Ich stimme
@melgon mit seinem letzten Statement voll zu.
Wenn Haltungen/ Politikermeinungen dem Wortsinn gemäss "populär" sind, dann sind sie auch immer "populistisch", i. S. von "dem entsprechend, was die Mehrheit denkt oder spricht". Also eigentlich nix Falsches, wenn vielleicht auch nicht immer in den Finessen durchgedacht.
Ich bin auch der Meinung, dass "populistisch" heute mehrheitlich negativ belegt ist und zwar einzig deshalb, weil es nur von Linksdrall- Kräften als Totschlagadjektiv benutzt wird.
Die gleichen Kräfte haben ja auch stets Mühe, mit bestehenden Mehrheitsmeinungen klar zu kommen, also muss diese diffamiert werden.
Ebenso überzeugt wie viele Vorredner bin ich davon, dass der Aufschwung von "Populisten" bürgerlicher Prägung sich begründet in der Ignoranz, dem Übergehen breiter Schichten, dem idealistisch- linken Zusammenbruzzeln mulitkultureller Phantasien und neuer "Toleranzen" auf Stufe EU und vieler Mitgliedsländer. Die Mehrheit der Staatsbürger mag im verstärkten Zusammenarbeiten in der Ökonomie noch Positives sehen, ebenso in der Bemühung, eine gemeinsame Sicherheitspolitik zu gestalten. Wo es jedoch immer und überall zu Problemen kommt, ist bei Fragen der Ethik/ Moral/ Steuern/ Finanzausgleich/ Glauben/ Migration und neuer Rechtsnormen und Rechtssprechung. Die Probleme entstehen wohl nicht mal aus reiner Ablehnung gegen "von oben herab" gesetzte neue Leitplanken, sondern deshalb, weil sie ZU SCHNELL und eben oft aus Ideologiegründen gesetzt werden, ohne dass "Geschichte und Traditionen" von Regionen und Ländern beachtet werden.
Ob ich mit Leuten in England, Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich oder der Schweiz rede, es kristallisiert sich immer im Kern die Ablehnung gegen die in Brüssel neugewachsene Elite heraus, von der niemand mehr weiss, wer es genau ist, wo sie herkommt (aus Unis) und wofür sie im Grundsatz steht (und zwar für alle verständlich formuliert...).
Ich wähle seit Jahren "Populisten", die mit Worten sagen können, was ihre Grundhaltung ist und von denen ich weiss, was sie bisher gemacht haben. Meistens Leute, die eigene Betriebe aufgebaut haben oder sonst Werte geschaffen haben und die über Humor verfügen (!). Praktisch nie Leute, die direkt aus der Uni in die Politik gegangen sind. Die von mir gewählten Personen empfinde ich meist als "gute" Populisten, egal ob sie mit linker oder rechter Etikette dann im Parlament stehen.
M2: Der niederländische Politologe Koen Vossen über Merkmale des Populismus:
"Auch wenn beinahe jeder Theoretiker, der sich mit dem Populismus beschäftigt hat, über die Vagheit des Konzepts klagt, besteht unter diesen Theoretikern doch ein recht weit gehender Konsens darüber, was nun als absoluter Kern des Populismus anzusehen ist. Dieser Kern besteht darin, dass alle Populisten davon überzeugt sind, dass die bestehende Politik von einem starken moralischen Gegensatz beherrscht wird zwischen zwei homogenen Gruppen, dem tugendhaften Volk und der korrupten Elite, wobei sich die Populisten als Vertreter oder sogar als Verkörperung jenes Volkes sehen.
Um diesen Kern herum existieren einige angrenzende Auffassungen, die in gewisser Weise aus dem Kern abzuleiten sind. An erster Stelle ist das die populistische Neigung zum Konspiratismus, anders gesagt zu Komplotttheorien. Diese Neigung ergibt sich eigentlich aus dem Bild von der Elite als einer homogenen Gruppe. Dies unterstellt ja bereits, dass all die verschiedenen Politiker, Parteien, Funktionäre und befreundeten Journalisten, die die Elite bilden, dem Wesen nach dasselbe Spiel spielen, auch wenn sie nach außen hin manchmal so tun, als ob es Unterschiede hinsichtlich der Interessen, der Prinzipien Hinter einer Nebelwand der Komplexität, vagen Prozeduren und politischer Scheingefechte hat die Elite nur ein einziges Interesse: die eigene Position zu erhalten. (...)
Ein zweites Merkmal des Populismus ist eine Verherrlichung des wahren Volkes als Träger aller Tugenden und damit auch als Bringer von Weisheit und Glück. Im Volk – das ebenfalls als Einheit dargestellt wird – finden sich laut dem Populisten echte Weisheit, aufrechtes Gefühl, authentische Einsichten und wirklich praktische, auf Erfahrung basierende Lösungen, dort und nicht in akademischen „Elfenbeintürmen” oder unter politischen „Käseglocken“. Um ihren Glauben in die Weisheit des Volkes zu unterstreichen und ihre Abkehr gegen die Elite zu demonstrieren, versuchen Populisten einen volksnahen Ton und Stil zu finden. (...) Nun geben sich vielleicht viele Politiker Mühe, jenen volksnahen Ton zu finden, doch der Unterschied zum aufrechten Populisten ist, dass letzterer auch wirklich glaubt, dass der volksnahe Ton und Stil jenem der Elite im Innersten überlegen ist.
Ein drittes Merkmal des Populismus ist ein enormes Vertrauen in die Möglichkeiten der Politik, zumindest wenn sie tatsächlich auf dem unmittelbaren Willen des Volkes beruht. Populisten betrachten das Regieren eines Land nicht als eine notwendigerweise sehr komplexe Tätigkeit, sondern als eine durch die Elite unnötig verkomplizierte Angelegenheit. Sobald das Volk, verkörpert durch die populistische Bewegung, die Elite als Machthaber ersetzt hat, werden allerlei Probleme, die von der Elite als unlösbar oder als unabänderliche Tatsachen akzeptiert wurden, durch den gesunden Menschenverstand und durch praktisches Denken gelöst werden. Internationale Abmachungen und Verträge, verfassungsmäßige Einschränkungen, ökonomische Prognosen und bürokratische Abläufe, sie alle können im populistischen Diskurs problem- und folgenlos negiert bzw. aufgekündigt werden (...)"