Psychologie des Nationalsozialismus
13.11.2009 um 08:14
Lang, aber lesenswert, darum ungekürzt:
Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister
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Thema: Kultur, veröffentlicht: 23.02.2004
Rudolph Steiner und die Anthroposophie
Vielen ist Steiner nur als Begründer der Waldorfschulen bekannt. Viele Eltern bewerten die Waldorfschulen als fortschrittlich im Gegensatz zu staatlichen Schulen. Es gibt bis zu einem gewissen Alter keine Noten, es gibt flachere Hierarchien (z. Bsp. keinen Schuldirektor) und inhaltlich einen größeren Praxisbezug.
Aber was steckt hinter diesen vermeintlich musisch-kreativen Alternativschulen? Was sind die Grundzüge von Steiners Lehre und inwiefern findet sich diese im Unterricht der Waldorfschulen wider?
Peter Bierl, freier Journalist und Redakteur der Zeitschrift „Ökolinx“ hat sich in seinem Buch „Wurzelrassen, Erzengel und Volksgeister – Die Anthroposophie Rudolph Steiners und die Waldorfpädagogik“ intensiv mit der Lehre Steiners auseinandergesetzt.
Bierl arbeitet darin mit etlichen Quellenverweisen und Originalzitaten Steiners und dessen Jünger. Das ganze Buch, 1999 im Konkret Literatur Verlag erschienen, gleicht einer wissenschaftlich korrekten Abrechnung mit der Anthroposophie. Da es jedoch erstens schwer zu lesen und zweitens momentan vergriffen ist, sollen im folgenden Artikel die zentralen Aspekte des Buches dargestellt werden. Zum Schluss wird im Fazit eine kurze eigene Bewertung durch die Autorin dieses Textes vorgenommen.
Die Anthroposophie – Speerspitze der deutschen Esoterikszene
Weltweit haben die anthroposophischen Gesellschaften heute 60000 Mitglieder. Die anthroposophische Zentrale befindet sich in Dornach in der Schweiz.
Mit 20000 Mitgliedern existiert in Deutschland die größte und einflussreichste anthroposophische Gesellschaft. 70000 Schüler und Schülerinnen werden in den deutschen Walddorfschulen anthroposophisch beeinflusst (mit finanzieller Unterstützung des Staates). Viele besuchen schon davor Waldorfkindergärten.
Landwirtschaftliche Demeter-Produkte und Kosmetik-Produkte von Weleda stammen aus anthroposophisch kontrollierten Projekten. Viele Städte verfügen über anthroposophische Zentren. Alle anthroposophischen Projekte sind auf den Begründer der Anthroposophie – Rudolph Steiner (1861-1925) zurückzuführen. Die Anthroposophie entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Ideologisch steht sie in der Tradition der völkischen deutschen Romantik und der Theosophie.
Die Lehre Steiners ist heute eine der wichtigsten Strömungen der Esoterikszene in Deutschland. Sie hat bzw. hatte viele berühmte Anhänger und Sympathisanten wie zum Beispiel Otto Schily, Michael Ende, Joseph Beuys und Peter Siemens.
Ihre soziale Basis ist kleinbürgerlich und weist einen hohen Akademikeranteil auf. Die Anthroposophie profitiert dabei genauso wie andere esoterische Strömungen von den zunehmenden Problemen vieler Menschen aufgrund der ökonomischen Krise, die zunehmende Perspektivlosigkeit, Individualisierung und Identitätskrisen bei Menschen auslöst und viele nach neuen Antworten suchen lässt. Auch die Nicht-Identifikation vieler Menschen mit der heutigen auf Profit und Ellenbogenmentalität ausgerichteten Gesellschaft scheint ein wichtiger Faktor des Esoterikbooms zu sein.
Engel, Geister und schlechtes Karma
Genauso wie andere esoterische Strömungen lehnen die Anhänger Steiners ein materialistisches Weltbild und jede Form rationaler Erklärung von Geschehnissen ab. Der Mensch stammt nach Steiner z. Bsp. nicht vom Affen, sondern der Affe vom Menschen ab.
Der Marxismus, die Lehren Freuds und der Darwinismus gelten als Teufelswerk im wahrsten Sinne des Wortes. In diesen Lehren treibe der Dämon Ahriman sein Unwesen. Steiner entlarvte im Übrigen auch Lenin und Trotzki als ahrimanische Wesen.
