Der neue Rundfunkbeitrag kommt 2013 und erhitzt im Netz die Gemüter
Weit lehnt man sich wohl nicht aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass sich die Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - kurz: GEZ - noch nie sonderlich großer Beliebtheit erfreute. Doch je näher das Jahr 2013 mit der Umbenennung in "ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice" rückt, desto größer wird gerade in der Netzgemeinde die Wut: Bemaß sich die Gebühr, mit der die öffentlich-rechtlichen Sender finanziert werden, bisher nach der Art der vorhandenen Geräte, wird mit dem Jahreswechsel eine monatlicher Beitrag von 17,98 Euro pro Wohnung fällig. Das erzürnt vor allem Nicht-Fernseh-Besitzer, die bisher nur 5,76 Euro pro Monat zahlen mussten, und Bürger, die aus Mangel an Geräten oder Aufrichtigkeit gar keine Gebühr entrichteten. Doch nicht alle Vorwürfe, die Facebook-User auf den zahlreichen Anti-GEZ-Seiten erheben, sind bei genauerer Betrachtung haltbar.
Die Gruppen tragen Namen wie "GEZ abschaffen", "Nein zu Rundfunkbeitrag" oder "GEZ-Boykott" - und sie fordern im Prinzip alle das Gleiche: von den Lesern, die Gebührenzahlung zu verweigern, und vom Gesetzgeber, die Rundfunkgebührenordnung zu Grabe zu tragen. Die wenigsten Beschwerden haben direkt mit der anstehenden Neuordnung zu tun. Sie scheint vielmehr nur der Anlass zu sein, lange aufgestauten Frust loszuwerden.
Großer Beliebtheit erfreut sich etwa das alte Argument "Ich schaue nie die Öffentlich-Rechtlichen", das bisweilen gar noch auf die Radiostationen und Online-Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio übertragen wird. Zweifel sind fraglos hier angebracht. Mal abgesehen von "Musikantenstadl" und Freitagabend-Filmen im Ersten: Keine Olympischen Spiele, keine Fußballweltmeisterschaft? Kein "Dinner for One" zu Silvester, kein "Tatort" am Sonntagabend? Kein "neo paradise" mit Joko und Klaas, kein "Sherlock"? Ohnehin ist klar: Zu kontrollieren ist das bei 81,7 Millionen Einwohnern nicht.
Technikaffine Kritiker wie Facebook-User Andreas S. hätten da eine Idee: Eine digitale Verschlüsselung, nach dem Vorbild von Pay-TV-Sendern. Nur wer die öffentlich-rechtlichen Sender nutzen möchte, bekommt sie auch - und zahlt. "Das wäre nicht mehr die Idee von öffentlich-rechtlichem Rundfunk", gibt das Teilprojekt "Begleitkommunikation zum neuen Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio" zu bedenken - die Stelle, die sich der Presseanfragen zum neuen Rundfunkbeitrag annimmt. Im Grunde ist es nicht nur eine Idee, sondern der vom Gesetz erteilte Auftrag "Informationen, Kultur und Bildung ohne Zugangsbeschränkungen zur Verfügung zu stellen."
Mit "Staatsfernsehen", wie einige Facebook-User schimpfen, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk übrigens nichts zu tun - schon aus historischen Gründen: "Er ist entstanden als Gegenentwurf zu den Propagandamedien im Nationalsozialismus, berichtet unabhängig und stützt die Demokratie und die moderne Gesellschaft", erinnert das Teilprojekt "Begleitkommunikation zum neuen Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio". Über die Einhaltung des Sendeauftrags wacht der Rundfunkrat, der sich aus Vertretern verschiedenster gesellschaftlicher und politischer Gruppen zusammensetzt.
Sehr stark vereinfacht könnte man die Pflicht, Rundfunkgebühren zu zahlen mit der vergleichen, zur Schule gehen zu müssen: Man will es als Betroffener nicht immer einsehen, aber nüchtern betrachtet hat sie schon ihre Berechtigung. Wie es beim Öffentlich-Rechtlichen gute und schlechte Sendungen gibt, gibt es an Schulen Lehrer, die Wissen gut oder schlecht vermitteln können. Doch nur weil ein Lehrer langweilig unterrichtet, heißt das nicht, dass sein Fach überflüssig ist. Oder gar die Schule im Allgemeinen. Darum sollte die Diskussion auch nicht über die Daseinsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Programms geführt werden - sehr wohl aber über dessen Gestaltung.
