Deutsche zu wenig integrationsbereit
23.03.2007 um 16:58Deutsche zu wenig integrationsbereit
William Timken, Botschafter Amerikas inBerlin, wirft den Deutschen mangelnde Offenheit gegenüber Zuwanderern vor. Vor allem beiMuslimen versage die deutsche Gesellschaft mehrheitlich, kritisierte der US-Vertreter imInterview mit manager-magazin.de. Auf beiden Seiten gelte es, "verzerrte Wahrnehmungen"zu korrigieren.
mm.de: Herr Timken, für einen Botschafterengagieren Sie sich auf ungewöhnlichem Gebiet. Sie und Ihre Frau kümmern sich ummuslimische Migranten in Deutschland
Timken: Unser Engagement ist Teil einerPolitik, die der amerikanische Präsident nach den Attentaten vom 11. September 2001 insLeben gerufen hat. Er hielt es für wichtig, dass die USA weltweit mit der islamischenGemeinschaft ins Gespräch kommen. Für uns ist der Islam eine der großen Religionen derWelt und wir wollen damit klar machen, dass der 11. September ein Anschlag vonKriminellen und keinesfalls ein Angriff des Islams auf die USA ist.
mm.de: Wastun sie hier in Deutschland, um diesem Ziel näher zu kommen?
Timken: Wirsprechen mit den Führern der muslimischen Religionsgemeinschaften. Wir besuchen Schulenmit einem hohen Anteil muslimischer Jugendlichen. Wir haben auch ein speziellesAustauschprogramm mit den USA namens "Windows on America" speziell für muslimischeSchüler - weil wir herausgefunden haben, dass diese Gruppe bei allen anderenAustauschprogrammen stark unterrepräsentiert ist.
Hier in Berlin besuche ichauch regelmäßig eine Kiezinitiative der Berliner Polizei. Die Initiative kümmert sich umausländische Mitglieder von Jugendbanden, die in die Kriminalität abzurutschen drohen.Meine Frau und ich haben auch schon Jugendliche aus dieser Initiative in unsere Residenzeingeladen, zusammen mit beruflich erfolgreichen Vertretern der muslimischen Gemeinde.Diese können so den Kindern als positive Rollenvorbilder dienen.
mm.de: Siebewirten Gangmitglieder bei sich nach Hause? Das klingt, als ginge Ihr Engagement weitüber das Maß hinaus, das US-Präsident George Bush von Ihnen erwartet. Was fasziniert Sieso an der Arbeit mit jungen Migranten?
Timken: Die Richtung unseres Engagementsentspricht sicher dem, was sich die amerikanische Regierung wünscht. Aber Sie haben schonRecht:
Bei diesem Thema kommen sehr stark die persönlichen Überzeugungen meinerFrau und mir ins Spiel. Wir glauben zutiefst an den Wert kultureller Vielfalt. Und wirglauben daran, dass der beste Weg einander zu verstehen der direkte Dialog ist, daspersönliche Gespräch.
mm.de: Welches Feedback bekommen Sie in diesenpersönlichen Gesprächen? Was bräuchten jungen Migranten, um sich besser in die deutscheGesellschaft integrieren zu können?
Timken: Lassen Sie mich zunächstfesthalten, dass es uns nicht darum geht, Deutschland zu raten oder zu sagen, was es zutun hat, um Zuwanderer zu integrieren. Ausgangspunkt unseres Dialogs ist unsereErkenntnis: Wir müssen Amerika im Dialog mit der islamischen Welt besser erklären.
Ein Punkt aber, den wir aber zum Beispiel im Gespräch mit den Jugendlichen immerwieder gehört haben: Die deutschen Medien seien Ihnen gegenüber voreingenommen. JungerMuslim schlägt Deutschen zusammen - das gibt eine Meldung auf Seite eins. Junger Muslimhilft deutschem Rentner - keine Meldung. Als es im Herbst letzten Jahres Probleme inBerliner Schulen gab, erzählte mir eine muslimische Schülerin, dass ihr Freund 100 Eurobekommen hätte, wenn er für die Fotografen als Steinewerfer posiert hätte.
mm.de: Trotz solcher Auswüchse: Für die mangelnde Integration muslimischerJugendlicher lassen sich wohl kaum allein die Medien verantwortlich machen.
