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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

100 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Ne bis in Idem, Strafklageverbrauch, Verfahrensrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

24.09.2021 um 12:47
Der Begriff wird von der Autorin meines Links so gebraucht.

Im übrigen gilt es ja auch als „Justizirrtum“, wenn jemand wegen Mordes verurteilt wird und erst nach Rechtskraft des Urteils entlastendes Material auftaucht, welches das Gericht noch nicht kennen konnte.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

24.09.2021 um 12:54
Zitat von AndanteAndante schrieb:Der Begriff wird von der Autorin meines Links so gebraucht.

Im übrigen gilt es ja auch als „Justizirrtum“, wenn jemand wegen Mordes verurteilt wird und erst nach Rechtskraft des Urteils entlastendes Material auftaucht, welches das Gericht noch nicht kennen konnte.
Ich halte es gleichwohl für zumindest unglücklich, es so zu benennen, da ja keine Fehlvorstellung zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs vorlag. Aber darüber müssen wir nun wirklich nicht "streiten". ;)


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

24.09.2021 um 12:56
PS: Warum die Autorin davon ausgeht, die neue Regelung müsse quasi unweigerlich zu einer „Errosion“ im Sinne eines Dammbruchs führen, dass nun zahlreiche weitere Straftatbestände unter die Regelung gefasst würden oder was auch immer, erschließt sich mir nicht. Hat sie dafür Anhaltspunkte? Offenbar nicht. Da leidet ihre „Argumentation“ dann genau unter dem, was sie an einer der Begründungen für die neue Regelung kritisiert: der angeblichen Schwammigkeit einer Unerträglichkeitsgrenze, wo Recht zu Unrecht werden kann.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

24.09.2021 um 12:58
Zitat von DoctorWhoDoctorWho schrieb:Ich halte es gleichwohl für zumindest unglücklich, es so zu benennen, da ja keine Fehlvorstellung zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs vorlag. Aber darüber müssen wir nun wirklich nicht "streiten". ;)
Na, da streite ich auch nicht :Y:

Es sind halt die Medien, die da wegen Klicks und Auflage gerne was von „Justizirrtümern“ durch die Landschaft krähen, ohne zu differenzieren…


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24.09.2021 um 13:49
Zitat von AndanteAndante schrieb:Warum die Autorin davon ausgeht, die neue Regelung müsse quasi unweigerlich zu einer „Errosion“ im Sinne eines Dammbruchs führen, dass nun zahlreiche weitere Straftatbestände unter die Regelung gefasst würden oder was auch immer, erschließt sich mir nicht.
Um daran anzuknüpfen: In diesem Sinne finde ich die Threadüberschrift etwas unglücklich. Eine gesetzliche Definition von „Kapitalverbrechen“ gibt es nämlich nicht.

Früher verstand man darunter besonders schwere Verbrechen, die den Täter den Kopf kosteten bzw. die Todesstrafe zur Folge hatten, also etwa zur Enthauptung führen konnten, woraus sich eben der Begriff Kapitalverbrechen ableitete, dh vom lateinischen „caput“ (= der Kopf, das Haupt).

https://dewiki.de/Lexikon/Kapitalverbrechen

Heute ist wie gesagt nicht definiert, was eigentlich ein „Kapitalverbrechen“ genau ist. Viele verstehen darunter entgegen der historischen Bedeutung inzwischen Mord, Totschlag, Körperverletzung und Raub mit Todesfolge und noch allerlei, bei denen das Opfer zu Tode gekommen ist.

https://www.wullbrandt-rechtsanwaelte.de/rechtsanwalt/kapitalverbrechen/

Wie auch immer: Der Bundestag hat mit der Neuregelung keine Verfahrensänderung bei irgendwelchen „Kapitalverbrechen“ angestrebt.

Er hat nur und ausschließlich und abschließend in Bezug auf insgesamt vier unverjährbare Delikte, nämlich Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen gegen eine Person eine solche Änderung angestrebt.

Bei allen anderen Straftatbeständen, insbesondere allen sonstigen, die zum Tod einer Person geführt haben, gibt es KEINERLEI Änderung. Und es ist auch nicht zu befürchten, dass es da eine geben wird. Die Rechtspolitiker wissen da schon, was sie tun und wo die Grenzen sind. Man muss sich nur ansehen, wie schwer sie sich mit der jetzigen Regelung getan haben..


