Türken bei der SS
15.02.2008 um 23:28
@Modis
Bitte diesen unsinnige Diskussion löschen. Die SS hat Türken als Minderwertige Rasse betrachtet und katalogisiert, das Türken in der SS als freiwillige dienten ist ein übles Märchen.
Die Türken haben Hundertausende Juden das Leben gerettet und das ist kein Märchen:
Ülkümen, Selahattin, ein Retter
Das Beste ist es, unverhofft einen Menschen zu treffen, der Einem in der Sekunde des einander Ansehens das Gefühl gibt: DAS ist jemand!, den werde ich nie vergessen. Ein Augenblick, in dem alles wichtig wird. Im Gegensatz zu all dem Unwichtigen, mit dem man sich sonst so beschäftigt.
Der Mensch jedenfalls, von dem ich hier schreiben will, war nie an Shows oder Trends beteiligt und hat sich auch nicht um Modisches gekümmert. Er hat Leben gerettet, viele Leben.
Zuerst muss ich ein bisschen ausholen. Vor zehn Jahren arbeitete ich in einem Hamburger Museum, das wechselnde Ausstellungen meist über Zeitgeschichte zeigte. Eines Tages kamen wieder Lastwagen, vollgefüllt mit Dingen, der Ausstellungsraum füllte sich mit Leuten, diesmal Türken, die nicht so recht wussten, wo oder wie jetzt, und das Chaos brach aus, wie gewöhnlich. Wir standen da und überlegten, wohin mit den Sachen, wer schreibt die Texte, wie formuliert man Erklärungen für die Zeitungen und wohin hängen wir dieses große Bild von Atatürk? Die Ausstellung kam nämlich aus der Türkei und da ist es üblich, dass Atatürk in jedem Fall zu sehen sein muss. Nicht so leicht zu hängen, er soll isoliert sein, aber trotzdem nicht ganz allein und so weiter.
Übrigens, es war eine Ausstellung über "Fünfhundert Jahre Juden in der Türkei - The History of the Turkish Jews, 1492 - 1992" mit besonders viel Material über das 20. Jahrhundert.
Wir überlegten, wollen wir die Sachen chronologisch hinhängen oder nach ihrer Wichtigkeit? Und den Atatürk? Am besten fragt man einen von den türkischen Juden, was sie davon halten, wo sind sie denn - und da betrat Herr Oyala den Raum, ein türkisch-jüdischer Geschäftsmann, einer der Begründer der "Quincentennial Foundation", welche diese Ausstellung betrieb. Er war alt, so um die achtzig, wachsam, schnell und lustig, hatte seine Augen überall und trug eine englische graue Tweedjacke. Immer, jeden Tag, den er da war. Herr Oyala sprach gut englisch, aber manchmal wusste er ein Wort nicht, französisch ging es besser. Schön so, denn von unserer Seite sprach das nur ich. Und der Chef kümmerte sich nicht, also blieb es zum Glück an mir hängen. Ich belagerte Herrn Oyala und er erzählte ausgiebig vom Leben seiner Vorfahren in der Türkei seit ihrer Ankunft 1492, von seinen eigenen Erinnerungen, vom zweiten Weltkrieg. Was für ein kluger alter Herr! Wieviel er wusste! Nach einer halben Stunde fragte ich ihn, ob er sich mit seiner Familie eigentlich noch auf Ladino unterhielt, spaniolisch, die Sprache der sefardischen Juden? Er strahlte und sagte "Si! Pero se yama Judezmo!" Dann sprach er in seiner Muttersprache Judezmo weiter und wie wunderbar, ich verstand ihn vollkommen, denn ich hatte in Argentinien als Kind mal Spanisch gelernt und nie ganz vergessen. Sein Spanisch aus dem fünfzehnten Jahrhundert war viel, viel schöner als das in Argentinien gesprochene oder das zischende Kastilisch aus dem Radio.
So hörte es sich an: "Vemos las bueltas ke tiene la vida.
La vida es triste, munças vezes las persones no tienen piadad. Malorozamente, las kozas, la cente kayen en elolvido. Ma las ovras nunka se mueren. A la fin i al kavo ke es esta vida? Unos rekuerdos alegres otros tristes i algunas ovras.
Yo, en mi viaje a Alamanya estuve pensando todo esto. Me desi yevar por la istorya de mis antepasados, sus alegrias, sus tristezas, sus ideales."
So bauten wir die Ausstellung auf, mit Wechselreden von Herrn Oyalas zivilisiertem Altspanisch und meinem schlechten Argentinisch, und dann war Eröffnung. Das Gelände war voller Menschen, der Ausstellungsraum überfüllt, und da, in der Tür war Bewegung, die Leute machten Platz und ich sah einen kleinen Herrn in blauem Anzug -
- aber zunächst muss ich etwas über ihn schreiben und über das, was er getan hat, und weshalb all die Leute ihn so sehr erwarteten. Selahattin Ülkümen (beides betont auf der dritten Silbe), der türkische Oskar Schindler, wurde 1990 als erster Muslim in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Titel eines Gerechten der Völker ("Righteous Gentile", "Chassid Umot ha'Olam") geehrt. Dort pflanzte er einen kleinen Baum.
