Das sollte mal jeder lesen,wird wohl einigen hier nicht gefallen:
http://www.attac.de/globkrieg/reader/6.htm (Archiv-Version vom 24.04.2005)12 gebräuchliche Lügen überIsrael und Palästina Von Uri Avneri, 21.10.2000
Lüge Nr. 1: "Barak hat allesdaran gesetzt um einen Frieden zu erreichen."
In Wahrheit hat er alles daran gesetztSiedlungen zu bauen. Seit seinem ersten Tag im Amt hat er das Tempo erhöht beim Bau neuerSiedlungen (unter dem Vorwand schon bestehende Siedlungen zu "erweitern"), bei derLandenteignung, bei der Zerstörung palästinensischer Eigenheime und beim Bau von"Umgehungsstraßen" (deren Hauptzweck darin besteht, palästinensische Grundstücke den"Siedlungsblöcken" hinzuzufügen, die er Israel einverleiben will). Bei all diesenAktivitäten hat Barak mehr unternommen als Netanjahu. Auch in politischer Hinsicht hat erNatanjahu übertroffen: Bibi hat wenigstens den größeren Teil der Stadt Hebron denPalästinensern zurückgegeben. Barak hat keinen einzigen Zentimeter besetzten Territoriumszurückgegeben.
Lüge Nr. 2: " In Camp David ging Barak weiter als allePremierminister vor ihm."
Selbst wenn dies wahr wäre, würde es herzlich wenigbedeuten. Wenn ein Marathonläufer (Netanjahu) nach einem Kilometer aufgibt und einanderer (Barak) nach drei Kilometern, ist der Unter-schied nicht bedeutsam. Vielbedeutsamer ist, dass keiner von beiden auch nur annähernd in Reichweite des Ziels (42km) kommt. Baraks Vorschläge in Camp David lagen weit unter dem Minimum, das nötig wäre,um mit dem palästinensischen Volk und der ganzen arabischen Welt Frieden zu schließen:Palästinensische Souveränität über Ost-Jerusalem, insbesondere der Bezirk des Tempelbergs(Haram al-Sharif). Barak ließ in Camp David erkennen, dass er einige kosmetischeVeränderungen "in Betracht ziehen" könnte (und dabei brach er tatsächlich mit einigenisraelischen Tabus in Bezug auf Jerusalem). Nüchtern betrachtet verweigerte er aber denPalästi-nensern, den Arabern und Muslimen die Souverä-nität über den Tempelberg und dengrößeren Teil der benachbarten arabischen Quartiere in der Altstadt. Aus diesem Grundschlug der Gipfel fehl und die Eskalation begann und führte schließlich zur"Al-Aksa-Intifada".
Lüge Nr. 3: "Arafat ließ Camp David platzen."
Am Tagvor seiner Abreise zum Gipfel gab Barak fünf so genannte "Rote Linien" bekannt, die erunter keinen Umständen überschreiten wollte. Darunter waren: die israelische Souveränitätüber die ganze Altstadt von Jerusalem, keine Rückkehr zu den Grenzen von 1967, 80 Prozentder Siedler sollten bleiben, wo sie waren, keine Rückkehr auch nur eines einzigenFlüchtlings nach Israel! Später weichte er einige dieser Essentials auf, allerdings nichtgenug, um auch nur in die Nähe einer Vereinbarung zu kommen.
Lüge Nr. 4: "Immermüssen wir geben, geben, geben. Arafat gibt überhaupt nichts."
