Wie kam Karl Marx auf seine Ideen?
15.11.2007 um 19:05
Die wirtschaftliche Entwicklung im deutschen Kaiserreich durch die Industriealisierung und die Folgen in der Gesellschaft
Nach dem Sieg des deutsch-französischen Krieges und der Gründung des deutschen Kaiserreiches erfuhr die deutsche Wirtschaft im Vergleich zu anderen Ländern einen enormen Aufschwung und eine außerordentlich starke Umwandlung. Man könnte von einer zuvor noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Blütezeit sprechen. Dies war zum einen bedingt durch die tiefgreifenden Veränderungen der industriellen Revolution, welche, wenn auch erst relativ spät im Vergleich zu England und anderen europäischen Ländern, schließlich auch das neu gegründete deutsche Kaiserreich erreichte. Zum anderen schuf allerdings auch erst eine politische Neuordnung durch den Zusammenschluss der deutschen Einzelstaaten zu einem gesamtdeutschen Reich die notwendigen Voraussetzungen, aus den Feudalistischen Herrschaftsstrukturen und der deutschen Kleinstaaterei auszubrechen und ein Gesamtgebilde zu konstruieren, in welchem die Industriealisierung ihren entsprechenden Nährboden finden und sich überhaupt erst einmal entwickeln konnte.
Die Entwicklung war jedoch so schnell und gewaltig vor sich gegangen, dass das deutsche Kaiserreich seinen vormaligen Rückstand binnen weniger Jahre nicht nur aufholen konnte, sondern im Vergleich zu anderen Ländern sogar weitestgehend an die Spitze gelangte und eine führende Rolle in der Weltwirtschaft einnahm. Dies lag insbesondere aber auch an den laufenden und hohen Reparationskosten der Franzosen gegenüber dem deutschen Kaiserreich. Diese enormen Geldsummen wurden von den deutschen in Industrieanlagen, Eisenbahnlinien, den Bergbau und auch in der Landwirtschaft investiert. Auch eine neue Strukturierung in Berufsgruppen wie das Dienstleistungsgewerbe, Angestellte und das Beamtentum, Verwaltung und der Aufbau eines Versicherungswesens trugen sehr schnell dazu bei, dass ein sehr hoher technischer Entwicklungsstand und ein allgemeiner Wohlstand in wenigen Jahren erreicht wurde. Ausgenommen vom Wohlstand allerdings,- und das ist die Kehrseite,- waren vor allem die einfachen Industriearbeiter, als auch die in der Landwirtschaft eigentlich tätigen, als Frohnarbeiter und das allmähliche Zurückgehen der selbstständigen Handwerksbetriebe, welche in immer größerem Umfange Abhängig von den Kapitalisten der Großindustrie wurden, um überhaupt noch Aufträge zu erhalten und so nur noch, wenn überhaupt, zu einem Großteile eine gewisse Scheinselbstständigkeit aufrecht erhalten konnten oder aufgeben mussten.
Wenn man sich verschieden Bereiche in der deutschen Binnenwirtschaft betrachtet, so ist in einem Zeitraum von 43 Jahren, zwischen 1870 und 1913 ein Wirtschaftswachstum zu verzeichnen, dass sich mindestens verdoppelt hat, teilweise sogar vervierfacht, verfünffacht oder gar verzehnfacht hat. So waren die Ertragsquoten in der Landwirtschaft in Reichsmark umgerechnet auf das doppelte gestiegen. Von 5,7 Mrd. RM im Jahre 1870 auf 11,2 Mrd. RM im Jahre 1913. Eine Steigerung von 100 %. Im Verteidigungssektor fand zwischen 1870 und 1913 ebenfalls eine Verdoppelung von 1,6 Mrd. RM auf 3,4 Mrd. RM statt, also ebenfalls eine Steigerung von 100 %. Im Dienstleistungssektor hat sich die Wertschöpfung vervierfacht von 1,0 Mrd. RM auf 4,0 Mrd. RM. Also eine Steigerungsrate von 400%. Im Bergbau fand ebenso eine Vervierfachung in der Wertschöpfung statt. Von 0,25 Mrd. RM auf 1,93 Mrd. RM, also auch hier wurde eine Steigerungsrate von 400 % erreicht.
Im Handel,- Banken,- und Versicherungswesen fand ebenfalls eine Vervierfachung in der Wertschöpfung von 1,08 Mrd. RM auf 4,4 Mrd. RM statt, also auch eine Wertsteigerung von 400%. Eine Verfünffachung ergab sich im Wohnungswesen von 0,48 Mrd. RM auf 2,43 Mrd. RM. Also eine Steigerungsrate von 500 %.