Als die Deutschen im Juli 1944 begannen, alle Juden auf der von ihnen besetzten griechischen Insel Rhodos nach Auschwitz zu deportieren, war Herr Ülkümen dort türkischer Generalkonsul. Auf sich allein gestellt schaffte er es, ungefähr 50 Juden zu retten, nur 13 davon waren türkische Staatsangehörige. Weitere Juden, am Ende 42 Familien und insgesamt mehr als 200 Menschen, rettete er mit Hilfe anderer Türken.
Einer der Fälle: Albert Franko war schon in den Zug von Piräus nach Auschwitz gepfercht, da ließ Herr Ülkümen ihn herausholen, weil er in letzter Minute erfahren hatte, dass Frankos Frau einen türkischen Pass besaß. Es war ein gefährliches Vabanquespiel, wie Ülkümen genau wusste, und er gewann es.
Es war zur Zeit, als die Deutschen in Auschwitz rund 400 000 Menschen in vier Monaten ermordeten, manchmal bis zu 12 000 Menschen am Tag. Eine Überlebende aus Rhodos, Matilda Toriel, berichtet, dass sie türkische Staatsangehörige war, mit einem Italiener verheiratet und auf Rhodos lebend. Am 18. Juli 1944 wurden allen Juden befohlen, am nächsten Morgen im dortigen Gestapo-Hauptquartier zu erscheinen. Herr Ülkümen wusste genau, was ihnen drohte. Als Frau Toriel gerade durch die Tür gehen wollte, sprach er sie an und hinderte sie, das Gebäude zu betreten - sie hatte den Mann nie zuvor gesehen. Er riet ihr, hier zu warten, denn er wolle versuchen, ihren Ehemann da herauszuholen. Dieser erzählte ihr später, dass Herr Ülkümen dort drinnen verlangte, dass die Deutschen alle türkischen Staatsangehörigen sowie deren Angehörigen gehen lassen sollten, insgesamt 15 Familien. Außerdem forderte er die Freilassung weiterer 25 bis 30 Menschen, von denen er behauptete, sie seien Türken, deren Staatsangehörigkeit erloschen sei. Der Gestapo traute ihm nicht und verlangte, die Papiere zu sehen, welche die Leute eben nicht hatten. Nichts zu machen. Doch kurz darauf kam Herr Ülkümen wieder hinein ins Gestapo-Hauptquartier und bestand darauf, dass nach türkischem Gesetz die Ehegatten von Türken selbst Türken seien - und so bekam er sie frei! Frau Toriel entdeckte später, dass solch ein Gesetz nicht existierte und Herr Ülkümen es einfach erfunden hatte. Jedoch alle anderen, rund 1700 Menschen, wurden nach Auschwitz deportiert.
Als die Deutschen herausbekamen, was Herr Ülkümen getan hatte, ließen sie als Vergeltung sein Haus bombardieren. Seine schwangere Frau kam darin um. Dann sperrten sie ihn ein.
Andere Diplomaten, die so todesmutig waren wie er, retteten zwischen 1938 und 1945 über 200 000 Menschen.
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Wo war ich stehengeblieben? ... Ja, ich sah einen kleinen alten Herrn in blauem Anzug, agil, gebräunt, der da hinten durch die Tür kam, die Leute machten Platz, das Stimmengewirr wurde schlagartig leiser. Das war Selahattin Ülkümen. Er sah Bekannte und verschwand sofort in einer Menschengruppe am Rand, da waren ausgebreitete Arme und Rufe. Ich blickte kurz auf den Boden vor mir; das war also ein Gerechter, ich hatte dort hinten einen Gerechten gesehen.
Später führte ich ein paar Leute an den Bildern entlang, die an den Stellflächen hingen, es ging um den Sultan Bayazid II, der als Einziger im Jahr 1492 die aus Spanien grausam vertriebenen Juden (die Sefarden) aufgenommen hat, so viele er eben sicher über's Meer bekam. Einen Moment lang stand ich allein da und guckte mir den Turban des Sultans an. Da bemerkte ich neben mir einen kleinen Herrn in blauem Anzug - und mir klopfte sofort das Herz, es war Herr Ülkümen, der da friedlich die Bilder und Gegenstände betrachtete. Es war zu spät, um mich leise zurückzuziehen, und ich sagte "Sir, it's such a great honour for me -". Herr Ülkümen drehte sich zu mir, lächelte aus ernsten dunklen Augen und sagte "But it's an honour for me...!" Dann gab mir der Gerechte die Hand, ging langsam weiter und ich stand da vom Donner gerührt mit zusammengeschnürter Kehle.
Später, während seiner kurzen Einweihungsrede, habe ich Herrn Ülkümen sagen hören: "I didn't know the Rhodes Jews. I had no dealings with them. I had no special ties with the Jews. I only had humanitarian feelings to every human being."