Hab den Artikel grad im i net gefunden.
Israel soll iranische Atomforscher ermordet habenMerkwürdige Unfälle, manipulierte Technik, tote Wissenschaftler: Israels Geheimdienst soll ein umfassendes Sabotage-Programm gegen Irans Atomprogramm betreiben, berichtet der "Daily Telegraph". Die Mossad-Agenten sind nicht die einzigen, die verdeckt in Iran operieren.
Es waren bedrohliche Töne, die der Präsident ausstieß: Schon bald, so tönte er, würden seine Waffen "jede Stadt in Israel zerstören". Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad fackelte nicht lange: Mit Einschüchterungen, und wo das nicht half, mit Briefbomben versuchten die Agenten, die Wissenschaftler von dem Projekt abzubringen. Am Ende kam es zu einer Reihe mysteriöser Unfälle; fünf Menschen starben. Die Mossad-Operation mit dem Namen "Damokles" führte zum gewünschten Ergebnis: Ägypten, damals regiert von Präsident Gamal Abd al-Nasser, gab sein seit Anfang der sechziger Jahre mit Hilfe deutscher Wissenschaftler betriebenes Raketenbauprogramm innerhalb eines Jahres auf.
Atom-Programm längst gestoppt?
Natürlich kann man die ägyptischen Raketenpläne von vor über vierzig Jahren nur bedingt mit dem möglichen iranischen Atomwaffenprogramm der Gegenwart vergleichen. Sicher, auch Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat Israel gedroht. Aber während Ägypten damals ohne Zweifel offensive Ambitionen hegte, sind die Nachrichtendienste der USA und anderer Staaten heute nicht einmal überzeugt, dass Iran überhaupt (noch) an einer Atombombe baut. Erst im Dezember 2007 erklärten 16 US-Geheimdienste im "National Intelligence Estimate" "mit großer Überzeugung", dass "Teheran im Herbst 2003 sein Programm zur Produktion von Nuklearwaffen gestoppt hat".
Brisante Aussage eines Analysten
Doch eine Parallele gibt es womöglich: Mit ähnlichen Methoden wie damals versucht der Mossad offenbar auch heute, eine Bedrohung aufzuhalten. So jedenfalls berichtet es der britische "Daily Telegraph". Dem Blatt zufolge hat Israels Geheimdienst in der jüngsten Vergangenheit Irans Atomprogramm nicht nur technisch sabotiert, sondern auch durch die Ermordung von Wissenschaftlern zu stoppen oder zu verzögern versucht. Die Zeitung zitiert Reva Bhalla, einen Analysten der Firma Stratfor, die eng mit US-Regierungsbehörden zusammenarbeitet, mit einer brisanten Aussage: "In Kooperation mit den USA haben verdeckte israelische Operationen sowohl darauf abgezielt, Schlüsselpersonal zu eliminieren, das in das Nuklearprogramm involviert ist, als auch die nukleare Versorgungskette Irans zu sabotieren."
Der Verdacht ist nicht neu
Und ein namentlich nicht genannter europäischer Geheimdienstler sekundiert laut "Daily Telegraph": "Israel hat keine Hemmungen gezeigt, Waffenforscher feindlicher Regimes in der Vergangenheit zu ermorden. Sie haben es im Falle Iraks getan und werden es im Falle Irans tun, wenn sie es können." Der Verdacht, der Mossad habe iranische Nuklearexperten ermordet, ist nicht neu. Schon im Falle des Anfang 2007 bei einem mysteriösen Unfall in der Uran-Anlage Isfahan gestorbenen Top-Wissenschaftlers Ardeshire Hassanpour gab es entsprechende Gerüchte. Neu ist jedoch, dass der "Telegraph" eine Reihe von - freilich teils anonymen - Quellen präsentiert, die solches Vorgehen des Mossad als Tatsache darstellen.
"Nasse Sachen"
So behauptet das Blatt unter Berufung auf "westliche Geheimdienst-Analysten" weiter, dass gleich mehrere kürzliche Todesfälle von Personen, die für das iranische Atomprogramm eine gewisse Bedeutung hatten, das Resultat israelischer Anschläge gewesen seien - und zwar sowohl auf europäischem Boden, wie auch in Iran selbst. Namen werden allerdings nicht genannt. Für einen Geheimdienst ist es immer peinlich, wenn eine Operation ruchbar wird, umso mehr, wenn sie das enthält, was man im Spionage-Jargon "nasse Sachen" nennt - also Ermordungen.
Weder neu noch originell
Auf der anderen Seite ist das angebliche Mossad-Vorgehen zwar in den Details interessant, aber als solches kaum überraschend. Israel nimmt die potentielle Bedrohung durch eine iranische Atombombe sehr ernst und dürfte dem Mossad schon lange Anweisungen gegeben haben, entsprechend zu agieren. Zudem ist der Versuch, Irans Projekt zu sabotieren, weder originell noch neu. Schon lange ist bekannt, dass der US-Auslandsgeheimdienst CIA und vermutlich auch sein britisches Pendant MI6 genau das versuchen. So ließ die CIA eine angeworbene Schweizer Ingenieursfamilie fehlerhaftes Material für das Atomprogramm an Iran liefern.
