JoschiX schrieb:Für mich liesst sich dein Posting so als sprächest du Verteidigern pauschal jeden Berufsethos und jedes Moralverständnis ab.
Bitte was?
Nein, das tue ich ganz sicher nicht, aber in der Juristerei hat persönliche Moral auch nur wenig zu suchen. Das versteht man, wenn man sich halbwegs für das Thema unabhängig von irgendwelchen fiktiven Serien interessiert.
Vorhin wollte ich lediglich zum Ausdruck bringen, dass ein Verteidiger mehr zu tun hat als nur das reine Sicherstellen eines fairen Verfahrens. Und dazu gehört eben auch, wenn möglich, dass zu erwartende Strafmaß für den Angeklagten so gering wie möglich zu bekommen, wenn schon keine Möglichkeit bestehen sollte von einem Mordvorwurf wegzukommen oder gar einen Freispruch zu erreichen.
Selbst wenn seine Verteidigung sämtliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft oder der Bundesanwaltschaft als gerechtfertigt ansehen würde, da nicht mehr viel zu entkräften wäre, dann wird die Verteidigung aber zumindest alles im erlaubten Rahmen unternehmen, um wenigstens das Strafmaß so gering wie möglich zu bekommen.
Aber um wieder richtig beim Thema zu bleiben:
Dass man jetzt so viele Vorwürfe gegen unsere Polizei lesen muss, finde ich ehrlich gesagt auch nicht richtig. Klar, ignorierte Vorzeichen dürften dagewesen sein, aber doch eher allgemein nur und nicht auf die gestrige konkrete Tat bezogen.
Soweit ich weiß bzw. verstanden habe, gab es im Vorfeld keine konkreten Drohungen gegen die Synagoge in Halle und somit bestand auch keine gesonderte und erhöhte Gefährdungslage außer die ohnehin bei jüdischen Einrichtungen bestehenden. Da dürfte auch der spezielle Feiertag nicht viel dran geändert haben, dass nur allein durch diesen Tag die Gefährdungslage besonders hochgestuft wurde.
Ja nicht mal der mutmaßliche Täter soll ja im Vorfeld auf dem Radar von Ermittlungsbehörden aufgetaucht sein. Soll nicht in Erscheinung getreten sein. Wenn er vorher wirklich vollkommen unbekannt war, dann wäre ja nicht mal ein mögliches im Auge behalten in Frage gekommen.
Wie gesagt, hätte es im Vorfeld irgendeinen konkreten Verdacht gegeben, irgendeine konkrete Drohung, hätte ja nicht mal nur gezielt auf die Synagoge in Halle bestehen müssen, sondern einfach eine konkrete Drohung für gestern, in der alle Synagogen in Deutschland als ein potenzielles Ziel genannt worden wären, dann wären die Ermittlungsbehörden ganz sicher anders verfahren. Dann hätten sie viel umfangreichere präventive Maßnahmen eingeleitet. Davon kann man doch wohl ausgehen.
Ansonsten bleibt noch zu sagen, was auch in mehreren Interviews heute gesagt wurde, nur ganz kurz zusammengefasst:
- Die Polizei wägt grundsätzlich ab.
- Bündelt sinvoll Ressourcen, setzt sie ein.
- Auch sie haben sich an Gesetze zu halten und können nicht jede gewünschte präventive Maßnahme durchsetzen. Weder rechtlich und vermutlich auch wegen Personalmangel nicht.
- Sie haben schlicht und ergreifend keine Glaskugel und keine Hellseher zur Hand.
Vielleicht hatte sich die Polizei für den gestrigen Tag nur für ein regelmäßiges Streife fahren entlang der Synagoge entschieden anstatt Personal für den ganzen Tag abzustellen. Sie werden schon ihre Gründe gehabt haben.