Timken: Sicher nicht, und natürlich darf man Integration nicht nur als Bringschulddes Gastlandes sehen. Die deutlichsten Worte kamen da interessanterweise von denmuslimischen Erwachsenen, die wir als Rollenvorbilder eingeladen hatten. Sinngemäß sagtensie den Jugendlichen: Hört auf zu jammern und nehmt Euer Leben endlich selbst in dieHand. Wer sich zum Beispiel keine Mühe gibt, die Sprache seines Gastlandes zu lernen, dermuss sich nicht wundern, wenn er keinen Erfolg hat.
mm.de: Auch in denUSA gibt es einen großen Anteil an muslimischen Bürgern, etwa sechs Millionen. Siescheinen deutlich besser in die US-Gesellschaft integriert zu sein als die deutschenMuslime. Woran liegt das?
Timken: Die USA sind eine Nation von Immigranten. Beiuns gibt es keine Trennung zwischen in den USA geborenen Amerikanern und zugewandertenAmerikanern - das erleichtert den Migranten die Identifikation mit ihrer neuen Heimat. InDeutschland gab es in den vergangenen 60 Jahren ein anderes Konzept. Einwanderer kamenals Arbeitskräfte auf Zeit, die einen vorübergehenden Personalengpass in der deutschenIndustrie überbrücken sollten. Aber dieses Konzept funktioniert nicht. Die Gastarbeitergehen nicht einfach wieder nach Hause, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
mm.de: Werden sich die restriktiven deutschen Einwanderungsgesetze in Zukunftaufrechterhalten lassen?
Timken: Deutschland muss seine eigenen Entscheidungenin diesem Bereich treffen. Aber lassen Sie es mich so formulieren: Die Osterweiterung derEU hat den Staus quo grundlegend verändert und wird zu mehr Aus- und Einwanderern führen.Gesetze, die noch vor zehn oder zwanzig Jahren adäquat gewesen waren, sind heutemöglicherweise nicht mehr zeitgemäß. Ich denke, dass Einwanderer sehr viel Positives zuder Entwicklung eines Landes beitragen.
mm.de: Braucht Deutschland in ersterLinie veränderte Zuwanderungsgesetze? Oder brauchen wir eine andere gesellschaftlicheEinstellung gegenüber Ausländern?
Timken: Die muslimischen Zuwanderern, mitdenen ich spreche, wünschen sich vor allem zwei Dinge: Sie möchten eine Chance aufwirtschaftlichen Erfolg, und sie möchten als vollwertige Bürger Deutschlands anerkanntwerden. Im Rahmen einer Veranstaltung, organisiert gemeinsam mit dem Verein "Bündnis fürDemokratie und Toleranz", hatten wir Vertreter der amerikanischen Muslime nach Berlineingeladen. An dem Titel einer Diskussionsrunde - "Muslime als Bürger" - nahmen die GästeAnstoß. Sie fragten mich, ob es morgen vielleicht eine Veranstaltung "Juden als Bürger"oder "Russische Immigranten als Bürger" gäbe. In den USA ist es undenkbar, dass sich einMuslim als irgendetwas anderes als ein Amerikaner sieht.
mm.de: Was können dieDeutschen von den USA lernen, um Integration zu fördern?
Timken: Auch in den USAhatten wir schwerwiegende Probleme mit dem Zusammenleben der verschiedenen ethnischenGruppen. Erst als wir begriffen, was diese Diskriminierung für andere Menschen bedeutete,wussten wir, dass wir Rassendiskriminierung bekämpfen mussten.
Seit dieserErkenntnis hat sich im Zusammenleben der verschiedenen Rassen und Kulturen in den USAeiniges verbessert - auch wenn noch viel zu tun bleibt. Ich will damit sagen: Integrationwird nicht durch Gesetze möglich gemacht, sondern durch Menschen, die aufeinanderzugehen. Die ihren Nachbarn zu sich einladen um herauszufinden, wie er wirklich ist.
mm.de: Was meinen Sie damit konkret?
Timken: Deutsche laden normalerweisekeine Immigranten zum Abendessen in Ihre Wohnung ein. Würden sie es tun, dann würden siefeststellen, dass auf beiden Seiten reichlich verzerrte Wahrnehmungen zu korrigierengibt. Hatten Sie schon einmal einen muslimischen Migranten bei sich zuhause zu Gast?
mm.de: Nein, nur den einen oder anderen amerikanischen Austauschschüler.
Timken: Sehen Sie. Letztlich geht es hier um den grundlegenden Gedanken, dassMenschen für sich und ihr Zusammenleben selbst verantwortlich sind. Amerikaner erwartennicht die Lösung ihrer Probleme von ihrer Regierung. Sie übernehmen selbst Verantwortung,und das zeigt sich auch in ihrem Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen.