50 Zentrifugen explodiert
Anfang 2006 explodierten in der Atom-Einrichtung Natans 50 Zentrifugen, vermutlich, weil die CIA die Stromversorgung manipuliert hatte. Zusammen mit dem Mossad wiederum, berichtet der US-Journalist James Risen in seinem Buch "State of War", hat die CIA versucht, Computersysteme Irans zu manipulieren. Risen berichtet überdies von abenteuerlich fehlgeschlagenen Sabotageversuchen. Das gemeinsame Ziel dieser wie der aktuell enthüllten mutmaßlichen Mossad-Operationen ist klar: Irans Nuklearprogramm wenigstens aufzuhalten. So gesehen ist das Geheimdienstvorgehen eine Alternative zu einem Angriff auf die Atomanlagen. Ein solcher schien im vergangenen Jahr schon einmal kurz bevorzustehen.
USA sollten Bomben liefern
Denn wie die "New York Times" im Januar dieses Jahres enthüllte, hatte Israel die USA 2008 bereits um die Lieferung spezieller bunkerbrechender Bomben gebeten, um Iran angreifen zu können. Die damals noch von George W. Bush geführte Regierung lehnte allerdings ab - und verwies zur Beruhigung auf ihr eigenes, laut "New York Times" "massives" Sabotage-Programm, das sie Anfang 2008 gestartet habe. Über Ermordungen ist aus dem CIA-Programm öffentlich nichts bekannt. Aber die übrigen Maßnahmen dürften denen des Mossad ähneln. Es geht um Sabotage, Abwerbungen, wahrscheinlich auch Erpressungen, den Diebstahl von Unterlagen und Hardware, das Abhören von Gesprächen und den Einsatz von Spionage-Satelliten.
Überaggressiver Agenten-Einsatz
Iran ist, seit sein Atomprogramm 2002 bekannt wurde, das heißeste Ziel in der Welt der Geheimdienste. Zwar ist die CIA in dem Land eher schlecht aufgestellt, weil die USA dort seit der Revolution 1979 nicht einmal eine Botschaft betreiben; aber offenbar, so jedenfalls die "New York Times", hat Bush versucht, dies durch andere, zum Teil "experimentelle" Ansätze zu kompensieren. Allerdings ist der ausgiebige und skrupellose Einsatz von Agenten nicht nur eine Alternative zum Krieg, sondern auch zu ehrlicher Diplomatie. Schon im Januar warf die "New York Times" die Frage auf, wie der neue US-Präsident Barack Obama mit diesem speziellen Bush-Erbe umgehen werde. Denn Obama hat angekündigt, dass er den Dialog mit Teheran suchen werde. Sollte es zu iranisch-amerikanischen Konsultationen kommen, könnte ein überaggressiver Agenten-Einsatz ein Problem sein.
Arbeiteten CIA und Mossad zusammen?
Ob CIA oder Mossad dabei hinter einer spezifischen Operation stehen, dürfte dem Iran derweil egal sein. Beide Dienste werden dort ohnehin in einen Topf geworfen - und angesichts der langen Zusammenarbeit der beiden Spionage-Behörden ist das nicht einmal völlig abwegig. So ist durch die "New York Times" beispielsweise bekannt geworden, dass die Bush-Regierung nach der israelischen Bomben-Anfrage den Austausch zwischen CIA und Mossad über Iran intensivieren ließ. Dass automatisch auch die CIA über die laufenden Mossad-Operationen informiert wäre, kann man daraus aber nicht schließen. Es gehört zur israelischen Staatsräson, mit Partnern zusammen zu arbeiten, wo es geht, und darauf zu verzichten oder diese sogar hinters Licht zu führen, wenn es für nötig erachtet wird.
"Verhandlungen sind verlässlicher"
Mit Sicherheit aber sind die Israelis nicht die einzigen, die versuchen, Irans Atomprogramm zu sabotieren. Die Frage ist eher, wie effektiv dies überhaupt sein kann. Der "Daily Telegraph" zitiert in seiner Geschichte auch Vince Canastraro. Der ehemalige Terror-Abwehrchef der CIA sagt: "Man kann mit verdeckten Operationen nicht außenpolitische Ziele verfolgen. Man kann nicht einfach ein paar Leute loswerden und hoffen, damit Irans nukleare Kapazitäten zu beeinflussen." Verhandlungen und Abkommen, soll das wohl heißen, sind letztlich verlässlicher als "nasse Sachen".
http://nachrichten.t-online.de/c/17/70/64/46/17706446.html (Archiv-Version vom 19.02.2009)