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24.09.2021 um 14:04
Zitat von AndanteAndante schrieb:Warum die Autorin davon ausgeht, die neue Regelung müsse quasi unweigerlich zu einer „Errosion“ im Sinne eines Dammbruchs führen, dass nun zahlreiche weitere Straftatbestände unter die Regelung gefasst würden oder was auch immer, erschließt sich mir nicht. Hat sie dafür Anhaltspunkte? Offenbar nicht. Da leidet ihre „Argumentation“ dann genau unter dem, was sie an einer der Begründungen für die neue Regelung kritisiert: der angeblichen Schwammigkeit einer Unerträglichkeitsgrenze, wo Recht zu Unrecht werden kann.
Naja, nur mal "denklogisch":
Zitat von AndanteAndante schrieb:Er hat nur und ausschließlich und abschließend in Bezug auf insgesamt vier unverjährbare Delikte, nämlich Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen gegen eine Person eine solche Änderung angestrebt.
Es ist doch systematisch gar nicht möglich, einen "Merkmalstatbestand" wie Mord (qualifiziert eben über die abschließende Liste der Mordmerkmale) trennscharf von den anderen Tötungsdelikten abzugrenzen. Der offenkundige Fall wäre ja: 1. Anklage auf e.g. Totschlag, Freispruch, Auftauchen von Beweisen dass es sich um einen Mord handelt, erneute Anklage. Alleine damit ist doch schon die "Soll-Definition" des Gesetzes von diesen 4 abgeschlossenen Tatbeständen implizit auf alle Tötungsdelikte erweitert, wenn hinterher daraus ein Mord zurechtqualifiziert werden kann. Der Gesetzesentwurf sieht explizit nicht vor, dass bereits die erste Anklage auf einen der 4 Tatbestände lautete, sondern nur dass die neuen Beweise "dringende Gründe" dafür bilden, dass der Angeklagte eines dieser Verbrechen verurteilt wird. (Beliebig herkonstruierter Fall: ein Arzt tötet einen Patienten durch Beibringen einer Dosis eines Medikaments, gegen das der Patient allergisch war, wird wegen Totschlag angeklagt, letztendlich aber freigesprochen weil er glaubhaft machen konnte dass er von der Allergie nichts wusste und ansonsten die Behandlung kunstgerecht gewesen wäre - neue Beweis belegen, dass er es doch wusste und es wissentlich und willentlich verabreichte).

Da haben wir übrigens gleich noch eine weitere Problematik:

Was grenzt "dringende Gründe" (die ja erstmal irgendwo in einem Wiederaufnahmeprozess erörtert werden müssen) für eine Wiederaufnahme von dem Beweisstandard "über jeden vernünftigen Zweifel hinaus" der in der 2. Hauptverhandlung zu gelten hat ab? D.h. inwiefern ist ein eventuell Zweit-Angeklagter nicht alleine schon durch die Tatsache, dass irgendeine Kammer auf eine Wiederaufnahme entschieden hat effektiv "vorverurteilt" und damit das 2. Verfahren eine reine Farce?


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24.09.2021 um 15:09
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:(Beliebig herkonstruierter Fall: ein Arzt tötet einen Patienten durch Beibringen einer Dosis eines Medikaments, gegen das der Patient allergisch war, wird wegen Totschlag angeklagt, letztendlich aber freigesprochen weil er glaubhaft machen konnte dass er von der Allergie nichts wusste und ansonsten die Behandlung kunstgerecht gewesen wäre - neue Beweis belegen, dass er es doch wusste und es wissentlich und willentlich verabreichte).
(Hervorhebung von mir)

Um bei deinem Beispiel zu bleiben: damit kann der Arzt nicht wieder angeklagt werden, weil ein weiteres Merkmal von Mord dabei fehlt, nämlich die "Niederen Beweggründe" wie z.B. er wurde dafür Bezahlt und hats gemacht um sich zu bereichern.

Damit bleibts bei Totschlag => Freispruch bleibt gültig.

Gruß

Nin


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24.09.2021 um 15:11
Zitat von NinbushiNinbushi schrieb:Um bei deinem Beispiel zu bleiben: damit kann der Arzt nicht wieder angeklagt werden, weil ein weiteres Merkmal von Mord dabei fehlt, nämlich die "Niederen Beweggründe" wie z.B. er wurde dafür Bezahlt und hats gemacht um sich zu bereichern.

Damit bleibts bei Totschlag => Freispruch bleibt gültig.
Respekt, sauber am Kern des Problems vorbei. Dann denk dir die niederen Beweggründe halt noch dazu, am Grundproblem ändert das doch nichts, meine Güte...


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24.09.2021 um 16:05
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:Was grenzt "dringende Gründe" (die ja erstmal irgendwo in einem Wiederaufnahmeprozess erörtert werden müssen) für eine Wiederaufnahme von dem Beweisstandard "über jeden vernünftigen Zweifel hinaus" der in der 2. Hauptverhandlung zu gelten hat ab?
In Gesetzen wimmelt es nur so von unbestimmten Rechtsbegriffen, Die „dringenden“ Gründe gehören dazu. Es ist nicht möglich, bei der Vielfakt des Lebens kasuistische Gesetze zu machen, die jeden möglicherweise vorkommenden Einzelfall bereits im Gesetz selbst erfassen und regeln. Daher solche unbestimmten Rechtsbegriffe, die die Rechtsprechung dann ausfüllen muss. Beispiele für das Vorkommen „dringender Gründe“:

