Zukunftsvision: Kein EU-Beitritt der Türkei
15.09.2008 um 21:09
Mal etwas zu dem auch vorhandenen Strukturen der Türkei, die den Beitritt sicherlich nicht begünstigen
Der Kulturanthropologe Werner Schiffauer interpretiert „Ehre“ in den vom Islam und von dörflichen Strukturen geprägten Gesellschaften als die „Integrität, die Unantastbarkeit und Unbescholtenheit eines Haushaltes“. Wer ein Mitglied der Familie angreift oder eine der Frauen beleidigt, verletzt die „Ehre“ der Familie. Sie wird aber auch verletzt, „wenn sich ein Familienmitglied ,unehrenhaft' verhält, das heißt als Mann in den Ruf eines ,Feiglings', als Frau in den Ruf einer ,Hure' gerät. In beiden Fällen sind alle anderen Familienmitglieder mit betroffen: Von ihnen wird verlangt, die ,befleckte' Familienehre zu ,reinigen'.“
Dass diese Definition in den Fällen von „Verbrechen im Namen der Ehre“ beschönigend ist, zeigt eine aufschlussreiche empirische Untersuchung. Die Dicle-Universität im ostanatolischen Diyarbakir hat unter der Leitung des Arztes und Psychiaters Aytekin Sir mit Hilfe der Frauenorganisation Ka-mer 443 Männer aus der Stadt und aus der Umgebung zum Thema „Ehre“ befragt.
Auf die Frage, was Ehre sei, antworteten 32,9 Prozent: die Frau, meine Familie. 18,4 Prozent sagten, Ehre sei, was ihre Religion ihnen befehle; für 13,7 Prozent war mit Ehre das Ansehen des Mannes in der Öffentlichkeit gemeint; und jeder Zehnte verstand darunter „das Benehmen der Frau in der Öffentlichkeit“.
„Ohne Ehre“ ist für fast jeden Zweiten (48,5 Prozent) der Befragten, wer „zina“, Ehebruch, begeht, für zwölf Prozent ist die Ehre verloren, wenn die Frau den Ehebruch begeht, und für jeden Zehnten, wenn die Braut, Tochter, Schwester vor der Hochzeit die Jungfräulichkeit verliert.
Anklägerin der von der türkischen Republik geduldeten Ehrenmorde: Necla Kelek
Auf die Frage, was sittsames Verhalten oder einzuhaltender Brauch sei, nannten fast sechzig Prozent „die Regeln, die unsere Väter aufgestellt haben“, also die Traditionen; 17,7 Prozent nannten „die Einhaltung der religiösen Regeln“. Eine Abgrenzung von „Tradition“ und „religiöser Regel“ wurde nicht vorgenommen.
Die Frage, ob die Frau bei „Ehrverlust“ bestraft werden müsse, bejahten 83,7 Prozent, 16,3 Prozent verneinten sie. Als „Strafe“, die ihr in einem solchen Fall „zustünde“, verlangten 37,4 Prozent: „Sie muss getötet werden“; 25,8 Prozent würden sie verstoßen und sich scheiden lassen; 7,6 Prozent sagten: „Sie muss ins Haus eingeschlossen werden“; 3,3 Prozent: „Sie muss Selbstmord begehen.“
(Quelleund ganzer Text unter: http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~ED8A42FD0A9AD42179C379E0EC66E2472~ATpl~Ecommon~Scontent.html)