Thema. Außenminister Ahmed Davutoglu sagte im türkischen Staatsfernsehen TRT: "Gemäß Artikel 4 der NATO-Statuten habe ich für die kommende Woche eine Sitzung beantragt. Darüber hinaus werden wir den UN-Sicherheitsrat über den Hintergrund dieses aggressiven Verhaltens informieren."
Die Regierung in Damaskus beharrt nach wie vor darauf, dass die türkische Maschine in einem Akt der Selbstverteidigung über syrischem Hoheitsgebiet abgeschossen worden sei. Dem widerspricht Ankaras Außenminister Davutoglu entschieden: "Unsere Maschine wurde 13 Seemeilen vor der syrischen Küste in internationalem Luftraum abgeschossen."
Die syrische Führung versuche, die Dinge zu vermengen. Aber dies gehe so nicht. "Die Verletzung ihres Luftraumes war keine Absicht", fügte Davutoglu hinzu.
"Unser Flugzeug war auf einem Testflug"
Am Samstag hatte bereits der türkische Staatspräsident Abdullah Gül eingeräumt, die türkische F4 sei kurzzeitig in den syrischen Luftraum eingedrungen, aber die beiden Piloten hätten sofort abgedreht, nachdem sie von der türkischen Flugkontrolle darüber informiert worden seien. Davutoglu äußerte sich zum Sinn und Zweck des Fluges: "Unser Flugzeug war auf einem Testflug, um unser Radarsystem im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen im östlichen Mittelmeer zu prüfen. Diese Mission stand in keiner Beziehung zur Krise in Syrien."
Türkischen Berichten zufolge wurden die Überreste der abgeschossenen Maschine in internationalen Gewässern vor der syrischen Küste in 1300 Metern Tiefe geortet. Über das Schicksal der beiden Piloten gibt es nach wie vor keine Informationen. "Unser Flugzeug war unbewaffnet. Eine Maschine auf gefährlicher Mission wäre nicht unbewaffnet gewesen. Unbewaffnet starten Jets nur zu Trainings- und Testflügen", fügte Davutoglu hinzu. Jeder wisse das.
Bei solchen Flügen werde grundsätzlich die Identität offen gelegt - und dies werde auch nicht extra angeordnet, ergänzte der türkische Außenminister: "Die Identität unserer Maschine war klar ersichtlich. Jeder, der mit den Regeln vertraut ist, konnte ihre Identität erkennen."
Erneute Belastungsprobe für zerrüttetes Verhältnis
Der Abschuss der türkischen Maschine droht das ohnehin schon zerrüttete Verhältnis zwischen Ankara und Damaskus weiter zu belasten. Die türkische Führung fordert seit geraumer Zeit offen den Rücktritt von Präsident Baschar al Assad. Ankara gewährt etwa 32.000 syrischen Flüchtlingen Hilfe
Berichte, wonach die Türkei Aufständische mit Waffen versorge, weist Ankara zurück. Dadurch, dass die Türkei nach dem Zwischenfall nun die NATO ins Spiel bringt, könnte der Konflikt auf eine neue Eskalationsstufe befördert werden.
http://www.tagesschau.de/ausland/militaerjet-tuerkei100.html (Archiv-Version vom 26.06.2012)