@nurunalanur Kurdisch als ein Wahlfach zu erlauben ist für Türkische Verhältnisse natürlich ein Fortschritt. Es ist allerdings weit von tatsächlichen Zugeständnissen an eine Kulturelle Autonomie entfernt. Das hängt damit zusammen, dass Kurden in der Türkei nach wie vor nicht als eine Minderheit anerkannt werden, weswegen es keine Schulen geben kann, in denen tatsächlich auf Kurdisch unterrichtet wird.
Dagegen wehrt sich die Partei BDP (und nicht nur die) – Es werden tatsächliche Rechte eingefordert, statt einer Beschwichtigungspolitik und (nun) sanften Assimilation.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1798083/ (Archiv-Version vom 06.07.2012)Die Realität sieht in der heutigen Türkei nämlich so aus:
- Kurdische Orts- und Straßennamen sind (bis auf wenige Ausnahmen) verboten
- Einige Buchstaben (w, q, y), die im Kurdischen verwendet werden sind verboten (aberwitzig)
http://www.tagesspiegel.de/berlin/buchstaben-als-politikum-zweijaehriger-kurde-wird-wegen-vornamens-staatenlos/1616212.html - Unterricht in Kurdisch ist verboten
- Politische Aktivitäten in Kurdisch sind verboten
- Kurdische Politiker (und nicht nur sie) werden nach wie vor aus fadenscheinigen Gründen verhaftet
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/tuerkische-journalisten-freies-denken-unter-strafe-11575161.html - Kurden werden nicht als eine Minderheit anerkannt
Die Türkei unterdrückt auch im Jahre 2012 ihre Minderheiten und das nicht zu wenig, wenn auch, zugegebenermaßen (wesentlich durch die EU-Beitrittsbemühungen) die staatliche Verfolgung stark entschärft wurde.
Erdogan ist kein "Böser Islamist" aber auch kein "dem Westen zugewandter Demokrat" – Er kocht sein eigenes Süppchen und spielt geschickt alle Karten aus, die ihm zur Verfügung stehen. Und am Ende ist es so wie überall – Ein zugeworfener Knochen wird dann dankend angenommen, wenn die Alternative noch weniger verspricht.
Wo genau bestimmte Probleme liegen:
"Nach offiziellem türkischem Staatsverständnis werden alle Bürger der Republik Türkei als "Türken" definiert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, wenn sie für ihre Gruppe kulturelle oder gar politische Rechte einfordern. In diesem Bereich hat es im Rahmen der Beitrittsbemühungen zur EU allerdings Fortschritte gegeben. Nach jahrzehntelanger Leugnung der bloßen Existenz von Kurden in der Türkei, wurden seit 2003 kurdische Radio- und Fernsehprogramme sowie private Kurdischkurse gestattet. Der bisher bedeutendste Schritt war die Eröffnung eines Senders für "mehrsprachige Sendungen" innerhalb des staatlich kontrollierten Fernsehsenders TRT zum 1. Januar 2009. Einen Tabubruch stellte es dar, dass der türkische Ministerpräsident zur Eröffnung des Kanals selbst einige Worte auf Kurdisch sprach. Von einer Anerkennung kultureller Rechte für andere Volksgruppen - nicht nur in Bezug auf die Kurden - ist die Türkei aber noch immer weit entfernt. Die kurdische Sprache darf im staatlichen Bildungssystem nicht unterrichtet werden und ist auch im Rahmen parteipolitischer Aktivitäten und Wahlkampfveranstaltungen weiterhin verboten. Ein völlig absurdes Verbot besteht für die Verwendung der Buchstaben X, Q und W, die im türkischen Alphabet nicht vorkommen, im Kurdischen aber gebräuchlich sind."
"Im Januar 2010 wurde der Mahmut Alınak, ehemaliger Abgeordneter aus Kars für die inzwischen verbotenen kurdische Partei DEP, vom Strafgericht in Kağızman (Provinz Kars) zu 19 Monaten und 17 Tagen Haft verurteilt, weil er auf einer Wahlkampfveranstaltung im Juli 2007 die Menschen auf Kurdisch begrüßt hatte. Entsprechende Verfahren wurden gegen zahlreiche weitere Personen eingeleitet, die im Vorfeld der Kommunalwahlen im März 2009 kurdisch gesprochen hatten. So wurden im Juni 2010 vom Strafgericht in Mardin drei Lokalpolitiker aus diesem Grund zu je sechs Monaten Haft verurteilt und Anfang November 2010 wurde der Bürgermeister von Batman, Nejdet Atalay, zu fünf Monaten Haft verurteilt. In verschiedenen Gerichtsverfahren wurde es als strafverschärfend oder als Ausdruck der Unterstützung der PKK gewertet, wenn Angeklagte darauf bestanden, sich in kurdischer Sprache zu verteidigen."http://www.amnesty.de/kurzinfo/2010/12/laenderbericht-tuerkei (Archiv-Version vom 06.10.2012) nurunalanur schrieb:Und du hast Recht, in der Türkei wird Demokratie wie kaum in einem anderen Land Europas ausgelebt, das werden Parteien über nacht vom Volk abgewählt oder komplett neue Parteien an die Macht gewählt, wie die AKP Partei und viele andere Parteien belegen..
Deswegen sitzen in der Türkei mehr Journalisten im Gefängniss als in China oder dem Iran – Das ist natürlich "wahre ausgelebte Demokratie".
http://www.journalist.de/aktuelles/meldungen/journalismus-in-der-tuerkei-im-namen-der-pressefreiheit.html - Ich möchte die Türkei keineswegs schlecht reden, aber diese Übertreibungen bezüglich der Qualität des politischen Systems (welches in Realität gravierende Mängel aufweist und nach einer Nachbesserung schreit) sind zu auffällig, um nicht kritisiert zu werden.