@tingplatz " Doors schrieb:
Demokratie heisst mitmachen, engagieren, das Maul aufreissen, mitarbeiten, mitgestalten, Protest artikulieren, Widerstand leisten...
Ok nehmen wir mal diesen Satz auseinander und sehen, was von dieser Demokratie hier übrigbleibt.
Widerstand leisten: Autos anzünden und das Zerstören von Privateigentum als Begleiterscheinuung von Demos hierzulande, was soll da "demokratisch" sein?"
Du scheinst mir ein ziemlich beschränktes Repertoire politischen Widerstandes zu haben.
Das klingt gerade so, als hätte die Bevölkerung der DDR ihre marode Herrschaft nur durch Trabant-Abfackeln beseitigt. Widerstand gegen ein System ist so vielgestaltig wie die Menschen, die ihn leisten. Das kann von der Unterschriftensammlung bis zum bewaffneten Kampf gehen.
"Protest artikulieren: Wenn du Protest artikulierst und schaffst es nicht unter einem Pseudonym, dann gehts hin bis zum Berufsverbot. Die öffentlichen Medien zertretten Querulanten die nicht PC-line sind. Was soll da "demokratisch" sein?"
Stimmt, hierzulande sitzen Hunderttausende Oppositionelle in GULAGs. Natürlich gab es in der BRD Zeiten, da durfte der Kommunist keine Briefe austragen, weil er die mutmasslich alle nach Moskau geschickt hätte. Wie mir scheint, ist das heute, möglicherweise mangels Kommunisten oder Interesse Moskaus an Werbemailings, nicht mehr so.
"Mitgestalten: Unter der 5% Marke ist es Essig mit dem "Mitgestalten". Du wirst von oben "gedeckelt", wenn deine "Mitgestalterei" nicht dem entspricht, was die Machthaber sich unter Gestaltung vorstellen."
Ich hatte in 40 Jahren politischer Arbeit eigentlich nicht den Eindruck, alles Tun und Handeln sei nutz- und erfolglos geblieben. Der Prostest der Bevölkerung in unserem Landkreis, quer durch alle Schichte und Parteien, von der linksautonomen Landkommune bis hin zum CDU-Landwirt, hat beispielsweise das geplante CO2-Lager verhindert. Dass seit Mitte der 1970er keine neuen AKW in der BRD gebaut wurden, war und ist nicht zuletzt der Anti-AKW-Bewegung zu verdanken. Anfang der 1980er habe ich in Hamburg massgeblich mitgeholfen, die Giftschleuder C.H.Boehringer dicht zu machen. Auch da ging der Widerstand der Bevölkerung, unabhängig von Wahlprozenten, quer durch alle Schichten.
"Mitarbeiten/Mitmachen: Nur wenn es erwünscht ist, also du diesen Leuten nach den Mund sprichst. Seit Jahren werden hier ganze Generationen von Politspeichellecker herangezocken. Es fällt regeltrecht auf, wenn einer mal nicht so ist (die fünf Ypsilanti-Querulanten zB). Harmlose Abweichler werden ganz gewiss nicht zum Mitmachen eingeladen, sondern es wird alles getan, um sie zu "disziplinieren""
Es geht ja nicht nur darum, in einer Partei mit zu arbeiten, sondern immer dort, wo es ganz konkret um die eigenen Interessen geht. Dazu muss man nicht in einer Partei sein.
"Maul aufreissen: Hahahahahahahahaha - Wahnsinn, wer hierzulande was "falsches" sagt, erlebt seinen politischen Tod. Meinungsfreiheit? Vergiss es. Bildungsfreiheit? Nur noch ein hohle Worthülse. Gottsei dank gibts das Internet und les das was ich will, obwohl es genug Politiker schon gibt, denen sowas ein Dorn im Auge ist"
Ich habe nicht den Eindruck, dass, was Meinungsfreiheit angeht, hierzulande chinesische oder iranische Verhältnisse herrschen. Wer dergleichen behauptet, verkennt einerseits die Rolle der Medien, womit ich nicht nur Springer, Bertelsmann oder Bauer meine, sondern vor allem auch das, was eine Diktatur tatsächlich ausmacht. Wer glaubt, hierzulande herrsche eine Diktatur von mindestens stalinistischen oder nationalsozialistischen Ausmassen, der verharmlost diese Verbrechen in meinen Augen.
"Ja wir haben eine Demokratie - eine ganz spezielle "BRD Demokratie" mit extremen undemokratischen Auswüchsen - inklusive Politikern die sowas für gutheißen."
Noch mal: Politik ist keinesfalls nur das, was in einem Parlament stattfindet. Ganz im Gegenteil. Politik entsteht immer dann, wenn zwei Menschen zusammen kommen und ihre Interessen gegeneinander durchzusetzen versuchen. Und genau das passiert in jedem popeligen Elternbeirat, in jeder Kleinkleckersdorfer Gemeindesratsversammlung, in jeder noch so kleinen Gruppe, in der Menschen zusammen kommen.
Natürlich kann man aus Parteien, Gewerkschaften, Betriebsräten etc. fliegen - das habe ich alles schon selbst erlebt. Aber dann rappelt man sich wieder auf und macht anders weiter.
Wer hat denn behauptet, dass Widerstand leisten so eine Art gemütliches Kaffeekränzchen sei? Das ist genau so albern wie die These "Widerstand ist zwecklos", die gern von denen ins Feld getragen wird, denen politische Arbeit zu anstrengen, zu zeitaufwendig und zu teuer ist.
Da sitzt man lieber auf dem Sofa und jammert: Es hat ja eh alles keinen Zweck.
Dan greift man entweder zur Kalashnikov oder, was wahrscheinlicher ist, zur Schnapsbuddel.