Als die Palästinensereiner Friedensregelung zustimmten, die auf der Grenzziehung vor 1967 beruhte (die GrüneLinie), gaben sie schon von vorneherein 78 Prozent ihres Lands zwischen dem Meer und demJordan auf. Sie sind bereit ihren Staat auf den restlichen 22 Prozent zu errichten.Unsere Regierung will einen "Kompromiss" über dieses Gebiet - ganz nach dem Motto: "Wasmein ist, ist mein, was dein ist, darüber wollen wir verhandeln." (Zum Hintergrund: DieUN-Teilungs-Resolution vom 29. November 1974 sprach dem jüdischen Staat 55 Prozent unddem arabischen Staat 45 Prozent von Palästina zu. In dem folgenden Krieg, den die Araberbegannen, eroberten wir die Hälfte des Territoriums, das dem arabischen Staat zugeteiltworden war. Auf diese Weise entstand die "Grüne Linie", die 78 Prozent des Landes inunserer Hand beließ.) Das Problem lässt sich aber nicht nur in Prozentpunkten ausdrücken.Barak scheint lediglich 10 Prozent vom besetzten Gebiet zu verlangen. Berücksichtigt manaber die Gebiete, die er im Großraum Jerusalem annektieren und im Jordantal unter seine"Sicherheitskontrolle" stellen will, sind es in Wirklichkeit fast 30 Prozent. Was abernoch schlimmer ist: Nach der Landkarte, die er den Palästinensern vorlegte, würden dieseProzentpunkte das Land von Osten nach Westen und von Norden nach Süden zerschneiden,sodass der Palästinenser-Staat aus einer Vielzahl von Inseln bestehen würde, von denenjede von israelischen Siedlern und Soldaten umgeben wäre.
Lüge Nr. 5: "Wie kannman mit den Palästinensern Frieden schließen, wenn sie jedes Abkommen brechen?"
Nun,die palästinensischen Vertragsverletzungen erblassen im Vergleich mit den unsrigen. Vordem Ende der fünfjährigen Übergangszeit (die im Mai 1998 endete), mussten dieisraelischen Streitkräft aus der ganzen Westbank und dem Gazastreifen abgezogen sein -mit Ausnahme bestimmter militärischer Posten, Siedlungen und Jerusalem. Barak weigertsich bis zum heutigen Tag diese Maßnahme durchzuführen. Auch sollten schon lange zuvorvier "sichere Transitwege" zwischen Gaza und der Westbank in Betrieb genommen werden.Tatsächlich wurde bisher erst einer eröffnet, und dieser kann von Palästinensern nurunter großen Schikanen benutzt werden.
Lüge Nr. 6: "Barak ist derTestamentsvollstrecker von Rabin."
Weit gefehlt. Innerhalb weniger Monate hat er esfertig gebracht, nicht nur alle Errungenschaften von Rabin zu zerstören, sondern auch dievon Begin gleich mit. Er hat das Oslo-Abkommen (das er von Anfang an ablehnte) zu Grabegetragen und er zerstörte die Beziehungen, die unter großer Mühe zwischen Israel undeiner Reihe arabischer Staaten aufgebaut worden waren. Er hat Unruhe unter den arabischenBürgern in Israel gesät. Er warf uns in vieler Hinsicht auf 1948, ja sogar auf 1936zurück.
Lüge Nr. 7: "Der Lynchmord von Ramallah hat gezeigt, dass die Araberwilde Tiere sind."
In einem Konflikt dieser Art zeigt jede Seite auf die Gräueltatender anderen und "vergisst" dabei die Gräueltaten der eigenen Seite. Israel weist auf denschrecklichen Lynchmord hin, die Palästinenser verweisen auf den 12-jährigen Muhammadal-Dira, der in den Armen seines Vaters erschossen wurde, und auf die Kugeln, die vonisraelischen Armee-Scharfschützen gezielt auf die Köpfe Steine werfender Kinderabgefeuert werden. Unsere Gewalttaten sind eine Reaktion auf die Aktionen derPalästinenser, deren Gewalttaten sind eine Antwort auf unsere. Es ist ein circulusvitiosus.
Lüge Nr. 8: "Die palästinensischen Medien sind ein Instrument derHetzpropaganda."
Das ist richtig, aber unglücklicherweise besteht diesbezüglich keingroßer Unterschied zu unseren Medien. Unsere und ihre Medien sprechen dieselbe Sprache,folgen denselben Anweisungen von oben. Wenn das palästinensische Fernsehen immer undimmer wieder die Bilder von dem sterbenden Jungen in den Armen seines Vaters zeigt, istdas Propaganda. Wenn unser Fernsehen Dutzende Male am Tag, Tag für Tag den grausamenLynch-mord von Ramallah zeigt, ist das auch Propaganda.
Lüge Nr. 9: "Sieschießen auf uns und die israelische Armee übt sich in Zurückhaltung."