Aber es will ja nicht jeder Facebook-User die Öffentlich-Rechtlichen gleich aus seinem Blickfeld verbannen. Nur wäre die lästige Rundfunkgebühr nicht überflüssig, wenn man einfach genauso viel Werbung schaltet wie die Privatsender, fragt etwa Facebook-User Christian R.? "Die für die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks notwendige Unabhängigkeit lässt sich mit einer reinen Werbefinanzierung nicht erreichen", lautet die Antwort von offizieller Seite. Bedeutet: Wer ausschließlich auf das Geld von Unternehmen angewiesen ist, läuft Gefahr, finanziell abhängig zu werden. Das könnte dazu führen, dass Werbepartner auf redaktionelle Inhalte und Meinungen Einfluss nehmen. Programme müssten vorrangig für bestimmte von der Werbewirtschaft favorisierte Zielgruppen entstehen. ARD und ZDF gerieten mehr noch als bisher mitten hinein in die Jagd nach der besten Quote. Was allemal das Aus für anspruchsvolle Dokumentationen, viele Magazine und komplexere TV-Movies bedeuten würde. Spartenprogramme wären ohne Überlebenschance.
Unklar ist vielen Usern zudem, warum der Beitrag einheitlich veranschlagt wird und sich nicht am Einkommen orientiert, wie etwa die Kirchensteuer, fragt sich "GEZ-Boykott"-Anhänger Holger S. "Bei der Ausgestaltung des neuen Rundfunkbeitrags war es dem Gesetzgeber wichtig, die bisherigen Verfahren zu vereinfachen", antwortet das Teilprojekt "Begleitkommunikation zum neuen Rundfunkbeitrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio". "Eine Orientierung des Rundfunkbeitrags an der Einkommenshöhe würde aber das Gegenteil bewirken, da aufwendig von allen Bürgerinnen und Bürger das Einkommen ermittelt und gegebenenfalls überprüft werden müsste. Dies wäre nicht nur im Sinne des Datenschutzes wenig wünschenswert."
Nachdem die Gebühreneinzugszentrale bereits 2003 den verhöhnenden "Big Brother Award" erhielt, erschiene es tatsächlich unangebracht, von den Teilnehmern einen Einkommensbescheid zu verlangen. Die GEZ beschaffe "seit Jahren regelmäßig und systematisch Daten von Meldebehörden, von öffentlichen Stellen, von Adresshändlern und äußerst fragwürdigen weiteren Quellen, um Menschen zu finden, die keine Rundfunkgebühren bezahlen", hieß es damals in der Laudatio. Ohnehin sind derzeit etwa zehn Prozent aller potenziell Zahlungspflichtigen von der Gebührenpflicht befreit - aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen ist dies nach einem entsprechenden Antrag möglich. Auch künftig können Privatpersonen eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht oder eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags beantragen.
Bliebe die Frage, warum bei der Festlegung des neuen Rundfunkbeitrags nun der Betrag von 17,98 Euro pro Monat gewählt wurde, der bislang als Höchstsatz galt. Wäre es nicht angemessener gewesen, eine Summe zu veranschlagen, die sich irgendwo zwischen den 5,76 Euro Grundgebühr und dem aktuellen Beitragsmaximum bewegt? "Die Regelungen des Rundfunkbeitrags sind so ausgestaltet, dass sich daraus ergebende Mehr- und Mindereinnahmen die Waage halten" versichern die Zuständigen mit Verweis auf die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF), die die Höhe der Senderbudgets und damit auch der Gebühren festlegt - und die Öffentlich-Rechtlichen immer und immer wieder zum Sparen ermahnt. Falls der Betrag, der mit der neuen Beitragsregelung eingenommen wird, tatsächlich höher ausfallen sollte als der Bedarf der Sender, werde die KEF sich wohl auch für eine Beitragssenkung entscheiden. Allerdings halte man diesen Fall für "wirklich unwahrscheinlich". Das ist zumindest ehrlich ...
Annekatrin Liebisch
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