http://www.juramagazin.de/gruende.html

https://www.juraforum.de/urteile/begriffe/dringende-betriebliche-gruende

Klar wird das Wiederaufnahmegericht, das irgendwann als erstes über das Vorliegenden dringender Gründe im Sinne der neuen Regelung zu entscheiden hat, darüber nachdenken müssen, ob jnd warum in diesem Fall derartige Gründe schon oder noch nicht gegeben sind. Wie immer in solchen Fällen wird es in die Gesetzesmaterialien gucken, was der Gesetzgeber sich dabei gedacht und vorgestellt hat, es wird Parallelen zu ähnlichen Gesetzen suchen etc. Vom Verfahren her ist der Umgang mit unbestimmten Rechtsbegriffen für Gerichte nichts Neues.
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:Der Gesetzesentwurf sieht explizit nicht vor, dass bereits die erste Anklage auf einen der 4 Tatbestände lautete, sondern nur dass die neuen Beweise "dringende Gründe" dafür bilden, dass der Angeklagte eines dieser Verbrechen verurteilt wird. (Beliebig herkonstruierter Fall: ein Arzt tötet einen Patienten durch Beibringen einer Dosis eines Medikaments, gegen das der Patient allergisch war, wird wegen Totschlag angeklagt, letztendlich aber freigesprochen weil er glaubhaft machen konnte dass er von der Allergie nichts wusste und ansonsten die Behandlung kunstgerecht gewesen wäre - neue Beweis belegen, dass er es doch wusste und es wissentlich und willentlich verabreichte).
Klar, es geht um dieselbe Tat, also um denselben Lebenssachverhalt. Wenn der ursprünglich als Totschlag angeklagt war, aber auch wenn die Tat ursprünglich als Mord angeklagt war, nach Beweisaufnahme die StA dann die Anklage aber auf Totschlag umgestellt hat, dann aber in beiden Konstellationen ein Freispruch herauskam und sich nun nach Rechtskraft wirklich schlagkräftige Beweise für einen Mord finden, dann wäre eine Wiederaufnahme theoretisch möglich.

Bei all solchen Szenarien wird aber immer etwas Entscheidendes vergessen, dass nämlich die StA sofern jemand freigesprochen ist, in Bezug auf den Freigesprochenen die Akten zumacht. Sie ermittelt entgegen einer offenbar verbreiteten Fehlvorstellung nicht mehr (heimlich) gegen ihn, um vielleicht doch noch was zu finden. Das wäre rechtswidrig.

Nein, es wird schon weiter ermittelt, wenn die Tat nicht aufgeklärt und auch noch nicht verjährt ist, aber natürlich gegen andere in Frage kommende Täter. Lediglich im Rahmen dieser anderweitigen und gegen andere geführten Ermittlungen kann dann unter Umständen sich etwas ergeben, was ausgerechnet den Freigesprochenen schwer belastet in Bezug auf Mord oder Völkermord oder Kriegsverbrechen. So was dürfte ziemlich selten vorkommen.

Man muss sich auch immer wieder klarmachen, dass die StA bereits in einem ersten Verfahren nur anklagt, wenn sie genug zu haben meint, dass es für eine Verurteilung reicht. So eine Wiederaufnahme ist doch jetzt kein bloßer Reparaturbetrieb für nicht ausreichend vorbereitete erste Prozesse. Das Beweismaterial, das die StA im ersten Prozess zusammenträgt, muss Hand und Fuß haben, das weiß die StA. Und wenn sie im ersten Prozess wegen Totschlags anklagt, dann sieht sie eben kein Mordmerkmal als gegeben an. Dass irgendwann Jahre später schlagkräftige Beweise (und nicht bloß irgendwelche halbgaren Indizien, Vermutungen, Beschuldigungen von anderen Verdächtigen) auftauchen, dass es doch Mord war, kommt im wirklich wahren Leben so gut wie nicht vor bzw. veranlasst die StA, genau hinzuschauen, ob sie da wirklich dringende Gründe hat, eine Wiederaufnahme, diesmal - entgegen ihrer ersten Anklage - nun wegen Mordes zu beantragen.


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24.09.2021 um 16:36
Der Wortlaut der neuen Regelung ist wie folgt:

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.

Und am Wortlaut dieser Regelung muss man dann halt alles messen, was hier schon an konstruierten Fällen kam und noch kommen wird. Dann wird man feststellen, dass deutsche Gerichte jetzt kaum mit Verfahren dieser Art überschwemmt werden.


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24.09.2021 um 19:51
Zitat von AndanteAndante schrieb:Man muss sich auch immer wieder klarmachen, dass die StA bereits in einem ersten Verfahren nur anklagt, wenn sie genug zu haben meint, dass es für eine Verurteilung reicht. So eine Wiederaufnahme ist doch jetzt kein bloßer Reparaturbetrieb für nicht ausreichend vorbereitete erste Prozesse.
Aber genau das ist ja die Kritik daran. Die StA kann jetzt ein Verfahren anstreben, das eben nicht mehr oder weniger wasserdichten Beweisen zu Grunde liegt, sondern aufgrund von Indizienketten, wohlwissend das bei Freispruch später immer noch Möglichkeiten der Verurteilung besteht. Es ist somit zu befürchten das es wesentlich mehr Anklagen und Freisprüche geben wird - wobei ein Freispruch vor Gericht eben nicht mit einem "Freispruch" im sozialen Umfeld gleichsetzbar ist.


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24.09.2021 um 21:08
Zitat von AndanteAndante schrieb:Bei all solchen Szenarien wird aber immer etwas Entscheidendes vergessen, dass nämlich die StA sofern jemand freigesprochen ist, in Bezug auf den Freigesprochenen die Akten zumacht. Sie ermittelt entgegen einer offenbar verbreiteten Fehlvorstellung nicht mehr (heimlich) gegen ihn, um vielleicht doch noch was zu finden. Das wäre rechtswidrig.

Nein, es wird schon weiter ermittelt, wenn die Tat nicht aufgeklärt und auch noch nicht verjährt ist, aber natürlich gegen andere in Frage kommende Täter. Lediglich im Rahmen dieser anderweitigen und gegen andere geführten Ermittlungen kann dann unter Umständen sich etwas ergeben, was ausgerechnet den Freigesprochenen schwer belastet in Bezug auf Mord oder Völkermord oder Kriegsverbrechen. So was dürfte ziemlich selten vorkommen.

