navi12.0 schrieb:Das hat nur sehr wenig was mit Logik zu tun.
Eher mit einem Denkmechanismus, der sich zum einen auf bestimmte Phänomene fokussiert, und zum anderen vermutlich aus Gewohnheit gerne verallgemeinert. Also von einer kleinen Teilmenge eine Gruppe auf alle Mitglieder dieser Gruppe schließt.
So ein Mensch fokussiert sich erstmal sehr stark auf alles, was irgendwelche Ausländer irgendwo gesetzeswidrig getan hatten. Damit bestätigt er seine Meinung immer wieder, lässt aber den wichtigen Gedanken nicht zu, dass es eben nur ein verschwindend kleiner Anteil von Ausländern ist, der ernsthaft kriminell wurde. Genau wie es bei jeder anderen Volksgruppe Anteile von Kriminellen gibt, besonders dann, wenn sie irgendwo in Nöte geraten, und die man dann auch nicht so überbewertet, weil von ihnen kein übergeordnet großes Risiko ausgeht.
Nun wird durch die sehr starke Fokussierung auf Ausländer ein Zerrbild der Wirklichkeit erschaffen, in der der dieser ein besonders hohes Risiko hätte, kriminell zu werden, und deshalb seine Ablehnung logisch erscheint.
Guckt man sich aber die Kriminalstatistiken an, und vergleich sie mit anderen Gruppen, wird recht deutlich, dass es sich hier weniger um den Faktor "Ausländer" handelt, der die Wahrscheinlichkeit steigert, dass jemand kriminell wird, als vielmehr um den Faktor "Armut".
Ferner wird auch klar, dass die Wahrscheinlichkeit gerade in einem der sichersten Länder der Welt, welches Deutschland nun mal ist, Opfer eines Verbrechens zu werden, ohnehin sehr gering ist.
Vernünftiger wäre es also die eigene Risikobewertung in der Sache so zu gestalten, wie sie tatsächlich von bestimmten Zahlen und Beobachten vorgegeben wird, nicht so, wie man es sich selbst zurecht legt. Schließlich dadurch einen Popanz bastelt, den man nur fürchten kann.
Das ist alles im Kern erst mal nachvollziehbar. Das gibt es im Lande sicherlich zahlreich, im Forum sicherlich auch bei Leuten. Vielleicht bei einem selbst. Ich klammere mich da nicht gänzlich aus, auch wenn ich meine mich möglichst immer selbst zu ermahnen. Aber das ist nun mal verbreitet. Das wirst du auch, um mal das Spektrum zu erweitern, in allen möglichen politischen, religiösen und ideologischen Lagern finden. Ich nenne das mal etwas despektierlich das "ideologische Brett" oder den "ideologischen Tunnelblick". Oder von mir aus anders, weniger wertend, "selektive Wahrnehmung". Der Sozialist/Kommunist der den Arbeiter in Gefahr sieht und das System hasst, der Arme der den Reichen als Feindbild hat, Linke gegen Rechte, Rechte gegen Linke, Konsum gegen Verzicht, Mann gegen Frau, Gender, Nationen/Ethnien, Sportvereine, Paare/Partner mit Eifersucht die Dinge sehen die gar nicht wirklich da sind, Verschwörungstheorien, was weiß ich. Sehr zahlreiche Felder wo das auftreten kann.
Zerrbilder gibt es überall. Wie geht man damit um? Man muss sich eben selbst ein wenig "ermahnen", differenzieren, bändigen, seine, im Slang ausgedrückt, "reality checken". Sich und seine Wahrnehmung oder Priorisierung hinterfragen.
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Das heißt aus meiner Sicht aber nicht, dass ich dann ein Phänomen was vielleicht kleiner als persönlich empfunden ist gänzlich ausklammern oder ignorieren kann oder sollte, noch denke ich, dass es auch immer nur reine wirtschaftliche Verhältnisse sind - also "Armut". Ja, Armut (materiell oder geistig? Beides?) begünstigt natürlich vieles als wenn man zumindest materiell sehr gesegnet wäre. Aber erstens gibt es hier Ausnahmen und zweitens kann nun mal nicht jeder sinngemäß mit goldenem Löffel im Mund geboren werden oder aufwachsen.
Man muss auch in angespannten Haushalten schauen oder erwarten können, das nicht jeder kriminell wird - gerade dann wenn es gar nicht um Eigentumsdelikte usw. geht sondern um reine Gewalttaten wo nicht mal das Ziel die materielle Bereicherung war, sondern nur Gewalt. Klingt dann nicht so als wurde jemand zu einer Tat getrieben weil er 'arm' ist, da er durch diese Tat auch nicht 'reicher' wurde.
Lange Rede kurzer Sinn:
1) Zerrbilder und 'andere Welten' in der Wahrnehmung, also selektive / verzerrte Wahrnehmungen, sind verbreitet und man muss lernen das selbst (bei sich aber ggf. auch anderen) zu erkennen um wertigere Debatten oder auch Handlungen zu fördern
2) Vielleicht sollte man also manches nicht aufbauschen, aber Achtung: Gänzlich ignorieren oder kleinreden sollte man gewisse Phänomene damit aber auch nicht unbedingt
3) Armut kann ein relevanter Faktor sein, aber ich sehe manchmal eben auch in manchen Fallkonstellationen eher sozio-kulturelle Probleme
Oder anders zu Punkt 3: Der Faktor "Ausländer" (genauer Sozialisierung) kann eben auch ein Aspekt sein. Wenn nicht der einzige, dann dennoch irgendwo ein Aspekt der eine Rolle gespielt hat. Armut muss nicht immer der Auslöser sein.