19.07.2007 Minderheiten fühlen sich bei Erdogans AKP gut aufgehoben. Von BettinaDittenberger, Istanbul
Türkische Christen wählenislamisch-konservativ
(KNA) Wenn aus den türkischen Parlamentswahlen am Sonntagdie in den Umfragen favorisierte islamisch-konservative AKP als Siegerin hervorgeht, wirdsich außer der Stammwählerschaft eine weitere Gruppe freuen: Die Christen in der Türkeihoffen überwiegend auf eine Fortsetzung der bisherigen Regierung von MinisterpräsidentRecep Tayyip Erdogan und seiner Partei.
Denn während die AKP in Europa oft alsislamistisches Schreckgespenst beschrieben wird, sehen die Christen in der Türkei diesganz anders: Weil sie sich von der AKP besser behandelt fühlen als von früherenRegierungen, weil sie den Nationalismus der Opposition fürchten und weil sie wie die AKPfür den EU-Beitritt ihres Landes eintreten, wollen die meisten Angehörigen derchristlichen Minderheiten am Sonntag die islamische Partei wählen.
"Die AKP ist -im Gegensatz zu den anderen politischen Parteien - den religiösen Minderheiten gegenüberaufgeschlossen und gesprächsbereit", begründet Etyen Mahcupyan, Chefredakteur dertürkisch-armenischen Wochenzeitung "Agos", die Präferenz der christlichen Minderheitenfür die Regierungspartei mit den islamischen Wurzeln. Nicht nur weltanschaulich stehe dieAKP den Ansichten der nicht-muslimischen Minderheiten näher als die anderen Parteien,auch praktisch: "Sie will die Probleme der Minderheiten lösen, auch wenn ihr das (vomStaat) nicht gestattet wird. Sie ist uns gegenüber gutwilliger als die anderenParteien."
Mahcupyan verweist auf das Gesetz, mit dem den christlichenMinderheiten der Grundbesitz zurückerstattet werden sollte, der ihnen über Jahrzehntedurch staatliche Enteignungen entrissen worden war. "Es war die AKP, die sich darumbemüht hat, und es waren die kemalistische CHP und die nationalistische MHP, die das zuverhindern versuchten", erinnert der "Agos"-Chefredakteur, der auf diesem Posten dem imJanuar ermordeten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink nachfolgte. Das Gesetzwurde im vergangenen Jahr zwar nach langem Gerangel mit der AKP-Mehrheit im Parlamentverabschiedet, scheiterte dann aber am Veto des - kemalistischen - StaatspräsidentenAhmet Necdet Sezer.
"Wir Armenier ziehen die AKP der oppositionellen CHP vor",sagte kürzlich auch Patriarch Mesrob II., das Oberhaupt der armenisch-orthodoxen Kirchein der Türkei, in ungewohnter Offenheit dem "Spiegel". "Die AKP ist im Umgang mitMinderheiten geradliniger und weniger nationalistisch. Die Regierung Erdogan hat einoffenes Ohr für uns - bei den nächsten Wahlen wählen wir sie."
Mit rund 80.000sind die Armenier die größte christliche Minderheit in der Türkei. Gefolgt werden sie vonden syrisch-orthodoxen und syrisch-katholischen Christen, die zusammen etwa 25.000Gläubige zählen - und ebenfalls zur AKP neigen. "Wir sind nicht unzufrieden mit dergegenwärtigen Regierung", sagte Zeki Basatemir von der syrisch-katholischen Kirchekürzlich der Zeitung "Today's Zaman". "Wir halten sie für fähig, unsere Probleme zulösen." Populär ist die Regierungspartei bei den syrisch-orthodoxen Christen, derenRückkehr in ihre angestammte Heimat in Südostanatolien nach Jahrzehnten der Vertreibungdie Behörden heute aktiv unterstützen.
Eine Präferenz für die AKP gibt es auch beiden griechisch-orthodoxen Christen, die mit etwa 2.000 Mitgliedern allerdings zahlenmäßigso gut wie bedeutungslos geworden sind. Vor allem mit der Abschaffung der"Minderheitenkommission" - einem halblegalen Gremium zur Kontrolle der christlichenMinderheiten - habe die AKP-Regierung das Vertrauen der Christen gewonnen, sagt derChefredakteur der griechischen Gemeindezeitung "Apoyevmatini", Mihail Vasiliadis, dersich seit dem Amtsantritt der AKP-Regierung wohler fühlt in seinem Land: "Da musste dieAKP an die Macht kommen, damit ich mich erstmals in 60 Jahren als vollwertiger Bürgerfühlen kann."
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