Die Halluzinogene Theorie
03.11.2005 um 18:37
Hab das noch was gefunden "Nahm Jesus Cannabis"
Nahm Jesus Cannabis
Immer wieder haben Wissenschaftler die Möglichkeit propagiert, religiöse, oder vorsichtiger: pseudospirituelle Erlebnisse wären durch die missbräuchliche Verwendung von Drogen zu erklären. Soweit der medizinische Verstand gefragt ist, kann dagegen solange nichts eingewandt werden, solange man sich im Unklaren ist, was man unter "religiösen Erfahrungen" versteht.
Wer das bloße Bestehen von Visionen und Halluzinationen schon als religiöse Erfahrung bezeichnen mag, der tut sich freilich selbst einen Bärendienst, da er den von ihm erwarteten Aufschrei dadurch verhindert, dass er den Gegenstand seines provokativen Blicks herabwürdigt.
Den bösartig großen Wurf zu machen, haben sich insofern erst wenige getraut. Jüngst aber hat sich Chris Bennet für die Liebhaber der klerikalen Provokation mutig in die Bresche geworfen. Dabei griff die amerikanische Forscherin eine bekannte Theorie auf, die für sich genommen selbst einem reaktionären Geistlichen keine Schauer über den Rücken jagen würde: Laut antiken Quellen war es bei religiösen Riten der verschiedensten Kulturen üblich, ein Ölgemisch namens Kaneh-Bosum als spiritualisierendes Salböl zu verwenden. Nun legt die Wissenschaftlerin nahe, dass dies auch die Hebräer und in weiterer Folge Jesus höchst persönlich getan haben soll.
Der pikante Knackpunkt der aufgeflammten Kontroverse besteht darin, dass Kaneh-Bosum als etymologisches Grundwort für das heute so bezeichnete Kannabis verstanden werden kann. So erwähnt Chris Bennet, dass schon 1936 die polnische Sprachforscherin Sula Benet die linguistische Verwandtheit der beiden Worte herleiten konnte und gießt damit – bildlich gesprochen – selbst Öl ins Feuer. Beruht die christliche ("christos" bedeutet zu deutsch "Gesalbter") Religion wirklich auf der erhebenden Wirksamkeit von Cannabis-Ölen? Bennet sagt: ja. Ob aus Medienwirksamkeit oder aus reinem Forschergeist: Es klingt alles in allem mehr als merkwürdig.
In ihrer Studie berichtet sie von angeblichen Kaneh-Bosum-Rezepturen, die in der hebräischen Version der Urbibel enthalten gewesen sein sollen und im Exodus 30: 22-32 findet sie sogar göttlichen Beistand:
Der Herr sprach zu Mose:
Nimm dir Balsam von bester Sorte: fünfhundert Schekel erstarrte Tropfenmyrrhe, halb so viel, also zweihundertfünfzig Schekel, wohlriechenden Zimt, zweihundertfünfzig Schekel Gewürzrohr (Anmerkung: Im Original wohl Kaneh-Bosum-, Kannabiskraut) und fünfhundert Schekel Zimtnelken, nach dem Schekelgewicht des Heiligtums, dazu ein Hin Olivenöl, und mach daraus ein heiliges Salböl, eine würzige Salbe, wie sie der Salbenmischer bereitet. Ein heiliges Salböl soll es sein. Damit salbe das Offenbarungszelt und die Lade der Bundesurkunde, den Tisch und den Leuchter mit ihren Geräten und den Rauchopferaltar, ferner den Brandopferaltar samt allen seinen Geräten und das Becken mit seinem Gestell.
So sollst du sie weihen, damit sie hochheilig seien; ein jeder, der sie berührt, wird heilig. Auch Aaron und seine Söhne sollst du salben und sie weihen, damit sie mir als Priester dienen. Zu den Israeliten aber sag: Das soll euch als ein mir heiliges Salböl gelten von Generation zu Generation. Auf keinen menschlichen Körper darf es gegossen werden und ihr dürft auch keines in der gleichen Mischung herstellen; denn heilig ist es, heilig soll es euch sein.
Neben all diesem mehr oder weniger "neuen" Gerede kommen die üblichen Spekulationen: Jesus sei gar nicht übers Wasser gegangen, dies seien bloß im Rausch erlebte Visionen seiner Anhänger gewesen; die Heilungen Jesus' seien auf die in seltenen Fällen therapeutische Wirkung der verwendeten Öle zurückzuführen; die Auferstehung sei Halluzination seiner ihm verfallenen Gläubigen gewesen.
Natürlich berichtet die amerikanische Forscherin auch beredt von jenen Bibelstellen, die von einer Abneigung Gottes gegen halluzinogene Mittel künden - und löst den konstruierten Widerspruch mit einem Griff in die Trickkiste auf: Sie zitiert Quellen, wonach - bei reichlich einseitiger Betrachtung - die alten Götterkulte von Ashera und Astarte jenem des neuen, einen Gottes das kannabisversetzte Salböl tradiert haben sollen.
Dass solcherlei abtrünniger Aberglaube dem Reinheitsgedanken der neuen christlichen Religion widersprach und die rituellen Hilfsmittel wie Kaneh-Bosum dem neuen Kultus ein Dorn im Auge waren, liegt für Bennet auf der Hand. Es stimmt, dass etwa die Propheten Esra, Nehemia und Jeremia vor einem Rückfall in alte Mysterienkulte wie jene der "Himmelgöttin Astarte" warnten und jene brandmarkten, die ihnen folgten. Auch Hosea hatte für dergleichen Gotteslästerung kein Verständnis. Aber über solche weiten Umwege zu den alten Propheten den Spagat zwischen der biblischen Zu- und Abneigung des christlichen Gottes gegenüber diversen Salbölen zu schaffen, erscheint mehr als übertrieben.
In letzter Instanz stellt sich immer die moralische Frage, welchen lebenssinnlichen Zweck solche Studien für die heutige Gesellschaft, ja Gemeinschaft haben kann. Nachdem nicht anzunehmen ist, dass der heutige christliche Gläubige deswegen an Gott festhält, weil er ihm tägliche "Kannabis-Kuren" verordnet hat, oder seine Proponenten dergleichen Ölmixturen verwendeten, darf der hilfestellende Sinn einer solchen Studie bei aller notwendigen und richtigen forscherischen Freiheit in Frage gestellt werden.
Ich erinnere mich an einen öffentlichen Streit, der vor etwa einem Jahr ausgebrochen war, weil der Karikaturist Josef Haderer Jesus' Leben als ein von Kannabisräuschen durchzogenes darstellte und sich der Theologe und Freidenker Richard Picker wohlwissend zwischen die Fronten gestellt hatte, als er sinngemäß sagte "Seien wir (Anm.: gemeint waren die Christen) nicht beleidigt, sondern zeigen wir ihm, warum wir nicht alle bekiffte Idioten sind. Beleidigt sein allein ist genauso zu wenig, wie bloße Provokation!" Wie wahr.
Quelle: Harald Gröbner
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