Strafanzeige wegen Hochverrat?
23.04.2008 um 12:52
Das Bundesverfassungsgericht stellte am 31. Juli 1973 bei der ĂberprĂŒfung des Grundlagenvertrags mit der DDR fest (2 BvF 1/73; BVerfGE 36, 1 [2]):
Das Grundgesetz â nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! â geht davon aus, daĂ das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 ĂŒberdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch AusĂŒbung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten OkkupationsmĂ€chte noch spĂ€ter untergegangen ist; das ergibt sich aus der PrĂ€ambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der stĂ€ndigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhĂ€lt.
Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor RechtsfĂ€higkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfĂ€hig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt âverankertâ (BVerfGE 2, 266 [277]). Verantwortung fĂŒr âDeutschland als Ganzesâ tragen â auch â die vier MĂ€chte (BVerfGE 1, 351 [362 f., 367]).
Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegrĂŒndet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert [âŠ]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht âRechtsnachfolgerâ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat âDeutsches Reichâ, â in bezug auf seine rĂ€umliche Ausdehnung allerdings âteilidentischâ, so daĂ insoweit die IdentitĂ€t keine AusschlieĂlichkeit beansprucht. [âŠ] Sie beschrĂ€nkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den âGeltungsbereich des Grundgesetzesâ.
Die Bundesrepublik [âŠ] fĂŒhlt sich aber auch verantwortlich fĂŒr das ganze Deutschland [âŠ]. Die Deutsche Demokratische Republik gehört zu Deutschland und kann im VerhĂ€ltnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht als Ausland angesehen werden.
Der Vertrag regelt in zehn Artikeln die auĂenpolitischen Aspekte der deutschen Vereinigung und kam damit faktisch einem Friedensvertrag zwischen Deutschland und den SiegermĂ€chten des Zweiten Weltkrieges gleich, auch wenn dieser Begriff vermieden wurde. Das Ergebnis war die Wiederherstellung der Deutschen Einheit und die Wiedererlangung der âvollen SouverĂ€nitĂ€t Deutschlands ĂŒber seine inneren und Ă€uĂeren Angelegenheitenâ.[2]
Das vereinigte Deutschland umfasst das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und beider Teile Berlins.[3] [4]
Die bestehenden Grenzen sind endgĂŒltig, das heiĂt, das vereinigte Deutschland verpflichtet sich, keine GebietsansprĂŒche (beispielsweise auf die seit dem Zweiten Weltkrieg de facto, jedoch nicht völkerrechtlich zu Polen und der Sowjetunion gehörenden Gebiete des Deutschen Reiches östlich der Oder-NeiĂe-Linie) zu erheben.
Das vereinigte Deutschland bekrÀftigt sein Bekenntnis zum Frieden und verzichtet auf atomare, chemische und biologische Waffen.
Die TruppenstÀrke der deutschen StreitkrÀfte wird von 500.000 auf 370.000 Mann reduziert und beschrÀnkt.
Die sowjetischen Truppen werden vom Gebiet der ehemaligen DDR bis spÀtestens 1994 abgezogen.
Atomwaffen und auslĂ€ndische Truppen dĂŒrfen auf ostdeutschem Gebiet nicht stationiert oder dorthin verlegt werden; damit ist Ostdeutschland eine atomwaffenfreie Zone.
Die ViermÀchte-Verantwortung in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes wird beendet.
Das vereinigte Deutschland erhÀlt die volle staatliche SouverÀnitÀt.
âDie Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik werden sicherstellen, dass die Verfassung des vereinten Deutschlands keinerlei Bestimmungen enthalten wird, die mit diesen Prinzipien unvereinbar sind. Dies gilt dementsprechend fĂŒr die Bestimmungen, die in der PrĂ€ambel und in den Artikeln 23 Satz 2 und 146 des Grundgesetzes fĂŒr die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind.â
Eine zusĂ€tzliche Note schrieb die Bodenreform in der DDR fĂŒr alle Zeiten fest.
Die Unterzeichner waren die AuĂenminister Hans-Dietrich Genscher fĂŒr die Bundesrepublik, Lothar de MaiziĂšre (in Vertretung fĂŒr den zurĂŒckgetretenen Markus Meckel) fĂŒr die DDR, Roland Dumas fĂŒr Frankreich, Eduard Schewardnadse fĂŒr die UdSSR, Douglas Hurd fĂŒr GroĂbritannien und James Baker fĂŒr die USA.
âDie beiden deutschen Staaten handelten nur im eigenen Namen und nicht als Vertreter Deutschlands [âŠ]. GemÀà Art. 8 I 2 des Vertrages hat dann jedoch die Ratifikation âauf deutscher Seite durch das vereinte Deutschlandâ zu erfolgen; der Vertrag soll âfĂŒr das vereinte Deutschlandâ in Kraft treten (Art. 9 S. 1) und âdaher fĂŒr das vereinte Deutschlandâ auch gelten (Art. 8 I 2). [âŠ]
Politisch soll durch die gewĂ€hlte Verfahrensweise sichergestellt werden, daĂ BrĂŒche und Verwerfungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen, wie sie in FĂ€llen von Staatensukzession vorkommen können, vermieden werden. Es ist zwar ungewöhnlich, daĂ ein Rechtssubjekt als âVerhandlungsstaatâ den Vertragstext abfaĂt und annimmt, ein anderes Rechtssubjekt aber seine Zustimmung bekundet, durch den Vertragstext gebunden zu sein; es ist jedoch grundsĂ€tzlich möglich, daĂ ein Staat einer vertraglichen Regelung zustimmt und rechtlich gebunden wird, obgleich er nicht âVerhandlungsstaatâ war. [Vgl. Wiener Ăbereinkommen ĂŒber das Recht der VertrĂ€ge vom 23.5.1969].â
â Professor Dr. Dieter Blumenwitz: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1990, S. 3041 ff.
Faktisch war die Annahme des Zwei-plus-Vier-Vertrages Voraussetzung der alliierten BesatzungsmĂ€chte zu deren Zustimmung zur deutschen vollstĂ€ndigen SouverĂ€nitĂ€t, da ein Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg nicht abgeschlossen wurde. Der Wortlaut âanstatt eines Friedensvertragesâ war allerdings nur eine Sprachregelung, um Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg nicht nachkommen zu mĂŒssen. Bei der Londoner Schuldenkonferenz 1953 wurde festgelegt, dass alle Reparationsforderungen nach einem Friedensvertrag ausgehandelt wĂŒrden.