Die Anthroposophen halten Engel, Dämonen, Volks- und Rassengeister für reale Wesen. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Anthroposophie eine „Geisteswissenschaft“. Dieser vermeintlich wissenschaftliche Anspruch unterscheidet die Anthroposophie von anderen esoterischen Strömungen.
Wer Anthroposoph ist, gilt als geistig erleuchtet und gehört einer spirituellen Elite der Menschheit an. Rationales Handeln und die Möglichkeit die Gesellschaft zu verändern, werden verworfen. Stattdessen werde die Menschheit von höheren Wesen wie Engeln und Dämonen geleitet.
Der Mensch ist nur ein unterentwickeltes Geisteswesen. Es sind die Engel, die die Geschichte und den Lebenslauf eines Menschen bestimmen.
Nur die Anthroposophen können durch spirituelles Leben mit den Geistern eins werden und zu einem höheren Wesen werden. In die anthroposophische Lehre Eingeweihte fallen nicht auf Luzifer und Ahriman herein und können ihr eigenes Karmakonto kontrollieren.
Unter Karma verstehen die Anthroposophen, dass das heutige Leben von Menschen von seinen Handlungen in seinem früheren Leben geprägt ist. Dies bedeutet auch, dass alle Sünden im aktuellen Leben – wie Alkohol, materialistische Weltanschauung, Sex – das zukünftige Leben negativ beeinflussen.
Die Anthroposophen werden also als höhere Wesen wiedergeboren, wenn sie sich heute den Geistern ergeben. Wenn sie sehr opferbereit sind, können sie außerdem aus dem Geist heraus ihren Körper selbst formen. Während der normale Mensch laut Steiner in 2100 Jahren nur einmal inkarniert (wiedergeboren wird), hat Steiner seinen erleuchteten Fans 1924 eine Extrarunde versprochen.
Interessanterweise hat Steiner übrigens behauptet, dass Marx im 8. Jh. als Adliger in Nordfrankreich gelebt hat und seinen Grundbesitz an den Ursupator Engels verlor. Daraufhin soll Marx laut Steiner einen Hass auf Engels gehegt haben und eine „dem Herrschaftsprinzip abträgliche Gesinnung“ entwickelt haben. Im neunzehnten Jahrhundert seien dann beide wieder reinkarniert und haben es auf Neue mit der Expropriation der Expropriateure versucht. Verstehe das wer wolle.
Die Wurzelrassenlehre – esoterischer Rassismus
Steiners Wurzelrassenlehre stellt eine durch und durch rassistische Lehre dar. Der Mensch entwickele sich (wie oben beschrieben) durch Reinkarnation und „planetarische Zeitalter“ (eine Erklärung der Planetarischen Zeitalter würde hier den Rahmen sprengen und wäre auch nur was für Science- Fiction-Fans) auf immer höhere Stufen.
Dies vollzieht sich jedoch durch verschiedene Rassetypen. Es gäbe eben Rassen, die die spirituelle Erleuchtung erreichten und zur Führung der Menschen werden könnten, andere Rassen seien dazu nicht fähig. Bestimmte Rassen sind somit auserwählt, andere wiederum sind zum Untergang verdammt und werden zu Tiermenschen oder luziferischen Wesen.
Steiner zufolge sind bisher vier Wurzelrassen, die die spirituelle Führung der Menschen werden sollten, untergegangen. Aktuell ist die (fünfte) arische Wurzelrasse zur Menschheitsführung auserkoren. Unter den sieben arischen Unterrassen wiederum ist die nordisch-germanische Rasse von 1415 bis 3573 die auserwählte Rasse.
Noch gruseliger wird es, wenn man liest, wer denn zu den nichtfähigen Rassen gehört. Steiner schreibt selbst: „Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse“, während Schwarze „alles Licht und alle Wärme vom Weltraum aufsaugen“ und im Hinterhirn und Rückenmark verarbeiten.
Nochmal Steiner: „Die blonden Haare geben eigentlich Gescheitheit. Geradeso wie sie wenig in das Auge hineinschicken, so bleiben sie im Gehirn mit ihren Nahrungssäften, geben sie ihrem Gehirn die Gescheitheit. Die Braunhaarigen und Braunäugigen, und die Schwarzhaarigen und Schwarzäugigen, die treiben das, was die Blonden ins Gehirn treiben, in die Haare und Augen hinein.“
Doch nicht nur Schwarze, auch alle Indianer sind laut Steiner „degenerierte Wesen“ oder auch „eigentlich zugrunde gehende Neger.“ Schwarze und Indianer sind Steiner zufolge „verhärtete Wesen“.