Man muss sich auch immer wieder klarmachen, dass die StA bereits in einem ersten Verfahren nur anklagt, wenn sie genug zu haben meint, dass es für eine Verurteilung reicht. So eine Wiederaufnahme ist doch jetzt kein bloßer Reparaturbetrieb für nicht ausreichend vorbereitete erste Prozesse. Das Beweismaterial, das die StA im ersten Prozess zusammenträgt, muss Hand und Fuß haben, das weiß die StA. Und wenn sie im ersten Prozess wegen Totschlags anklagt, dann sieht sie eben kein Mordmerkmal als gegeben an. Dass irgendwann Jahre später schlagkräftige Beweise (und nicht bloß irgendwelche halbgaren Indizien, Vermutungen, Beschuldigungen von anderen Verdächtigen) auftauchen, dass es doch Mord war, kommt im wirklich wahren Leben so gut wie nicht vor bzw. veranlasst die StA, genau hinzuschauen, ob sie da wirklich dringende Gründe hat, eine Wiederaufnahme, diesmal - entgegen ihrer ersten Anklage - nun wegen Mordes zu beantragen.
Jetzt hast du wortreich erklärt, warum Checks & Balances im Rechtssystem möglicherweise dazu führen, dass diese Neuregelung nicht missbraucht wird, aber immer noch nicht erklärt, wozu diese eigentlich gut sein soll, bzw. welches "Loch" sie stopft das uns dringend zum Handeln zwingt. In deiner beschriebenen Idealwelt, wo nur intrinsisch motivierte Fachleute 100% korrekt und sauber arbeiten, ergäbe sich die Notwendigkeit dieses Gesetzes ja gar nicht. Die reale Welt ist so aber nicht. Das geht schon damit los, dass Staatsanwalten eben nicht total unabhängig sind, sondern weisungsgebunden. Selbstverständlich kann da auch mal eine wacklige Anklage durchgedrückt werden, "um ein Zeichen zu setzen" usw. Im Extremfall kriegt man so Horror-Mammut-Prozesse wie die RAF-Prozesse, den NSU-Prozess oder dergleichen... schon jetzt gibt es Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Menschenrechte, wenn Angeklagte ewig langen Prozessen nebst damit verbundenen Beeinträchtigungen wie Untersuchungshaft usw. ausgesetzt sind (Die Entschädigungen, die man in Deutschland für einen Hafttag so erhält, sind ja auch eher symbolisch) bzw. in manchen Fällen (zugegebenermaßen natürlich eher bei den kleineren Delikten) ein fristgerechter bzw. zeitiger Prozessbeginn schon gar nicht mehr garantiert werden kann - das wird durch die bloße Möglichkeit weiterer Nachstellungen quasi am Tag 1 nach dem Freispruch nicht besser. Kann mir keiner erzählen, dass bei Riesenprozessen, wo es ganze Regalkilometer an teilweise geschwärztem, ausgeschlossenem oder sonstwie verusseltem Akenmaterial, hunderten von Zeugenaussagen usw. überhaupt klar ist, ob ein gegebenes Stück Material "neu" ist... Klar ist das jetzt der absolute Extremfall, aber um normale Fälle geht es hier ja auch nicht.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

25.09.2021 um 00:03
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:ergäbe sich die Notwendigkeit dieses Gesetzes ja gar nicht.
Welches Gesetz ist „notwendig“? Das ist eine politische Frage, keine juristische. Jede Legislative macht mit der erforderlichen Mehrheit die Gesetze, die ihr für ihre politischen Vorhaben nötig und zweckmäßig erscheinen. Gerichts sind nicht dazu da, dem Gesetzgeber eine „bessere“ oder zweckmäßigere Politik vorzuschreiben.

Dem Gesetzgeber schien es halt angebracht, auf Extremfälle wie den der Frederike von Möhlmann zu reagieren. Andere sehen es nicht für angebracht an. OB man nun überhaupt reagiert, hängt von den politischen Mehrheitsverhältnissen ab. WIE man reagiert, das heißt wie das Gesetz lautet bzw. gestrickt , mit dem man reagiert, wenn man denn reagiert, ist hingegen einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

