Fedaykin schrieb:ist im Kommunismus aber gar nicht anders möglich oder? Weil Produktionsmittel jeder art ja dem Staat gehören und im extremfall privateigentum de facot niemanden mehr gehört.
rumpelstilzche schrieb:Wie genau stellst du dir das ganze System vor ?
Naja, Kommunismus als konkrete Gesellschaftsform lassen wir mal außen vor, das ist ja laut Theorie die staaten- und klassenlose Gesellschaft, die das Endziel des Sozialismus nach Marx sein soll. Aber mit schwammigen Vorstellungen lässt sich schlecht Politik machen. (Im Kommunismus gehören die Produktionsmittel also nicht dem Staat, weil staatenlos.
;) )
Sozialismus ist etwas handfesteres, da kann man sich schon eher etwas drunter vorstellen. Das Problem dabei ist bloß, dass es da keine einheitliche Definition von gibt, aber im Konsens heißt Sozialismus immer Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel, also deren kollektive Verwaltung.
Die "Vergesellschaftlichung" der Produktionsmittel, kann man dann in zwei Weisen interpretieren: 1. Staatssozialismus versteht unter Vergesellschaftlichung gleich die Verstaatlichung der Produktionsmittel (also sozusagen Mainstream-Sozialismus, weil diese Form öfter umgesetzt wurde, weniger erfolgreich wie wir alle wissen), 2. libertärer Sozialismus versteht unter Vergesellschaftlichung mehr die Selbstverwaltung der Arbeiterschaft, gemeinsames Eigentum statt privates Eigentum an Produktionsmitteln, Demokratisierung des Arbeitsplatzes etc. (libertärer Sozialismus kann auch vieles sein, vom Rätekommunismus bishin zum Anarchosyndikalismus, ne gute Übersicht dazu:
Wikipedia: Libertarian socialism ).
Was ich persönlich favorisiere sollte klar sein, nämlich letztere Option, libertärer Sozialismus. Ganz gut in dem Zusammenhang ist Anton Pannekoek, ein niederländischer Rätekommunist und Kritiker des sowjetischen Staatssozialismus. In seinen "5 Thesen über den Kampf der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus" (Mai 1947) schrieb er über den Sowjetsozialismus folgendes:
Gleichzeitig vollzieht sich in den meisten Ländern ein Prozeß, die organisierte Staatsmacht einzusetzen, um die Kontrolle der Schlüsselindustrien in die Hände zu bekommen, als Beginn der "Planwirtschaft".[...] Im staatskapitalistischen Rußland beherrscht die Bürokratie kollektiv die Produktionsmittel und unterdrückt diktatorisch die ausgebeuteten Massen.
Der Sozialismus, der als Ziel des Arbeitskampfes dargestellt wird, ist tatsächlich lediglich die Organisierung der Produktion durch den Staat. Er ist Staatssozialismus, Leitung der Produktion durch Staatsbeamte, Herrschaft der Direktoren, der Intelligenz und der Kader in der Fabrik.
In der sozialistischen Wirtschaft bildet dieser Apparat eine gut organisierte Bürokratie, die als Beherrscherin des Produktionsprozesses fungiert. Der Apparat verfügt vollständig über die Produktion und bestimmt, welchen Anteil davon die Arbeiter in Form von Lohn erhalten; den Rest behält sie für die allgemeinen Bedürfnisse und für ihre eigenen ein.
Also eine Beschreibung der sowjetischen- und Ostblock-Planwirtschaft durch einen linken Kritiker. Was Panekoek und andere libertäre Sozialisten unter Arbeiterselbstverwaltung verstehen fasst er dann so zusammen:
"Arbeiter als Herren der Produktion" drückt an erster Stelle aus, daß in jeder Fabrik, in jedem Unternehmen die Organisation der Arbeit das Werk der Arbeiter sein muß. Anstatt durch einen Direktor und dessen Aufpasser reglementiert zu werden, werden die Produktionsabläufe durch die Gesamtheit der Arbeiter bestimmt. Diese alle Arbeiter, Spezialisten, Techniker umfassende Gesamtheit, also alle, die an der Produktion teilnehmen, bestimmt in Versammlungen über alles, was sie bei der gemeinsamen Arbeit betrifft. Diejenigen, die eine Arbeit erfolgreich durchführen sollen, müssen auch über sie die Leitung haben, die Verantwortung übernehmen in den Grenzen der Gesamtheit. Diese Regelung kann auf alle Zweige der Produktion angewendet werden. Sie setzt voraus, daß die Arbeiter ihre eigenen Organe schaffen, um die vereinzelten Unternehmer zu einer Einheit planvoller Produktion zusammenzuschließen. Diese Organe sind die Arbeiterräte. Arbeiterräte sind Gremien von Delegierten, Beauftragten der verschiedenen Fabriken oder Abteilungen großer Unternehmen, als Wortführer ihrer Absichten, Meinungen; um gemeinsame Probleme zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen und ihren Auftraggebern Rechenschaft abzulegen.
Sie bestimmen die verschiedenen Regeln und legen sie fest; indem sie die verschiedenen Meinungen zu einer gemeinsamen Position vereinigen, verbinden sie untereinander die getrennten Einheiten, machen daraus ein gut organisiertes Ensemble. Sie bilden kein permanent leitendes Gremium. Alle können jederzeit von ihren Funktionen abberufen werden. Die ersten Ansätze der Arbeiterräte gab es in der russischen und deutschen Revolution (Sowjets und Arbeiterräte). Bei den künftigen Aufgaben der Arbeiterklasse müssen sie eine mehr und mehr wachsende Aufgabe erfüllen.
Quelle:
http://www.marxists.org/deutsch/archiv/pannekoek/1947/05/5thesen.htmUmgesetzt wurde die Arbeiterselbstverwaltung (wenn nicht perfekt, aber wo funktioniert der Kapitalismus schon perfekt?) z.B. in Titos Jugoslawien, wo Arbeiterselbstverwaltung in einer Art Marktsozialismus umgesetzt wurde. Betriebe wurden von den Arbeitern selbst verwaltet, der Direktor demokratisch von der Basis gewählt, die Beschäftigten bestimmten kollektiv über Investitionen, Löhne, Produktionsplanung etc. Der jugoslawische Staat gab zwar Pläne aus, die waren jedoch nicht bindend und waren nur eine wirtschaftspolitische koordinierende Maßnahme. Marktsozialistisch war es in dem Sinne, dass der Markt nicht komplett abgeschafft wurde, die Arbeiterkollektive traten im Wettbewerb zueinander. Was ich also als wünschenswert betrachten würde wäre ein jugoslawischer Sozialismus (ohne Einparteienstaat, sondern eingebettet in eine Demokratie, und ohne Goli Otok, wenn jemand versteht was ich meine
;) ).