Link: www.welt.de (extern)Die Armenier sollen sich erst einmal bereit erklären, auf akademischer Ebene zudiskutieren... Aber nein...
1634 türkische Offiziere zum Tode verurteilt
Diegroße Istanbuler Konferenz über den Völkermord an den Armeniern könnte eine Trendwendemarkieren
Es hätte eine Diskussionsplattform werden können, auf der armenischeHistoriker ihren türkischen Kollegen einmal richtig hätten zeigen können, wie dasarmenische Volk 1915 bis 1917 von türkischer Hand vernichtet wurde. Aber die meistenzogen es vor, fernzubleiben. Vier armenische Historiker, die die Genozidthese vertreten,waren zur dreitägigen Konferenz "Neue Ansätze in den türkisch-armenischen Beziehungen" inIstanbul eingeladen worden, lehnten aber ab. So waren nur drei Verfechter derGenozidthese auf der Konferenz zugegen, die von ihren Gegnern ausgerichtet worden war -jenen Historikern also, die in der Deportation der armenischen Bevölkerungen durch dieosmanische Regierung keinen Genozid erblicken. Hilmar Kaiser, der israelische HistorikerYair Auron und Ara Sarafian vom Londoner Gomidas-Institut hörten sich an, was ihreKollegen zu sagen hatten. Das Ergebnis war interessant: Sarafian sagte am Ende zu,gemeinsame Projekte mit den türkischen Historikern des TTK zu erwägen (einer Institution,die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Genozid-These zu entkräften).
NeueForschungsergebnisse gab es vor allem von Yusuf Sarinay, der Dokumente präsentierte,wonach der osmanische Innenminister Talat Pascha ein strenges Vorgehen anordnete, um diedeportierten Armenier vor Übergriffen zu schützen, und auch persönlich die Todesurteilevon 1643 türkischen Offizieren, Soldaten und Funktionären unterzeichnete, die sich anDeportierten vergriffen hatten. Daß es solche Hinrichtungen gab, war schon früher klargewesen, neu war die persönliche Rolle Talat Paschas, der auf armenischer Seite alserbarmungsloser Armenier-Hasser und Architekt des "Genozids" gilt.
Derdeutsch-türkische Historiker Cem Özgönül präsentierte ein bemerkenswertes Debüt. Alserster türkischer Historiker überhaupt hat Özgönül die deutschen Dokumente desAuswärtigen Amtes unter die Lupe genommen und sie mit den Versionen verglichen, die (imAuftrag der Reichsregierung) 1919 vom protestantischen Armenier-Aktivisten JohannesLepsius veröffentlicht wurden. In "Der Mythos eines Völkermordes" (Önel-Verlag, 2006)vertritt Özgönül die These, daß Lepsius die Dokumente systematisch und massivmanipulierte, um übertriebene Dimensionen der armenischen Tragödie zu suggerieren(Opferzahlen), deren Ursache (armenische Freischärler) zu verharmlosen und derosmanischen Führung rassistische Motive zu unterstellen. Letztlich sei es Lepsius, soÖzgönül, um eine armenische Abspaltung vom osmanischen Reich gegangen. Özgönül meint, daßdie Manipulationen nur zum Teil dazu dienten, eine deutsche Mitschuld abzustreiten,sondern daß Lepsius unabhängig vom Außenministerium proarmenische Zieleverfolgte.
Wenn diese Ausführungen stimmen, dann ist die wichtigstedokumentarische Grundlage der Vertreter der Genozid-These erschüttert. Ein anderesStandbein, die sogenannten Andonian-Dokumente, erwiesen sich schon vor mehr als 20 Jahrenals Fälschung.
Hilmar Kaiser, ein namhafter Genozid-Verfechter, hörte sichÖzgönüls Ausführungen an, brachte aber keinerlei Einwände oder Kritik vor. Es wirdinteressant sein, diesen Aspekt der Diskussion in den nächsten Monaten zu verfolgen.Sollte Özgönüls Werk tatsächlich kritischer Prüfung standhalten, könnte es durchaus eineTrendwende in der Debatte über den Genozid an den Armeniern herbeiführen.
EinenVölkermord wird man in der Debatte immer behaupten können. Damals gab es den juristischenBegriff zwar nicht, aber gemäß der UN-Definitionen sind die Geschehnisse unschwer alsVölkermord einzuordnen. Türkische Historiker sagen aber, daß es keine Vernichtungsabsichtgab, daß die Opferzahlen auf armenischer Seite (durch Krankheit, Hunger und Übergriffe)nicht höher waren als die Zahl der Opfer auf türkischer Seite durch Krankheiten, Hungerund armenische Übergriffe, und daß es mithin keine "Singularität" des armenischen Leidsgab - ja, daß man den armenischen Aufständischen ähnliche Vorwürfe machen kann wie denOsmanen, nämlich Massaker an Zivilisten und systematische Vertreibungen in jenenGebieten, wo sie zeitweise die Macht hatten. Vielleicht kommen die armenischen Historikerja nächstes Mal doch, um ihren Standpunkt zu vertreten.