Gegen falsches Gedenken
24.01.2007 um 08:36
@"Socialist"
"es zehrt an den nerven JEDEN tag seine argumente zu wiederholen.....
aber wenn dus so willst
1.jeder hatte arbeit
2.jeder bekam neausbildung
3.die gemeinschaftlichkeit
4.keine armut
5.keine nazis
6.eine ordentliche jugenderziehung
7.ein leitbild
etc.pp.
Bisauf Punkt 5. erinnert mich das an die Argumente meiner Grosseltern zu den Vorzügen desFaschismus.
Sorry Genosse,
aber ich habe mich in den Siebzigern intensiver mitder Ökonomie der DDR beschäftigt, ganz so optimistisch würde ich die damalige Situationnicht beurteilen wollen. Na gut, bei manchen (s.o.) verklärt der Rückblick dieRealitäten.
Wenn ich die Tatsache, dass jeder Arbeit hat, über die Frage nach demgesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Sinn der Arbeit stelle, dann bin ichnatürlich zufrieden, wenn jeder irgendwie so tut, als täte er etwas. Freitag ab einsmacht jeder seins, wie sich die älteren DDR-Bürger noch erinnern.
Die Frage, werwelche Ausbildung bekam, richtete sich, wie in der BRD, nach ökonomischenNotwendigkeiten, nur sehr selten nach den individuellen Interessen desAusbildungsplatzsuchenden. Die Tatsache, dass jemand einen Ausbildungsplatz hat, sagtnichts über die Qualität dieses Platzes aus. He, hallo Stift, hol mir mal ne Flasche Bier- galt dort wie hier.
Die "Gemeinschaftlichkeit", mal als Volksgemeinschaft, mal alsSolidarität deklariert, wird rückblickend gern als das grosse Plus der DDR gefeiert. Alsich damals mit Genossen aus der DDR sprach, redeten sie anders (nach dem 3. Bier): derKonkurrenzdruck und der Neid, die Intrige gehörten zum Handwerkszeug in Partei undKombinat. Wurde irgendwo ein guter Posten frei, begann das Rattenrennen. Mobbing war, wiein vergleichbaren Institutionen im Westen, an der Tagesordnung. Nicht wenige Genossentrugen die Säge für den Stuhl des Genossen in der Tasche. Dass man sich gelegentlich inder Datsche kollektiv die Birne zuzog, gehörte zur Schmierung des Systems, ähnlich wie imWesten. Die gearschten waren, wie anderswo auch, die Frauen. Für die DDR-Mutti galtKarriere, politische zumal, als so anrüchig wie im Westen. Davor sei die markige Faustdes sozialistischen Ehemannes.
Armut ist natürlich relativ. Sicherlich würde einALDI-Filialleiter seinen Vetrag kündigen, würde man ihm Honeckes Villa in Wandlitz alsBetriebswohnung zuweisen, um mal die Relativität von "Reichtum" darzustellen. Aber dieLebenssituation vieler Bürger der DDR war am unteren Rande des Existenzminimumsangesiedelt. Niedriglohngruppen gab es dort wie hier, vor allem für Frauen. Viele Rentnerkonnten nur dank ihres Reiseprivilegs über die Runden kommen. Versorgungsengpässe tatenein Übriges.Okay, verhungert ist keiner, aber das ist auch heute nicht der Fall.
"Keine Nazis" zählt zu den grossen Lebenslügen der DDR. Sowohl in Wirtschaft,Politik, Kultur und Militär sassen gewendete Faschisten. Wie im Westen griff man beimWiederaufbau auf "bewährte" Leute zurück. Dazu empfehle ich jedem das "Braunbuch DDR" ausden späten Siebzigern. Vielleicht gibt's das noch antiquarisch. Unabhängig davon gab eseine, wenn auch verdeckte, faschistische Opposition, zumindest in den Achtzigern, als esunter einigen Jugendlichen als chic galt, "rechts" zu sein. Auf diese Strukturen konntendie West-Faschisten nach 1989/90 zurückgreifen.
Ordentliche Jugenderziehung ist soein abgelatschter Gummibegriff. Was ist "ordentlich"? Wer ist besoffen und stinkt wie einTier? Der Junge Pionier!
Warum eigentlich sind alle Weltverbesserer oder die, diesich dafür halten, für eine kollektive Zwangserziehung der Jugend. Freiheit scheint ihnenAngst zu machen.
Wohin das Leitbild geführt hat, sehen wir 1989/90: Rein in denTrabbi und raus, Begrüssungsgeld auf den Kopf hauen, Kredite aufnehmen bis zum Anschlagund konsumiert wie geschmiert. Dann gerne herumjammern, dass einem keiner gesagt hat, wieböse der Kapitalismus sein. Da haben Mandy und Maik offenbar beiMarxismus-Leninismus-Schulung komplett auf Durchzug gestellt. Sie hätten es besser wissenmüssen, die kleinen Dösis. Nach dem Jammern Sündenbocksuche und Pogromstimmung wie inRostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda und anderswo. Die ausgleichende Gerechtigkeit mitdem Baseball-Schläger und Springerstiefel gesucht. Wie sagte mir vor 15 Jahren ein alterPDS-Genosse aus Rostock: Der Kapitalismus ist scheisse, er hat uns die ganzen Ausländerhergebracht. Wenn das die Konsequenz des Leitbildes ist, dann dürften diejenigen, die fürein sozialistisches Deutschland und internationale Solidarität gestorben sind, in ihrenGräbern rotieren. Und ich schäme mich, mit solchen Menschen die Partei zu teilen.