Wirft man den Anthroposophen heute vor, rassistische Lehren zu verteidigen, argumentieren sie, dass der Mensch durch Reinkarnation ja durch alle Rassen gehe und jede/r mal zu den guten und schlechten Rassen gehören würde. Rassistische Zitate Steiners werden als Einzelfall und Ausrutscher gedeutet. Eine andere Erklärung ist, dass die Rassen in Zukunft überwunden werden können. Problem dabei: das wiederum können nur die spirituell Erleuchteten - die Anthroposophen.
Die Anthroposophen im Dritten Reich
Die Machtübernahme der Nazis 1933 wurde von den Anthroposophen in einer offiziellen Stellungnahme begrüßt. Gemein sind Nazis und Anthroposophen, dass sie rassistische Ideologien verfolgen. Auch Steiner und seine Jünger machten gegen Juden und Kommunisten Propaganda. Sie begrüßten (wie der katholische Klerus) die Zerschlagung der kommunistischen Organisationen. Der Bolschewismus sei ein System, was von Dämonen beherrscht sei. Er wurde als ein auf Materialismus basierendes System abgelehnt. Die Juden deklassierten sie als „wurzellose Rasse“.
Bierl schreibt zum Unterschied der Anthroposophen und dem NS-Faschismus: „NS-Faschismus und Anthroposophie sind rassistische Ideologien, unterscheiden sich aber im Ziel. Die Anthroposophie fordert nicht dazu auf, angeblich Minderwertige zu ermorden oder zu versklaven, sondern sie quasi zu missionieren, ihnen eine Inkarnationshilfe zu geben, damit sie im nächsten Leben als entwicklungsfähige Weiße auf die Erde kommen.“
Und weiter: „Die Anthroposophie leistete und leistet ihren Beitrag zum rassistischen und antisemitischen Konsens und war durchaus kompatibel mit Symphatie und Mitgliedschaft in der NSDAP.“
Die Kritik der Anthroposophen am Hitler-Faschismus zielte darauf ab, dass deren Rassismus sich an rein körperlichen Merkmalen festmachen würde und damit Teil einer materialistischen Wissenschaft sei. Steiners Rassenbegriff habe dagegen in erster Linie geistigen Inhalt.
Generell war die Haltung der Nazis gegenüber der Anthroposophie und anderen völkisch-esoterischen Gruppen nicht einheitlich. Während beispielsweise Rudolph Hess und andere mit ihnen symphatisierten, wurde sie von anderen Teilen der NSDAP bekämpft, da sie als ideologische Konkurrenz angesehen wurde. Bierl weist zudem darauf hin, dass die Anthroposophen davon ausgingen, dass die Deutschen nur bis 3573 die führende Rasse seien und danach die Slawen deren Nachfolge antreten würden, was den Nazis so nicht gepasst habe. Dies wird jedoch kein zentraler Grund für das Verbot der anthroposophischen Projekte gewesen sein.
Nach und nach wurden die Waldorfschulen durch die Nazis geschlossen und auch andere anthroposophische Projekte verboten. Die Anthroposophen nutzen dies heute, um zu beweisen, dass sie in Opposition zu Hitler gestanden hätten.
Nach 1945 machten die Anthroposophen ahrimanische Kräfte, Dämonen und dunkle Naturen für den NS-Faschismus verantwortlich. Über das faschistische System, die Opfer und das kapitalistische System, welches den Faschismus hervorbringen konnte, schwiegen die Jünger Steiners. Das ist auch nur allzu logisch, weil sich Steiner und seine Anhänger in keiner Weise als Gegner des Kapitalismus begriffen.
Politische Vorstellungen: Das Konzept der Dreigliederung
Während die Anthroposophen den Kapitalismus in jedem Fall als ökonomisches System unangetastet lassen wollten, lehnten sie die bürgerlich parlamentarische Demokratie als eine unnatürliche Ausgeburt des Westens ab. Steiner lehnte den westeuropäischen sogenannten Demokratismus ab, der nur dazu diene „die Menschen Mitteleuropas zu einem Teil der englisch-amerikanischen Weltherrschaft zu machen“.