Esgeht nicht darum, intellektuell darüber zu reflektieren, wie man Menschlichkeit fördertund bewahrt - sondern darum, konkret auf Migranten zuzugehen. Dieser Prozess findet inDeutschland nicht statt. In den USA zeigen wir im Alltag Interesse an jenen Menschen inunserer Nachbarschaft die anders sind - anstatt darauf zu warten, dass die Regierung dasProblem mit einem Dialogprogramm löst.
mm.de: Werden nicht auch ihreDialogprogramme mit deutschen Muslimen von der amerikanischen Regierung finanziert?
Timken: Nicht nur. Bei unserem Austauschprogramm "Windows on America" für muslimischeSchüler reichen die Regierungsmittel zum Bespiel bei Weitem nicht aus. Wir suchen deshalbnach neuen Finanzierungsmöglichkeiten und setzen dabei vor allem auf amerikanische unddeutsche Unternehmen. Sie sollen nicht nur Geld beisteuern. Wir hoffen darauf, dass siemit den Jugendlichen auch nach deren USA-Reise in Kontakt bleiben, ihnen vielleicht aufihrem weiteren Lebensweg helfen können. Die Resonanz der Unternehmen war bisher rechtpositiv, aber es liegt noch ein weites Stück Weg vor uns.
mm.de: Einige Deutschewürden Ihnen wahrscheinlich entgegnen, dass viele muslimische Einwanderer keinen großenWert auf Integration zu legen scheinen: Oft wollen sie nicht von ihren deutschen Nachbarnzum Abendessen eingeladen werden, und sie wollen auch nicht dass ihre Töchter vomdeutschen Bildungssystem profitieren und hier aufs Gymnasium oder zur Universität gehen.
Timken: Es gibt immer wieder Einzelfälle, mit denen sich solch eineMeinung scheinbar belegen lässt. Aber wenn man seine generelle Meinung über eineReligionsgemeinschaft immer nur an den allerkonservativsten Vertretern dieser Gruppefestmacht, dann könnte man auch bei Christen oder Juden zu sehr pessimistischenEinschätzungen hinsichtlich ihrer Integrationsbereitschaft kommen. Das Gros der Muslimein Deutschland möchte genauso ein Teil der deutschen Gesellschaft und der deutschenWirtschaft sein, wie sich Zuwanderer überall auf der Welt in ihrer neuen Heimat zuhausefühlen möchten.
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,473366-4,00.html
Was meint ihr dazu ?
William Timken, Botschafter Amerikas inBerlin, wirft den Deutschen mangelnde Offenheit gegenüber Zuwanderern vor. Vor allem beiMuslimen versage die deutsche Gesellschaft mehrheitlich, kritisierte der US-Vertreter imInterview mit manager-magazin.de. Auf beiden Seiten gelte es, "verzerrte Wahrnehmungen"zu korrigieren.
mm.de: Herr Timken, für einen Botschafterengagieren Sie sich auf ungewöhnlichem Gebiet. Sie und Ihre Frau kümmern sich ummuslimische Migranten in Deutschland
Timken: Unser Engagement ist Teil einerPolitik, die der amerikanische Präsident nach den Attentaten vom 11. September 2001 insLeben gerufen hat. Er hielt es für wichtig, dass die USA weltweit mit der islamischenGemeinschaft ins Gespräch kommen. Für uns ist der Islam eine der großen Religionen derWelt und wir wollen damit klar machen, dass der 11. September ein Anschlag vonKriminellen und keinesfalls ein Angriff des Islams auf die USA ist.
mm.de: Wastun sie hier in Deutschland, um diesem Ziel näher zu kommen?
Timken: Wirsprechen mit den Führern der muslimischen Religionsgemeinschaften. Wir besuchen Schulenmit einem hohen Anteil muslimischer Jugendlichen. Wir haben auch ein speziellesAustauschprogramm mit den USA namens "Windows on America" speziell für muslimischeSchüler - weil wir herausgefunden haben, dass diese Gruppe bei allen anderenAustauschprogrammen stark unterrepräsentiert ist.
Hier in Berlin besuche ichauch regelmäßig eine Kiezinitiative der Berliner Polizei. Die Initiative kümmert sich umausländische Mitglieder von Jugendbanden, die in die Kriminalität abzurutschen drohen.Meine Frau und ich haben auch schon Jugendliche aus dieser Initiative in unsere Residenzeingeladen, zusammen mit beruflich erfolgreichen Vertretern der muslimischen Gemeinde.Diese können so den Kindern als positive Rollenvorbilder dienen.
mm.de: Siebewirten Gangmitglieder bei sich nach Hause? Das klingt, als ginge Ihr Engagement weitüber das Maß hinaus, das US-Präsident George Bush von Ihnen erwartet. Was fasziniert Sieso an der Arbeit mit jungen Migranten?