Bekommt das Bundesverfassungsgericht zB irgendwann die Frage auf den Tisch, ob die Neuregelung, so wie sie wörtlich gefasst ist, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, haben sie nicht zu prüfen, ob das Gesetz „notwendig“ ist, sondern allein, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:Im Extremfall kriegt man so Horror-Mammut-Prozesse wie die RAF-Prozesse, den NSU-Prozess oder dergleichen..
Na klar, je mehr Prozessbeteiligte - Angeklagte, Wahl- und Pflichtverteidiger - sowie Dolmetscher nicht für die Angeklagten sondern auch für die Zeugen, Sachverständige es gibt und je mehr Opfer und je mehr angeklagte Taten mit wechselnder Beteiligung der Angeklagten (mal als Täter, mal als Beihelfer, mal als Mittäter, mal als Beihelfer), desto komplizierter und umfangreicher wird das ganze, siehe NSU-Prozess. Was nun meist aber nicht an den Verteidigern oder Staatsanwälten oder Richtern liegt, sondern an dem, was die Angeklagten womöglich auf dem Kerbholz haben und nun im einzelnen aufgeklärt werden muss. Es steht nirgendwo geschrieben und ist kein Wunschkonzert von Staatsanwälten und Verteidigern und Richtern, dass Strafprozesse immer einfach und unkompliziert sein müssen.
Ein Prozess mit nur einem Angeklagten und mit nur einer angeklagten Tat ist ein Spaziergang und eben nicht die Regel. Das heißt bei komplizierten Prozessen aber nicht, dass die Beteiligten da nicht den Überblick behalten können. Ein bissle macht Professionalität und Erfahrung bei so was schließlich schon aus.
Zitat von bgeowehbgeoweh schrieb:Kann mir keiner erzählen, dass bei Riesenprozessen, wo es ganze Regalkilometer an teilweise geschwärztem, ausgeschlossenem oder sonstwie verusseltem Akenmaterial, hunderten von Zeugenaussagen usw. überhaupt klar ist, ob ein gegebenes Stück Material "neu" ist..
Was „neu“ ist, bemisst sich allein danach, worauf sich im abgeschlossenen Prozess die Beweisaufnahme erstreckt hat und worauf das Gericht den Freispruch gestützt hat. Dafür muss man natürlich den Prozessverlauf, den Ablauf der Beweisaufnahme und das Urteil kennen. Es interessiert aber niemanden, was irgendwo in irgendwelchen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten steht, die nie Bestandteil der Anklageschrift waren und demzufolge auch nie dem Gericht vorgelegt wurden.

„Neu“ sind da einmal getätigte Zeugenaussagen schon mal nicht, wenn sie bereits im abgeschlossenen Prozess vor Gericht gemacht wurden. „Neu“ in diesem Sinne war auch die Binde der getöteten Frederike nicht, das Asservat gab es schon seit Auffindung der Leiche. Neu“ war, dass erst nach Rechtskraft des Freispruchs mit nun erstmals zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden die DNA des Freigesprochenen an der Binde entdeckt wurde.

Eine Zeugenaussage, die erst nach Rechtskraft des Freispruchs überhaupt gemacht wird und nun den Freigesprochenen belastet, ist zwar neu. Sie wird aber kaum einen Staatsanwalt veranlassen, sogleich siegestrunken loszuspringen und eine Wiederaufnahmeantrag zuungunsten des Freigesprochenen zu stellen.

Nein, natürlich wäre so eine bloße einzelne belastenden Zeugenaussage, jetzt mal unabhängig von ihrer Glaubhaftigkeit, für sich genommen kein neues Beweismittel, das allein einen dringenden Grund dafür bildet, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.


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25.09.2021 um 00:29
Zitat von cejarcejar schrieb:Aber genau das ist ja die Kritik daran. Die StA kann jetzt ein Verfahren anstreben, das eben nicht mehr oder weniger wasserdichten Beweisen zu Grunde liegt, sondern aufgrund von Indizienketten, wohlwissend das bei Freispruch später immer noch Möglichkeiten der Verurteilung besteht.
Das ist, mit Verlaub, falsch. Diesen Kritikern ist bedauerlicherweise immer noch nicht klar, dass der Gesetzgeber natürlich mit der Neuregelung keinen solchen Freifahrtschein geschaffen hat.

Ich empfehle wirklich, sich die Neuregelung noch mal wörtlich durchzulesen. Dann müsste allmählich klar sein, dass hier von vornherein eine Wiederaufnahme überhaupt nur in Betracht kommt, wenn der Freigesprochene wegen nichts anderem als eben
wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.[/quote]

Eine Wiederaufnahme kommt von vornherein überhaupt nicht in Betracht, wenn eine Verurteilung wegen was anderem erfolgen soll.

Man muss hier wirklich nicht ständig so tun, als könne die StA sich nun quasi in jedem Strafverfahren Nachlässigkeit dahin erlauben, dass ja später alles repariert werden kann. Das steht NICHT im neuen Gesetz, wie jeder unschwer nachlesen kann. Die StA kann übrigens auch lesen und einordnen, was da steht, auch wenn es hier kaum einer glaubt.


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25.09.2021 um 00:44
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das ist, mit Verlaub, falsch. Diesen Kritikern ist bedauerlicherweise immer noch nicht klar, dass der Gesetzgeber natürlich mit der Neuregelung keinen solchen Freifahrtschein geschaffen hat.
Ich empfehle wirklich, sich die Neuregelung noch mal wörtlich durchzulesen. Dann müsste allmählich klar sein, dass hier von vornherein eine Wiederaufnahme überhaupt nur in Betracht kommt, wenn der Freigesprochene wegen nichts anderem als eben
wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.
Eine Wiederaufnahme kommt von vornherein überhaupt nicht in Betracht, wenn eine Verurteilung wegen was anderem erfolgen soll.

Man muss hier wirklich nicht ständig so tun, als könne die StA sich nun quasi in jedem Strafverfahren Nachlässigkeit dahin erlauben, dass ja später alles repariert werden kann. Das steht NICHT im neuen Gesetz, wie jeder unschwer nachlesen kann. Die StA kann übrigens auch lesen und einordnen, was da steht, auch wenn es hier kaum einer glaubt.
Ich glaube wir reden hier alle von Mord-Anklagen, die anderen 3 Straftatbestände sind hier nicht so wichtig. Ich weiss nicht wie Du darauf kommst, ich der Meinung bin das es um andere Straftaten gehen können. Aber gerade bei Mord wurden Dir jetzt mehrfach Szenarien aufgezeigt in dem die StA nun einen Freischuss bekommt. Sie können jetzt jederzeit anklagen, ohne wasserdicht zu sein, da sie wissen das auch später erneut angeklagt werden kann, selbst bei Freispruch, das wird also zu verfrühten Mord-Anklagen kommen, die auch unschuldige Existenzen komplett vernichten können.