Steiner zufolge sollte die Gesellschaft gemäß eines natürlichen Organismus gestaltet werden: der Dreigliederung. Dreigliederung bedeutet, dass für die Bereiche der Politik, der Ökonomie sowie der Kunst, Kultur und Wissenschaft drei autonome Gebiete entstehen sollten.
Die Begründung Steiners dafür ist keine Politische, sondern vielmehr Spirituelle: Die Dreigliederung des soziales Organismus entspräche dem des menschlichen Körpers: Nerven/Sinnesorgane, Lunge/Herz als rhythmisches System und Stoffwechsel. Das Konzept der Dreigliederung hat eine ganzheitliche organische Gesellschaft zum Ziel. Was man auch immer darunter verstehen mag; die Folgen sind klar: Klassengegensätze werden verwischt, alle sitzen in einem Boot und die politischen Einflussmöglichkeiten auf die Wirtschaft – und damit letztendlich auch gewerkschaftliche Organisierung und der Kampf für Reformen und eine andere Gesellschaft – werden überflüssig.
Das passt ins Gesamtkonzept Steiners: Mit seiner Reinkarnations- und Karmalehre schreibt er bereits jedem Menschen eine festgelegte soziale Stellung zu, aus der er sich nicht aktiv befreien kann und soll.
Bierl bezeichnet das Konzept der Dreigliederung im Ganzen als antidemokratisch und elitär. Er beschreibt die propagandistische Funktion des Konzepts der Dreigliederung wie folgt: „Während die Idee der Dreigliederung in der Endphase des Krieges der Propaganda gegen die Entente und bürgerliche Demokratie diente, initiierten die Unternehmer Carl Unger und Emil Molt sowie Roman Boos damit nach der Novemberrevolution eine Kampagne gegen die radikale Arbeiterbewegung.“
Offen benannte Steiner die Funktion der Dreigliederungskampagne: Damit könne man „der elementaren Unruhe, welche die Menschen ergriffen hat, Herr werden.“ Steiner beteiligte sich auch aktiv im Kampf der Kapitalisten gegen die Rätebewegung der Arbeiter. Steiner trat auf Arbeiterversammlungen auf, gab sich antikapitalistisch und versuchte die Arbeiter zu verwirren, indem er die Kapitalisten als „geistige Arbeiter“ definierte.
Das Herzstück der Anthroposophie: Die Waldorfschulen
Die anthroposophischen Lehren und Anschauungen sind vielmehr heimlicher Lehrplan als offensichtlicher Inhalt der Waldorfschulen.
Die meisten WaldorfschülerInnen und ihre Eltern wissen nichts oder wenig von den Ideen Rudolph Steiners. Auch ein Großteil der LehrerInnen sind nicht durch die Steinerlehre gegangen. Lediglich 26% aller neueingestellten LehrerInnen verfügen über eine „Waldorf- Vollzeitausbildung“ von der Dauer eines Jahres. Wäre der gesamte Irrsinn der Steinerlehre an den Waldorfschulen Unterrichtsprogramm, könnten die Schulen auch weder an staatliche Subventionen gelangen, noch würde das Waldorfschulabitur staatlich anerkannt werden können.
Würde es nach Steiner gehen, würden die SchülerInnen in Waldorfschulen noch heute nach unterschiedlichen äußeren Merkmalen in vier unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden: In Phlegmatiker (dicke Kinder), Sanguiniker (schlanke Kinder), Melancholiker (hagere Kinder) und Choleriker (Kinder mit kurzen Beinen und kurzem Hals). Den Kindern würde dann gemäß dieser Einteilung eine Sitzordnung vorgeschrieben (die Phlegmatiker und Choleriker sitzen außen, die Melancholiker und Sanguiniker innen).
Trotz der Tatsache, dass einige Elemente der Steinerlehre nicht mehr Gegenstand an den Schulen ist, ist die, wie Bierl schreibt, „irrationale, antimoderne Weltanschauung“ Steiners Bestandteil der Waldorfpädagogik. In vielen Klassenzimmern hängt auch heute noch ein Bild von Steiner. Im Kunstunterricht werden Feenwesen, Zwerge und Elfen gebastelt. Die LehrerInnen lesen dabei Märchen von Engeln und Dämonen vor.