Es ist nursonderbar, dass in zwei Wochen "Zurück-haltung" etwa 110 Palästinenser und dreiisraelische Soldaten getötet wurden. Diese seltsame Logik hat bisher noch keinisraelischer Offizier erklären können (abgesehen davon hat niemand von ihm eine Erklärungverlangt). Eine Erklärung liegt natürlich darin, dass die israelische Armee schon seitlangem Scharfschützen darauf trainiert, einzelne Personen aus den Demonstrantenauszuwählen, sie mit einem Zielfernrohr genau ins Visier zu nehmen und sie mit einemspeziellen tödlichen Hochgeschwindigkeitsgeschoss zu treffen. Anstatt, wie beabsichtigt,die Menge zu "pazifizieren", heizt diese Methode die Atmosphäre nur weiter an. JedeBeerdigung war wieder Ausgangspunkt für eine neue Konfrontation.
Lüge Nr. 10:"Die Araber schicken ihre Kinder gegen unsere Militärstellungen, damit sie getötetwerden, um der Weltöffentlichkeit Bilder davon zu präsentieren."
Das ist einschrecklicher Vorwurf, der einen wider-wärtigen Rassismus verrät. Er enthält den Glauben,dass arabischen Eltern der Tod ihrer Kinder gleich-gültig sei. In dem Kampf, den unsereUntergrund-organisation vor 1948 und während des Unabhän-gigkeitskriegs geführt hat,spielten Jungen und Mädchen eine wichtige Rolle. Die militärische Schulung vonpalästinensischen Jungen unterschei-det sich nicht von der Schulung unserer eigenen GadnaJugend-Bataillone. Der Junge, der 1948 einen syrischen Panzer beim Kibbuz Deganjazerstörte, wurde ein Nationalheld. Wenn ein Volk um seine bloße Existenz und um seineFreiheit kämpft, kann seine Jugend nicht abseits stehen. Ich selbst schloss mich derIrgun an, eine Organisation, die von den Briten als terroristisch eingestuft wurde. Dawar ich vierzehneinhalb Jahre. Mit 15 trug ich bereits Waffen. Es ist eine Illusion zuglauben, dass palästi-nensische Eltern ihre Kinder davon abhalten könnten, auf die Straßezu gehen und Steine zu werfen, solange sie unter einer grausamen Besatzung leben und ihreBrüder und Schwestern Beispiele für Heldentum und Opfermut abliefern. Es ist ganznatürlich, dass das palästinensische Volk stolz auf sie ist. Jeanne d'Arc war übrigensauch erst 16 Jahre alt, als sie das französische Heer in die Schlacht führte.
Lüge Nr. 11: "Es erweist sich aufs Neue, dass die ganze Welt gegen uns ist. Es sindalles Antisemiten."
Die öffentliche Meinung ist immer auf der Seite der Underdogs.In diesem Kampf sind wir Goliath und die anderen David. In den Augen der Welt kämpfen diePalästinenser einen Befreiungskrieg gegen eine fremde Besatzung. Wir sind in ihremTerritorium, nicht sie in unserem. Wir bauen Siedlungen in ihrem Land, nicht sie inunserem. Wir sind die Besatzer, sie sind die Opfer. Das ist die objektive Situation undkein Propagandaminister (wie Herr Nachman Shai) kann daran etwas ändern.
LügeNr. 12: "Wir haben keinen Partner für den Frieden."
Richtig, wir haben keinenPartner für einen Frieden, der den Palästinensern die Kapitulation vor einem israelischenUltimatum abverlangt. Wir haben sehr wohl einen Partner für einen Frieden, wenn er aufGleichheit und gegenseitigem Respekt beruht. Die Lösung ist ganz klar: Der StaatPalästina muss innerhalb der Grenzen errichtet werden, die vor 1967 bestanden, mitJerusalem als Hauptstadt beider Staaten. Ost-Jerusalem mit dem Tempelberg (Haramal-Sharif) muss den Palästinensern gehören, West-Jerusalem mit der Klagemauer und demjüdischen Viertel muss zu Israel gehören. Wenn diese Lösung im Grundsatz akzeptiert wird,können Verhandlungen über die anderen Probleme beginnen: gegenseitige Sicherheit,Austausch von Gebieten, eine moralische und praktische Lösung des Flüchtlingsproblems,Zugang zu Wasser usw. Dieser Frieden wird eines Tages kommen, denn die einzigeAlternative ist die Hölle für beide Seiten.
(Aus dem Englischen:Peter Strutynski)