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25.09.2021 um 01:17
Zitat von cejarcejar schrieb:Aber gerade bei Mord wurden Dir jetzt mehrfach Szenarien aufgezeigt in dem die StA nun einen Freischuss bekommt
Sorry, ich habe keine solche überzeugenden Szenarien zu sehen bekommen. Sie überzeugen deshalb nicht, weil die Praxis eben nicht so läuft und keine StA und kein Gericht so arbeiten, wie sich das hier einige offenbar vorstellen.
Zitat von cejarcejar schrieb:Sie können jetzt jederzeit anklagen, ohne wasserdicht zu sein, da sie wissen das auch später erneut angeklagt werden kann
Eben nicht! Sie DÜRFEN nach der StPO gar nicht wegen Mordes anklagen, wenn sie nichts Wasserdichtes haben. Sie müssen dann einstellen. Klagen sie an, obwohl sie wissen, dass sie im Grunde nichts haben, machen sie sich außerdem strafbar wegen Verfolgung Unschuldiger nach § 244 StGB.
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 344 Verfolgung Unschuldiger

(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft….
So was riskiert kein Staatsanwalt, der bei Trost ist.

Und natürlich weiß ein Staatsanwalt, dass er nicht damit rechnen kann, dass ihm, wenn der Angeklagte vom Vorwurf des Mordes freigesprochen wurde, irgendwann nach dem Freispruch durch eine gute Fee noch was in die Hände fällt, was nun aber hübsch für eine Wiederaufnahmeantrag reicht.

Ich schreibe es jetzt zum letzten Mal: Ist jemand freigesprochen, wird gegen ihn nicht mehr weiter ermittelt. Nicht heimlich und nicht offen. Es wird schlicht gegen diesen Menschen nicht mehr ermittelt, Punkt, aus, fertig. Wer was anderes glaubt oder schreibt, glaubt und schreibt etwas absolut Falsches.

Was nach einem Freispruch passiert: Die Tat ist weiter unaufgeklärt, aber nur dann, wenn der Freispruch aus Mangel an Beweisen erfolgte. Erfolgte er dagegen wegen erwiesener Unschuld, ist ja der Alternativtäter gefunden, der nun angeklagt werden kann.

Die StA macht sich bei einem Freispruch aus Mangel an Beweisen also an die weitere Aufklärungsarbeit. Wobei es ihr, anders als viele Gott weiß aus welchen schlechten Filmen offenbar glauben, nicht irgendwen auswürfelt und dann drankriegen will, sondern die Tat aufklären will. Irgendwer muss ja der Mörder gewesen sein, und den wirklichen Mörder gilt es zu finden, wobei der Freigesprochene aus Rechtsgründen tabu ist.

Ich erwähne gerne an dieser Stelle den Post einer Diskutantin aus der Krimirubrik, von der ich weiß, dass sie im wahren Leben Staatsanwältin ist.

Sie schrieb, was jeder hier allmählich mal verinnerlichen könnte, dass auch der Staatsanwaltschaft nicht daran gelegen ist, dass ein Unschuldiger verurteilt wird.

So, nachdem wir das nun herausgearbeitet haben, weiter im Text: Die StA ermittelt nach dem Freispruch aus Mangel an Beweisen im Mordfall nun weiter. Wenn sie bei diesen Ermittlungen nicht weiterkommt, werden die Akten wieder beiseitegelegt. Da Mord aber nicht verjährt, werden die Akten immer mal wieder hervorgeholt, es werden neue Ermittlungsansätze geprüft, neue kriminaltechnische Methoden angewendet, andere Personen sehen sich die Akten an etc. Es kann sein, dass der Mord für immer unaufgeklärt bleibt. Es kann auch sein, dass die StA meint, irgendwann genug Beweismaterial zu haben, um einen Verdächtigen anzuklagen. Und es kann eben sein, dass die neuen kriminaltechnischen Untersuchungen, wie im Fall Möhlmann, verdichtete Hinweise auf einen alten Bekannten liefern, nämlich den Freigesprochenen.

Ob im letzteren Fall die neuen Hinweise, allein oder zusammen mit den Beweisergebnissen aus dem rechtskräftig abgeschlossenen Prozess, DRINGENDE Gründe für die Annahme bilden, dass der Freigesprochene nun wegen Mordes verurteilt wird, muss die StA jetzt halt prüfen. Verneint sie das, stellt sie keinen Wiederaufnahmeantrag. Bejaht sie das, muss sie halt ihren Wiederaufnahmeantrag verfassen und begründen und versuchen, ihn beim Wiederaufnahmegericht durchzubringen. Scheitert sie, gibt es kein wiederaufgenommenes Verfahren.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

25.09.2021 um 06:17
Zitat von AndanteAndante schrieb:Ich schreibe es jetzt zum letzten Mal: Ist jemand freigesprochen, wird gegen ihn nicht mehr weiter ermittelt. Nicht heimlich und nicht offen. Es wird schlicht gegen diesen Menschen nicht mehr ermittelt, Punkt, aus, fertig. Wer was anderes glaubt oder schreibt, glaubt und schreibt etwas absolut Falsches.
Ich verstehe nicht warum sie dies so stark vertreten, denn wenn eine Wiederaufnahme bzw nochmalige Anklage ermöglicht wird mit dem neuen Gesetz, dann wird damit auch ein weiterermitteln gegen einen freigesprochenen ermöglicht.
Ihre Aussage widerspricht nun mal der Praxis von Ermittlungen.