Bei der an den Waldorfschulen betriebenen Eurythmie (sogenanntes beseeltes Turnen) sollen die Kinder Laute durch Bewegung darstellen. Bierl zufolge verwandelten sich die Schülerinnen dabei in hüpfende Buchstaben und werden somit zum inkarnierten Wort Gottes.
Der Unterricht und die Schulordnung sind relativ konservativ. Jazz, Pop und Rockmusik gelten als entartete Musik. Sogar die Beatles gelten als zu modern. Fußball ist in einigen Schulen auf dem Schulgelände heute immer noch verboten (genau wie Cola trinken).
Der Bielefelder Kunstpädagoge Helmut Diederich kritisierte 1999, dass im Kunstunterricht Farben und Formen und die Reihenfolge des Farbauftrags vorgeschrieben werden. Er berichtete von sieben- bis neunjährigen Kindern, die wochenlang immer nur zwei Ringe zeichnen mussten, die ineinander verschlungen waren.
Auch das „Kupfer-treiben“ ist jedem /jeder WaldorfschülerIn bekannt, ohne zu wissen, was genau der Sinn desselben ist. Bierl bringt es auf den Punkt: „Anthroposophie und Waldorfpädagogik sind nicht kreativ und phantasievoll, sondern verfechten eine Ästhetik der Geisterbahn-Schmalspur.“
Die Waldorfpädagogik ist aber laut Bierl nicht nur konservativ, sondern auch autoritär. Der Klassenlehrer ist die ersten acht Jahre die zentrale Figur und wechselt nicht. Es gibt wenige Lehrbücher und keine modernen Medien. Aussagen des Lehrers werden dadurch schwer überprüfbar. Die LehrerInnen sind zudem stärker überfordert als solche an staatlichen Schulen. Klassenstärken bis zu 40 SchülerInnen sind ganz normal an den Waldorfschulen.
Zwar gibt es die ersten Jahren keine Noten, ab einer höheren Klasse werden diese dann jedoch eingeführt und der Leistungsdruck auf die SchülerInnen nimmt enorm zu.
Oft wird der Waldorfschule auch zu Gute gehalten, dass es keinen Schuldirektor gibt. Dass stimmt formal. Die LehrerInnen bilden, wie Bierl schreibt, ein Gesamtkollegium mit einer „inneren Konferenz“ als Kern, welche eine kollektive Führung darstelle, die nicht gewählt sei, sondern sich durch Kooptation ergänze. So werde auch bei einem großen Anteil von Nicht-Anthroposophen die anthroposophische Ideologie gewahrt.
Mitspracherechte von SchülerInnen und Eltern gibt es nicht, genauso wenig wie es Personalräte gibt. Das ist auch nicht nötig, ist und bleibt die Waldorfschule doch eine „organische Gemeinschaft“.
Diese organische Gemeinschaft umschließt im Übrigen primär Kinder aus der Mittel- und Oberschicht. Auch ausländische Kinder sind recht selten. Die Eltern von WaldorfschülerInnen zahlen zwar kein festes Schulgeld, an vielen Schulen wird mit den Eltern jedoch ein Beitrag gemäß ihres Gehalts vereinbart.
Fazit
Was bleibt also übrig von den vermeintlich positiven Elementen der Waldorfschulen?
Dass die Kinder mehr töpfern und schreinern lernen als an staatlichen Schulen? Dass es die ersten Jahre keine Noten gibt? Dass es weniger Gewalt an den Schulen gibt (u.a. auch deshalb, weil die meisten Kinder aus sozial unproblematischen Familien kommen)? Dass spielerischer gelernt wird?
Es geht an dieser Stelle nicht darum, alle Elemente der Waldorfschulen als antimodern und irrational zu verdammen. Es geht auch nicht darum, die staatliche Schule in der bürgerlich- kapitalistischen Gesellschaft zu verteidigen. Auch an den regulären Schulen sind die Mitspracherechte der SchülerInnen marginal, es gibt Vor-Kopf-Unterricht und wir lernen (genau wie die WaldorfschülerInnen) im Interesse der Wirtschaft.
Trotzdem kann die Waldorfschule keine Alternative sein! Wir müssen viel mehr dafür kämpfen, eine wirkliche demokratische Kontrolle über unsere Schulen zu erlangen und allen SchülerInnen eine kostenlose gute Schulbildung zu garantieren.
Lucy Redler, Hamburg