Eingliederung behinderter Kinder in die Regelschulen
04.05.2012 um 01:06- http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,823365,00.html (Archiv-Version vom 13.04.2012)
Kinder mit und ohne Behinderung sollen künftig überall gemeinsam zur Schule gehen - dazu hat sich Deutschland in einer Uno-Konvention verpflichtet, die vor drei Jahren in Kraft trat. Doch der Weg dorthin ist noch weit: Derzeit besucht nicht einmal jedes vierte Kind mit Förderbedarf eine reguläre Schule. Und es wird Geld kosten, vollständig auf Inklusion umzustellen.Da ich die Frage ob behinderte Kinder künftig auf Regelschulen unterricht werden sollen, durch den Wal-O-Mat zur Landtagswahl in NRW (Mai - 2012) gestellt bekam, jedoch mit Enthaltung reagieren musste, gebe ich dieses Thema nun zur Debatte im Forum frei. Ich benötige ein paar Impulse. Einerseits halte ich es für wünschenswert, wenn Menschen möglichst früh im Umgang mit behinderten Kindern vertraut gemacht werden, andererseits halte ich das in einem gewissen Alter gleichwohl für problematisch, da ich gemeinhin der Ansicht bin, dass Mobbing weitgehend ein Zeugnis von Unreife und somit zumeist in Schulen oder anderen gemeinschaftlichen Aufenthaltsorten von Kindern und Jugendlichen zugegen ist.
Wie viel? Das hat der Bildungsforscher Klaus Klemm von der Uni Duisburg-Essen für die Bertelsmann Stiftung errechnet. Um Inklusion weitgehend umzusetzen, müssen in den kommenden zehn Jahren bundesweit rund 9300 neue Lehrer eingestellt werden, heißt es in der Studie. Das würde 660 Millionen Euro jährlich kosten.
Die Summe würde in dieser Höhe ab dem Schuljahr 2020/21 anfallen - und bis dahin so schnell anwachsen, wie die Reform fortschreitet. Allerdings bezieht sich die Zahl nur auf die Kosten für zusätzliche Lehrer. Wie teuer es etwa wird, Schulgebäude umzurüsten, zum Beispiel um Therapie- und Rückzugsräume einzurichten, sei schwer einzuschätzen.
"Inklusion ist notwendig und bezahlbar"
Klemm geht für seine Berechnung davon aus, dass behinderte und verhaltensauffällige Kinder in Regelschulen ebenso umfangreich gefördert werden wie bisher in den Sonderschulen. Das Geld und die Stellen, die frei werden, wenn viele Sonderschulen auf dem Weg zur Inklusion schließen, reichten dafür nicht aus, sagte Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung.
Die Stiftung hält deshalb die beiden günstigeren Varianten, die Klemm ebenfalls erstellt hat, nicht für empfehlenswert: "Inklusion ist notwendig und bezahlbar. Aber sie wird dort scheitern, wo Länder sie als Sparmodell betrachten", sagte Dräger. Die Summe von 660 Millionen Euro mache weniger als zwei Prozent der heutigen Gesamtkosten von Schule aus.
Derzeit leben in Deutschland knapp eine halbe Million verhaltensauffällige, lern- oder körperbehinderte Schüler, die besonderer Förderung bedürfen. Deutschland ist Europas Schlusslicht in Sachen Inklusion. Bundesweit stieg der Anteil der inklusiv unterrichteten Förderschüler im Schuljahr 2010/2011 im Vergleich zum Vorjahr zwar von 20,1 auf 22,3 Prozent, teilte die Bertelsmann Stiftung mit.
Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind jedoch groß: Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein. Hier besuchen 49,9 Prozent aller lern- oder körperbehinderten Schüler eine reguläre Schule. Auch in Berlin und Bremen liegt der Anteil bei mehr als 40 Prozent. Am Schluss steht Niedersachsen mit nur 8,5 Prozent. Besonders stark aufgeholt hat Hamburg: Innerhalb eines Schuljahres wuchs dort der Inklusionsanteil um über die Hälfte - von 16,2 auf 24,4 Prozent.
son/dpa