Graue Wölfe agitieren an Kölner Schulen
http://www.ksta.de/html/artikel/1143027867762.shtml (Archiv-Version vom 26.01.2007)TürkischeNationalisten finden Anhänger unter Kölner Schülern.
Diese sorgen an Schulen für einKlima der Angst. Lehrer fühlen sich allein gelassen. „Guten Morgen, meine Soldaten“ stehtzur Begrüßung auf der Tafel. Dazu drei Halbmonde und das Kürzel der türkischenrechtsextremen Partei der nationalistischen Bewegung MHP.
Jugendliche miteindeutigen Symbolen an Halsketten oder Ansteckern sitzen im Klassenraum, bereit, mitgezielten Fragen ihren Lehrer zu provozieren und den Unterricht zu torpedieren.
Einer von ihnen, ein türkisch-stämmiger Junge der dritten Generation, der die Heimatseiner Großeltern nur von Erzählungen und Fernsehbildern kennt, hat seinen Tisch bemalt:„Wir sind Türken. Gott sei Dank.“
Sie tragen die Symbole der „Grauen Wölfe“ und sindfasziniert von der Idee eines großtürkischen Reichs für ein Volk, das anderen überlegensei. Sie lassen sich begeistern von Aktivisten, die Antisemitismus, Antikommunismus undKurdenfeindlichkeit zu einem explosiven Gemisch verbinden. Nach Erkenntnissen desVerfassungsschutzes ist die Bewegung der „Grauen Wölfe“ nun auch noch „zunehmendislamistisch geprägt“.
„Ich bin seit vielen Jahren Lehrer, doch was zurzeitpassiert, habe ich noch nicht erlebt“, berichtet Murat Botan (alle Lehrernamen geändert),von einer Kölner Schule. Die Kinder würden in Vereinen und oft auch in der Familie „vongeschickten Kräften“ indoktriniert und „gezielt angesprochen“. „Es gibt Treffen, woSchulungen stattfinden“, ist sich Botan sicher. „Sie sprechen von deramerikanisch-jüdischen Weltherrschaft und davon, in den heiligen Krieg ziehen zu wollen.“
Die Provokationen würden solche Formen annehmen, dass oft kein Unterricht mehrmöglich wäre. „Viele Kollegen sind nicht in der Lage, damit umzugehen“, sagt AhmetÖztürk, Lehrer an einer anderen Kölner Schule. „Einige haben Angst.“ Auch er wurde schonprovoziert und beschimpft, als Kommunist und PKK-Mitglied denunziert, weil er sich zumBeispiel geweigert hat, die türkische Nationalhymne zu Beginn des Unterrichts zu singenoder mit den Schülern einen Eid auf die Türkei zu sprechen. „So etwas hat in einerdeutschen Schule nichts zu suchen.“
Die türkisch-nationalistischen Gruppen„verbreiten ein Gefühl der Angst und Unsicherheit“, heißt es in der Mitgliederzeitung derKölner Lehrergewerkschaft GEW, die vor einer Zunahme der Aktivitäten der „Grauen Wölfe“warnt. Der Autor Manfred Etscheid beruft sich auf Berichte von Lehrern „mehrerer KölnerSchulen“, spricht von einem „zahlreichen und koordinierten Auftreten in Schulen“.„Türkisch-stämmige Schüler, aber auch Lehrerinnen und Lehrer werden, wenn sie nichtmitmachen, zum Teil massiv bedroht.“ Besonders unter Druck stehen offenbar Lehrer für denmuttersprachlichen Türkischunterricht sowie kurdischer Abstammung. Hauptursache für denZulauf bei den „Grauen Wölfen“ sei, dass den Jugendlichen die Lebensperspektive fehle, soEtscheid. Sie wüssten nicht, wie ihre Zukunft aussehe.
Die Provokationen in derSchule seien der „Ausdruck des Elends, in dem sich diese Jugendlichen befinden“. Erfordert disziplinarische Maßnahmen und Solidarität mit den betroffenen Lehrern, nichtzuletzt auch stärkere Bemühungen zur Integration der Kinder und Jugendlichen.
Dassagt auch Kubilay Demirkaya, Leiter eines Arbeitskreises „Integration“ der Kölner CDU.„Die Anhänger der »Grauen Wölfe« haben Rückhalt in der Parallelgesellschaft.“ Er hältmehr Aufklärung unter den Migrantenkindern für dringend nötig. „Es gibt in Deutschland soviele Programme gegen deutschen Rechtsradikalismus.“ Solche Aktivitäten müsse es auchgegen den türkischen Extremismus geben. „Das ist nicht nur Sache der Schulen, sondern eingesellschaftliches Problem“, meint Süleyman Ates, Vorsitzender des Migrantenausschussesdes Kölner DGB.
Die Strukturen der Parallelgesellschaft dürften sich nicht weiterverfestigen. Genau das aber wollen die türkischen Rechten in Deutschland. Von einemoffensiven Umgang mit dem türkischen Extremismus und Nationalismus sind Schulen, aberebenso die zuständige Schulverwaltung noch weit entfernt. „Auch die Schulleitungen haben
Angst“, sagen die Betroffenen.
Schnell gerate man in eine ausländerfeindlicheEcke. Niemand wolle seiner Schule schaden und so bleibe das Thema ein Tabu - zum Nachteilder betroffenen Lehrer. Sie bleiben nicht nur mit ihren Problemen allein, sie geratenauch in den Ruf, ihre Klassen nicht mehr im Griff zu haben. „Es fehlt anÖffentlichkeitsarbeit und Aufklärung“, sagen Botan und Öztürk.
Die meisten deutschenKollegen würden noch nicht einmal die Symbole der „Grauen Wölfe“ oder der MHP kennen. Wiesoll man da das Verbot durchsetzen, politische Symbole zu tragen? Schulleitungen undSchulaufsicht seien gefordert. Doch die schweigen oder zeigen sich wie im Fall der KölnerBezirksregierung äußerst wortkarg. Man sei dabei, den Sachverhalt zu klären, so diePressestelle. Man habe die Polizei eingeschaltet und prüfe, welche Schulen betroffensind.
Eine Einschätzung, wie mit dem größer werdenden Problem pädagogisch oderdisziplinarisch umgegangen werden könnte, war nicht zu bekommen.
Ich.Bin.Geboren.Um.Als.Kurdin.Zu.Sterben