Timken: Die Richtung unseres Engagementsentspricht sicher dem, was sich die amerikanische Regierung wünscht. Aber Sie haben schonRecht:
Bei diesem Thema kommen sehr stark die persönlichen Überzeugungen meinerFrau und mir ins Spiel. Wir glauben zutiefst an den Wert kultureller Vielfalt. Und wirglauben daran, dass der beste Weg einander zu verstehen der direkte Dialog ist, daspersönliche Gespräch.
mm.de: Welches Feedback bekommen Sie in diesenpersönlichen Gesprächen? Was bräuchten jungen Migranten, um sich besser in die deutscheGesellschaft integrieren zu können?
Timken: Lassen Sie mich zunächstfesthalten, dass es uns nicht darum geht, Deutschland zu raten oder zu sagen, was es zutun hat, um Zuwanderer zu integrieren. Ausgangspunkt unseres Dialogs ist unsereErkenntnis: Wir müssen Amerika im Dialog mit der islamischen Welt besser erklären.
Ein Punkt aber, den wir aber zum Beispiel im Gespräch mit den Jugendlichen immerwieder gehört haben: Die deutschen Medien seien Ihnen gegenüber voreingenommen. JungerMuslim schlägt Deutschen zusammen - das gibt eine Meldung auf Seite eins. Junger Muslimhilft deutschem Rentner - keine Meldung. Als es im Herbst letzten Jahres Probleme inBerliner Schulen gab, erzählte mir eine muslimische Schülerin, dass ihr Freund 100 Eurobekommen hätte, wenn er für die Fotografen als Steinewerfer posiert hätte.
mm.de: Trotz solcher Auswüchse: Für die mangelnde Integration muslimischerJugendlicher lassen sich wohl kaum allein die Medien verantwortlich machen.
Timken: Sicher nicht, und natürlich darf man Integration nicht nur als Bringschulddes Gastlandes sehen. Die deutlichsten Worte kamen da interessanterweise von denmuslimischen Erwachsenen, die wir als Rollenvorbilder eingeladen hatten. Sinngemäß sagtensie den Jugendlichen: Hört auf zu jammern und nehmt Euer Leben endlich selbst in dieHand. Wer sich zum Beispiel keine Mühe gibt, die Sprache seines Gastlandes zu lernen, dermuss sich nicht wundern, wenn er keinen Erfolg hat.
mm.de: Auch in denUSA gibt es einen großen Anteil an muslimischen Bürgern, etwa sechs Millionen. Siescheinen deutlich besser in die US-Gesellschaft integriert zu sein als die deutschenMuslime. Woran liegt das?
Timken: Die USA sind eine Nation von Immigranten. Beiuns gibt es keine Trennung zwischen in den USA geborenen Amerikanern und zugewandertenAmerikanern - das erleichtert den Migranten die Identifikation mit ihrer neuen Heimat. InDeutschland gab es in den vergangenen 60 Jahren ein anderes Konzept. Einwanderer kamenals Arbeitskräfte auf Zeit, die einen vorübergehenden Personalengpass in der deutschenIndustrie überbrücken sollten. Aber dieses Konzept funktioniert nicht. Die Gastarbeitergehen nicht einfach wieder nach Hause, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
mm.de: Werden sich die restriktiven deutschen Einwanderungsgesetze in Zukunftaufrechterhalten lassen?
Timken: Deutschland muss seine eigenen Entscheidungenin diesem Bereich treffen. Aber lassen Sie es mich so formulieren: Die Osterweiterung derEU hat den Staus quo grundlegend verändert und wird zu mehr Aus- und Einwanderern führen.Gesetze, die noch vor zehn oder zwanzig Jahren adäquat gewesen waren, sind heutemöglicherweise nicht mehr zeitgemäß. Ich denke, dass Einwanderer sehr viel Positives zuder Entwicklung eines Landes beitragen.
mm.de: Braucht Deutschland in ersterLinie veränderte Zuwanderungsgesetze? Oder brauchen wir eine andere gesellschaftlicheEinstellung gegenüber Ausländern?