In der Industrie ergab sich auch eine Verfünffachung in der Wertschöpfung von 3,74 Mrd. RM auf 19,90 Mrd. RM. Also ebenfalls eine Steigerung von 500%. Im Verkehrswesen ergab sich sogar eine Verzehnfachung in der Wertschöpfung von 0,28 Mrd. RM auf 3,14 Mrd. RM. Also eine Steigerung von 1000 %. Lediglich im Bereich der häuslichen Dienste ist kaum eine Veränderung, im Vergleich zu den anderen Bereichen festzustellen. Lediglich von 1.0 14 Mrd. RM auf 1.061 Mrd. RM ist die Gewinnsteigerung in 43 Jahren, zwischen 1870 und 1913 auffällig niedrig, also eher stagnierend zu bezeichnen.
Das gesamte Volkseinkommen, was 1870 erwirtschaftet wurde im Vergleich zu 1913, welches man heute als Bruttosozialprodukt bzw. Brutto-Inlandsprodukt (BIP) bezeichnen würde,- zeigt das tatsächliche Volkswirtschaftliche Wachstum in 43 Jahren an: Von 14.16 Mrd. RM auf 48.48 Mrd. RM ergibt dies in etwa eine Vervierfachung des Volkswirtschaftlich erwirtschafteten Vermögens, somit eine Steigerungsrate von etwa 400 %. Das ergibt einen Durchschnittswert von etwa 10% Wachstumsrate im Jahr.
In den USA stieg zum Vergleich die Roh-Eisenproduktion von 3,8 Mio Tonnen im Jahre 1880 auf 27,7 Mio Tonnen im Jahre 1910, also 30 Jahre später ist eine Verachtfachung zu verzeichnen, also eine Steigerungsrate von 800%. Russland im Jahre 1880 produzierte nur 0, 4 Mio t Roheisen, im Jahre 1910 jedoch 3,0 Mio t. Hier ist ebenfalls eine Verachtfachung in der Produktion zu verzeichnen, also auch eine Steigerungsrate von 800%.
An dritter Stelle folgt nun schon Deutschland mit Luxemburg, das 1880 rund 2,7 Mio t Roheisen erzeugte, dreißig Jahre später, im Jahre 1910 schon 14,7 Mio t Roheisen produzierte, was immerhin eine Verfünffachung darstellt, also eine Wachstumsrate von 500%. Belgien steigerte seine Produktion von 0,6 Mio t auf 1,8 Mio t, verdreifacht also in etwa seine Produktion und hat somit eine 300%ige Gewinnsteigerung zu verzeichnen.
Österreich-Ungarn ist bei einer Ausgangslage von 0,7 Mio t im Jahre 1880 auf 2,0 Mio t im Jahre 1910 gekommen, was etwas mehr als eine Verdopplung darstellt mit etwas über 100% Steigerungsrate.
Schließlich kommt Frankreich mit einer Ausgangsproduktion von 1,7 Mio t im Jahre 1880, das seine Produktion auf 4,0 Mio t steigern konnte, also etwa eine Verdopplung der Produktion erreichte, was immerhin noch eine Steigerung von 100% ausmacht. Schweden liegt 1880 bei einer Produktion von 0,3 Mio t Roheisen. Im Jahre 1910 bei 0,6 Mio t. Und hat somit seine Produktionskapazität ebenfalls verdoppelt und eine Steigerung von 100 % erreichen können. An letzter Stelle steht interessanterweise Großbritanien mit einer Produktion von 7,8 Mio t Roheisen im Jahre 1880 und erlangt im Jahre 1910 nur 10,1 Mio t, was zwar wesentlich mehr Roheisen in Tonnen darstellt als zB. Schweden mit nur 0,6 Mio t,- aber da hier nur eine knapp 1,3 fache Erhöhung der Produktion zu ersehen ist, was einer Steigerungsrate von 13% entspricht, tritt Großbritanien was das Wirtschaftswachstum in der Montanindustrie anbetrifft erheblich vor den anderen Ländern zurück.
Um einen Überblick auf die gesamte Weltproduktion von Roheisen und seine Entwicklung in 30 Jahren zu erhalten, so ist im Jahre 1880, also so ziemlich noch in der Mitte der industriellen Revolution eine Weltproduktion von 18,4 Mio t Roheisen zu verzeichnen, im Jahre 1910 jedoch eine Weltproduktion von 65,8 Mio t Roheisen zu verzeichnen. In 30 Jahren hat sich die Produktion von Roheisen weltweit also etwas mehr als vervierfacht, was einer prozentualen Steigerung von etwas mehr als 400% Wachstumsrate entspricht.
Dies zeigt, dass sich die industrielle Revolution besonders stark in der Stahlproduktion niederschlägt und einen wichtigen Faktor darstellt. Es zeigt auch, das Deutschland mit einer Verfünffachung seiner Produktionskapazität im Roheisensektor, was die prozentualen Steigerungsraten anbetrifft, nun weltweit an 3. Stelle steht.