Um es ihnen vor Augen zuführen mal das einfachste Beispiel.

Die Tat: ein Mord

Tatverdächtiger wurde freigesprochen. Jahre spätere kommt jemand bei einer Überprüfung der Akten zu dem Schluss, ein Kleidungsstück wurde zwar auf Spuren untersucht, aber dabei wurde versehntlich DNA des Täters übersehen.
Was macht er jetzt, untersuchen lassen oder nicht, es ist ein altes Beweisstück

Nach ihrer Auffassung darf er nicht mehr gegen den freigesprochenen ermitteln, darf es also nicht mit dessen DNA abgleichen.

Und genau das glaube ich nicht, denn wenn eine Wiederaufnahme gestattet ist, dann müsste dieser Spur auch nachgegangen werden können.

Das heisst dann, der Freigesprochene, wird wegen der selben Sache wieder vorgeladen, eine DNA Probe genommen, also de Fakto es wird weiter gegen ihn ermittelt.

Daher sehe ich Ihre Behauptung bzw Vermutung in diesem Punkt als nicht haltbar und damit falsch an.

Denn es gibt soweit ich weiss keine andere Möglichkeit um eine DNA zuzuordnen als die Ermittlung und probenentnahme bei der Person, mir der man sie vergleichen möchte.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

25.09.2021 um 07:18
Zitat von blacklady2309blacklady2309 schrieb:Das heisst dann, der Freigesprochene, wird wegen der selben Sache wieder vorgeladen, eine DNA Probe genommen, also de Fakto es wird weiter gegen ihn ermittelt.
Nein, denn der Strafklageverbrauch, also der Freispruch, gehört zu den Verfolgungshindernissen. Das muss man sich klarmachen, sonst versteht man es nicht.

https://dewiki.de/Lexikon/Verfolgungshindernis

Es darf also gegen einenrechtskräftig Freigesprochenen nicht mehr in derselben Sache ermittelt werden, fertig. Was bei derartig illegalen Untersuchungenherausgekommrn sein sollte, darf nicht für eine neue Anklage verwertet werden, es ist also wertlos für die Ermittler, weshalb sie so was auch nicht machen. Der Freigesprochene muss sich in deinem Beispiel auch nicht eine DNA-Probe entnehmen lassen, so was würde kein Richter anordnen, ebensowenig einen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung unterzeichnen.

Die neue Wiederaufnahmemöglichkeit eröffnet doch, anders als viele zu glauben scheinen, nun keine neue Möglichkeit in dem Sinne, dass jetzt plötzlich in jedem Fall, wo ein Tötungsdelikt vorliegt und ein Freispruch erfolgt ist, neue Ermittlungen aufgenommen werden dürfen und der Straklageverbrauch gar nicht mehr zählt. Wer das glaubt, liegt wirklich falsch.

Es geht bei der neuen Wiederaufnahmemöglichkeit ausschließlich darum, dass nach einem rechtskräftigen Freispruch im Rahmen weitergeführter Ermittlungen GEGEN ANDERE oder auch durch Zufall etwas gefunden wird, was dringende Gründe für die Annahme bildet, dass der in einem Tötungsdelikt Freigesprochene ein Mörder sein kann.

Und auch nach einem solchen Fund gilt der Strafklageverbrauch weiter und nicht als gesetzliche Erlaubnis, nach einem solchen Fund einfach wieder mit Ermittlungen anzufangen, um noch weiteres in Bezug auf den Freigesprochenen herauszufinden. Der Strafklageverbrauch als Verfolgungshindernis und Ermittlungshindernis gilt selbstverständlich so lange weiter, bis das rechtskräftig abgeschlossene Ausgangsverfahren durch rechtskräftigen Beschluss des Wiederaufnahmegerichts wieder eröffnet worden ist. Und so lange gilt der Betreffende natürlich auch weiter als rechtskräftig freigesprochen und nicht etwa als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren in derselben Sache.

Der Fund muss also allein aus sich heraus oder zusammen mit den Ergebnissen des abgeschlossenen Strafprozesses für einen Wiederaufnahmeantrag ausreichen. Und dem Wiederaufnahmeantrag muss auch stattgegeben worden sein, und das abgeschlossene Strafverfahren muss wieder eröffnet worden sein, bevor da irgendwas wieder weiter ermittelt werden darf.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

25.09.2021 um 09:17
Zitat von AndanteAndante schrieb:Eben nicht! Sie DÜRFEN nach der StPO gar nicht wegen Mordes anklagen, wenn sie nichts Wasserdichtes haben. Sie müssen dann einstellen. Klagen sie an, obwohl sie wissen, dass sie im Grunde nichts haben, machen sie sich außerdem strafbar wegen Verfolgung Unschuldiger nach § 244 StGB.
Dann hätte es auch niemals Freisprüche gegeben. Du gehst leider davon aus, das Staatsanwälte/Richter so einen Art Übermenschenschen seien, die niemals so etwas machen. Sprich Du hebst diesen Berufsstand über alles . Dort soll es keine schwarzen Schafe geben, eine ideale Welt. Das ist jedoch in meinen Augen viel zu idealistisch gedacht.

