paranomal schrieb:Es geht nicht um kollektive Schuld, sondern um das Verhindern von kollektiver Schuldentlastung.
Ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Dass Deutschland (im Westen) den zweiten Weltkrieg zu verantworten hat, steht doch außer Frage. Und deshalb tragen der deutsche Staat und noch lebende Nazis sowie Unterstützer die historische Verantwortung und Schuld für all die Verbrechen, die im Namen der Nationalsozialisten begangen wurden. Jeder, der nicht aus dem rechtsextremen oder verschwörerischen Spektrum stammt, wird daran nicht rütteln. Darum geht es mir auch gar nicht. Es geht um die Kollektivschuld eines ganzen Volkes, die meiner Ansicht nach eben nicht auf jeden Einzelnen zutrifft. Gegner wurden von den Nationalsozialisten schnell ausgeschaltet, Parteien verboten, Menschen hingerichtet, ausgeschnüffelt usw. Da ist es logisch, dass viele aus Angst nichts gegen das System unternommen haben - bis auf einige mutige, die immerhin ihr Leben auf's Spiel setzten.
Nur mal exemplarisch angeführt:
Wikipedia: Liste der Attentate auf Adolf Hitlerparanomal schrieb:Das jeder Antisemit (ob nun Nazi oder nicht) die Legitimationsgrundlage für den Holocaust geliefert hat.
Nun müsste man feststellen, wie viele Menschen im Volk tatsächlich Antisemiten waren. Die prominenten Helfer der Juden werden sicher nicht die einzigen gewesen sein, die vorher schon keine Antisemiten waren oder nachher der Propaganda widerstehen konnten.
paranomal schrieb: Jedoch war der Luftkrieg gegen Deutschland (unabhängig von der Notwenigkeit einzelner Bombardements) eine Notwendigkeit.
Der Luftkrieg als solcher ja. Vor allem, um strategische (militärische) Ziele auszuschalten. Bei Bomber Harris ist das alles aber nicht so eindeutig:
[...]Die historische wie rechtliche Qualifizierung der alliierten Luftkriegsstrategie und damit der Position Harris’ bleibt umstritten. Nach sachlichen oder militärischen Kriterien war die gezielte Zerstörung von Wohngebieten und Innenstädten umstritten. Zwar waren militärisch gesehen die strategischen Folgen des Luftkriegs allgemein erheblich, da angesichts der Angriffe die deutsche Rüstungsproduktion zu umfangreichen produktionsbehindernden Verlagerungen gezwungen wurde – laut Albert Speer führten die alliierten Luftangriffe bei den Luftfahrzeugen zu einer Halbierung der möglichen Produktion. Über eine Million Soldaten wurden bei der Flakartillerie eingesetzt und fehlten dadurch an den Fronten, zusätzlich wurde eine halbe Million Behelfspersonal herangezogen[4], darunter viele Jugendliche als Flakhelfer.
All dies war aber in erster Linie auf die gegen die Rüstungsindustrie geführten Tagangriffe der USAAF und nicht auf die gegen die Zivilbevölkerung gerichteten und von Arthur Harris verantworteten Nachtangriffe der Royal Air Force zurückzuführen.[...]Wikipedia: Arthur Harris#Milit.C3.A4rhistorische Wertungparanomal schrieb:Verantwortlich für den Tod der unschuldigen sind die die den Krieg möglich gemacht haben und zwar egal ob aktiv oder passiv.
Nein, das ist schlichtweg falsch. Natürlich sind die Verursacher in erster Linie verantwortlich für die Kriegsopfer. Es gibt aber Grenzen, die uns beispielsweise das von mir erwähnte Humanitäre Völkerrecht auferlegt - sofern man sich daran hält. Massenvergewaltigungen von Zivilisten, Ermordung von Kriegsgefangenen oder Racheakte in Form von nicht-strategisch sinnvollen Infernos sind unverhältnismäßig. Da steht die Verantwortlichkeit auf Seite desjenigen, der diese Handlungen ausführt und nicht zwangsläufig auf dem Verursacher des Krieges.
paranomal schrieb:Denn Angst mag ein nachvollziehbares Motiv auf psychischer Ebene sein. Den Vorwurf der Mitverantwortlichkeit muss sich die Person trotzdem gefallen lassen.
Auch das sehe ich grundsätzlich anders - falls du mit Person 'den Deutschen' meinst. Es lässt sich immer leicht theoretisch darüber sprechen. Was der einzelne auf der psychischen Ebene durchmachen musste, lässt sich aber schwer beschreiben und vor allem nachvollziehen. Ich möchte vielleicht nochmal darauf hinweisen, dass die Menschen im dritten Reich auch Angst haben mussten vor einer Art Sippenhaft. Man kann nicht einfach jeden, der in einem Staatsgebiet lebt, dafür verantwortlich machen, was die Regierung macht oder dass die Regierung überhaupt an die Macht kommen konnte. Was habe ich damit am Hut, wenn die AfD bei der nächsten Wahl 60% der Stimmen bekommt? In einer Demokratie kann ich auch eine völlig diametral entgegengesetzte Meinung zur regierenden Partei haben. Trage ich dann persönlich die Verantwortung dafür, wenn diese Partei Dinge tut, die meiner Ansicht völlig zuwiderlaufen? Wohl eher nicht.
paranomal schrieb:Der Begriff ist absolut angebracht, wenn man sich anschaut, welche Fantastereien hinsichtlich der Opferzahlen und eingesetzten Waffen im Umlauf sind. Dieser unbegründete Sonderstatus von Dresden ist das konkrete Ergebnis von Nazi-Propaganda, die auch lange nach Kriegsende als Rechtfertigung für den angeblichen Opferstatus der deutschen Bevölkerung herhalten muss.
Er ist nur dann angebracht, wenn man unter Opfermythos versteht, dass die Deutschen, inkl. der nationalsozialistischen Regierung, lediglich Opfer der Alliierten und Sowjets gewesen seien und sie keine Schuld am zweiten Weltkrieg trifft. Wenn mit Opfermythos jedoch gemeint ist, dass es keine unschuldigen Opfer gab, dann ist der Begriff Schwachsinn. Erstere Denke geht von Neonazis, Verschwörungstheoretikern und Faschisten aus. Da brauchen wir wohl nicht drüber zu diskutieren. Letzteres ist eine nüchternde Feststellung, denn weder waren Kinder schuldig an den Bombardements noch eine ungewisse Zahl an anderen Menschen.