Timken: Die muslimischen Zuwanderern, mitdenen ich spreche, wünschen sich vor allem zwei Dinge: Sie möchten eine Chance aufwirtschaftlichen Erfolg, und sie möchten als vollwertige Bürger Deutschlands anerkanntwerden. Im Rahmen einer Veranstaltung, organisiert gemeinsam mit dem Verein "Bündnis fürDemokratie und Toleranz", hatten wir Vertreter der amerikanischen Muslime nach Berlineingeladen. An dem Titel einer Diskussionsrunde - "Muslime als Bürger" - nahmen die GästeAnstoß. Sie fragten mich, ob es morgen vielleicht eine Veranstaltung "Juden als Bürger"oder "Russische Immigranten als Bürger" gäbe. In den USA ist es undenkbar, dass sich einMuslim als irgendetwas anderes als ein Amerikaner sieht.
mm.de: Was können dieDeutschen von den USA lernen, um Integration zu fördern?
Timken: Auch in den USAhatten wir schwerwiegende Probleme mit dem Zusammenleben der verschiedenen ethnischenGruppen. Erst als wir begriffen, was diese Diskriminierung für andere Menschen bedeutete,wussten wir, dass wir Rassendiskriminierung bekämpfen mussten.
Seit dieserErkenntnis hat sich im Zusammenleben der verschiedenen Rassen und Kulturen in den USAeiniges verbessert - auch wenn noch viel zu tun bleibt. Ich will damit sagen: Integrationwird nicht durch Gesetze möglich gemacht, sondern durch Menschen, die aufeinanderzugehen. Die ihren Nachbarn zu sich einladen um herauszufinden, wie er wirklich ist.
mm.de: Was meinen Sie damit konkret?
Timken: Deutsche laden normalerweisekeine Immigranten zum Abendessen in Ihre Wohnung ein. Würden sie es tun, dann würden siefeststellen, dass auf beiden Seiten reichlich verzerrte Wahrnehmungen zu korrigierengibt. Hatten Sie schon einmal einen muslimischen Migranten bei sich zuhause zu Gast?
mm.de: Nein, nur den einen oder anderen amerikanischen Austauschschüler.
Timken: Sehen Sie. Letztlich geht es hier um den grundlegenden Gedanken, dassMenschen für sich und ihr Zusammenleben selbst verantwortlich sind. Amerikaner erwartennicht die Lösung ihrer Probleme von ihrer Regierung. Sie übernehmen selbst Verantwortung,und das zeigt sich auch in ihrem Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen.
Esgeht nicht darum, intellektuell darüber zu reflektieren, wie man Menschlichkeit fördertund bewahrt - sondern darum, konkret auf Migranten zuzugehen. Dieser Prozess findet inDeutschland nicht statt. In den USA zeigen wir im Alltag Interesse an jenen Menschen inunserer Nachbarschaft die anders sind - anstatt darauf zu warten, dass die Regierung dasProblem mit einem Dialogprogramm löst.
mm.de: Werden nicht auch ihreDialogprogramme mit deutschen Muslimen von der amerikanischen Regierung finanziert?
Timken: Nicht nur. Bei unserem Austauschprogramm "Windows on America" für muslimischeSchüler reichen die Regierungsmittel zum Bespiel bei Weitem nicht aus. Wir suchen deshalbnach neuen Finanzierungsmöglichkeiten und setzen dabei vor allem auf amerikanische unddeutsche Unternehmen. Sie sollen nicht nur Geld beisteuern. Wir hoffen darauf, dass siemit den Jugendlichen auch nach deren USA-Reise in Kontakt bleiben, ihnen vielleicht aufihrem weiteren Lebensweg helfen können. Die Resonanz der Unternehmen war bisher rechtpositiv, aber es liegt noch ein weites Stück Weg vor uns.
mm.de: Einige Deutschewürden Ihnen wahrscheinlich entgegnen, dass viele muslimische Einwanderer keinen großenWert auf Integration zu legen scheinen: Oft wollen sie nicht von ihren deutschen Nachbarnzum Abendessen eingeladen werden, und sie wollen auch nicht dass ihre Töchter vomdeutschen Bildungssystem profitieren und hier aufs Gymnasium oder zur Universität gehen.
Timken: Es gibt immer wieder Einzelfälle, mit denen sich solch eineMeinung scheinbar belegen lässt. Aber wenn man seine generelle Meinung über eineReligionsgemeinschaft immer nur an den allerkonservativsten Vertretern dieser Gruppefestmacht, dann könnte man auch bei Christen oder Juden zu sehr pessimistischenEinschätzungen hinsichtlich ihrer Integrationsbereitschaft kommen. Das Gros der Muslimein Deutschland möchte genauso ein Teil der deutschen Gesellschaft und der deutschenWirtschaft sein, wie sich Zuwanderer überall auf der Welt in ihrer neuen Heimat zuhausefühlen möchten.
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,473366-4,00.html
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