Man kann nur hoffen, dass es Einzelfälle betrifft. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass hier eine deutliche Gesetzes-Änderung erfolgt, auf Grund extremer Einzelfälle. Der Fall Frederike ist nun knappp 40 Jahre her und es sind gerade mal 3-4 Fälle, ca. 1 Fall pro Jahrzehnt!

Ich glaube StA müssen tagein und tagaus mit sich selber kämpfen. Sie haben auch Vorurteile (dürfen sie wieder jeder Mensch auch haben) und eine solche neue Möglichkeit setzt automatisch die Schranke niederiger, ab wann sie die Klage erheben. Solche Sachen müssen sich nicht bewusst abspielen, je höher der Druck, umso eher gibt er nach. Und bei diesen Verbrechen ist der Druck enorm, der auf die Ermittlungsbehörden lastet. Manchmal mischen sich sogar Ministerpräsidenten ein.
Zitat von AndanteAndante schrieb:Es darf also gegen einenrechtskräftig Freigesprochenen nicht mehr in derselben Sache ermittelt werden, fertig. Was bei derartig illegalen Untersuchungenherausgekommrn sein sollte, darf nicht für eine neue Anklage verwertet werden, es ist also wertlos für die Ermittler, weshalb sie so was auch nicht machen. Der Freigesprochene muss sich in deinem Beispiel auch nicht eine DNA-Probe entnehmen lassen, so was würde kein Richter anordnen, ebensowenig einen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung unterzeichnen.
Könntest Du Deine Ansicht hier mal erläutern.

In dem obigen WiKi-Artikel wird bei der Begründung auf den Art. 103 Abs. 3 GG (Ne bis in idem) Bezug genommen, daher wird der Artikel nicht mehr aktuell sein.

Denn man hat nun gesagt hat, man habe diesen Artikel immer zu stark ausgelegt, also konnte man das Gesetz der Wiederaufnahme abändern.

Wenn diese Verfolgungshindernis nur darauf beruht, dann kann man nun auch direkt gegen den Freigesprochen ermitteln, wenn es die Möglichkeit gibt, dass derjenige wegen Mordes verurteilt werden kann. Selbst vorhandenes einfachrechtliche Gesetz könnte nun angepasst werden.

Für mich spielt das für die Ermittlungen selber eine untergeordnete Rolle, da gerade solche Dinge auch Ermittlungen gegen unbekannt meist heraus kommen. Die Gegenstände des Opfers können immer mit neuen Verfahren untersucht werden und auch bei Zeugenbefragung könnte dann wieder in der Freisgesprochene in den Fokus geraten. Was man natürlich nicht machen darf, Akten, welche durch Hausdurchsuhungen bei ihm o.ä enstanden sind, gegen ihn selber zu verwenden, aber im Zusammenhang mit anderen schon.

Da fällt mit für den Fall Frederike doch etwas ein, dort gab es wohl einen DNA-Treffer. Laut Wiki hat man die DNA mit den Haaren des Freigesprochenen verglichen. Sprich man hat hier in Wirklichkeit doch gegen den Täter ermittelt. Man erkennt hieran schon, dass StA/Ermittler nicht immer an die Gesetze halten. Bei Deiner Sichtweise des Verfolgungshindernis unterläge nun dieser Beweis sogar möglicherweise einem Beweisverwertungsverbot! Ich kann verstehen, dass man als Ermittler/StA einfach auch eine solche Untersuchung macht, man will Gewissheit haben, das ist eben die Realität, dass man solchen Versuchungen dann doch mal nachgibt.

Könntest Du mal aufführen, worin Du das Verfolgungshindernis (trotz Gesetzesänderung) noch weiterhin für begründet ansiehst, dieses Thema scheint hier schon für viele interessant zu sein, wie gesagt.


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Bundestag strebt Verfahrensänderung bei Kapitalverbrechen an

27.09.2021 um 20:52
Mord, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Der Bundesrat hatte in seiner letzten Sitzung vor den Neuwahlen noch auf einen Widerspruch gegen einen entsprechenden Beschluss des Bundestags verzichtet und damit die Neuregelung gebilligt.
Bei schwersten Straftaten wie Mord können Prozesse trotz eines früheren Freispruchs künftig unter bestimmten Umständen neu aufgerollt werden. Damit ein Prozess wieder aufgenommen werden kann, muss eine Verurteilung des Betroffenen sehr wahrscheinlich sein. Derzeit war dies nur möglich, wenn ein zuvor Freigesprochener später ein Geständnis ablegt. Dies galt selbst dann, wenn nachträglich neue Beweise oder Tatsachen bekannt werden, die jemanden eindeutig belasten. Insbesondere bei schwersten Straftaten wie Mord oder Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei das ein Problem, hieß es jetzt zur Begründung.
Verjährung - Auch zivilrechtliche Ansprüche der Opfer zeitlos?
Auch zivilrechtliche Ansprüche der Opfer gegen Urheber schwerster, nicht verjährbarer Verbrechen sollen künftig nicht mehr verjähren. Aktuell geschieht dies nach 30 Jahren. Dagegen hat der Bundesrat allerdings Bedenken und die Bundesregierung um eine erneute Überprüfung gebeten.
Quelle: https://www.e110.de/freispruch-nicht-mehr-endgueltig/


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