Bishamon schrieb:wie sah die aus?
Israel lebte anfangs als ein loser Verband von Sippen und Stämmen im Land, aber nach und nach bildete sich eine engere wirtschaftliche Verflechtung, schließlich eine "politische Einheit", eine Königsherrschaft unter König Saul. OK, so ein richtig4es Königtum war das wohl noch nicht, man spricht eher von "chiefdom", auf deutsch sowas wie "Häuptlingsherrschaft". Saul stützte sich auf Berater ("Minister") hauptsächlich aus seiner eigenen Sippschaft, dem Stamm Benjamin, und bezahlte sie entsprechend auch mit Land oder Erträgen. David diente später an Sauls Hof, fiel dann aber in Ungnade und mußte fliehen. Er installierte im Süden dann ein eigenes Königreich (/chiefdom), bestehend aus dem "Kernstamm Juda" (die Bevölkerung des "Juda" heißenden Berglandes) zwischen Jerusalem und Benjamin im Norden und Hebron im Süden, unter Einbindung der südlich von Hebron siedelnden lose mit Israel verbandelten Sippen wie den Kenitern, Kalebitern, Otnielitern, Jerachmeelitern...
Als Konkurrenten gab es nicht nur Spannungen zwischen dem Reich Sauls und dem Davids, es gab auch militärische Auseinandersetzungen. Zumindest Geplänkel. Nach Sauls Tod regierte dessen Sohn Isch Boschet / Esch Baal. Als dieser einer Intrige zum Opfer fiel (der nächste Saulide war noch ein Kind), trugen die Ältesten des Saulreiches David die Königswürde an, und David herrschte über ein einheitliches "Reich Israel". Allerdings rekrutierte auch David vor allem aus seiner eigenen Sippe die Berater, Heerführer etc. Als er Jerusalem an der Grenze zwischen seinem alten Herrschaftsbereich und dem des Saulreiches eroberte und hier die neue Königsstadt einrichtete, über5nahm er aber auch den "Beamtenapparat" der alten Kanaaniterstadt. Wahrscheinlich führte er auch weitere kanaanitische Gepflogenheiten der Stadtstaaten ein wie ein Steuersystem (sodaß er als Herrscher nicht mehr die Beamten aus "eigener Tasche" bezahlen mußte). Damit griff David in die Stämmeautonomie ein. Unter David gab es mehrere Aufstände, zum einen wegen der Eingriffe in das alte Stammesrecht und die Stammesautonomie, aber auch wegen der Bevorzugung des "Familienstammes" Juda. Diese Aufstände führten zu blutigen Auseinandersetzungen.
Salomo verschärfte nach Davids Tod diese "Kanaanisierung" des Reiches noch. Das Steuersystem wurde kräftig ausgebaut, "Vögte" über die Stämme eingesetzt, und das Land in Verwaltungsbezirke gegliedert, die sich z.T. nicht mehr an die Stammesgrenzen hielten und sogar kanaanäische Bezirke beinhaltete. Aus dem politischen Stämmebündnis wurde ein nicht ethnisch definierter Flächenstaat mit restriktivem Abgabesystem. Nach Salomos Tod forderten Delegierte der Stämme vom Thronprätendenten und Salomosohn Rehabeam eine Lockerung der Fronpflichten und Abgaben, doch verweigerte Rehabeam sich dieser Forderung. Darauf lösten sich die Nordstämme von der Davidsdynastie und wählten sich einen neuen König: Jerobeam. Der Stamm Juda, der als Heimatstamm der Davidsdynastie wie im Chiefdom üblich weniger unter der Last der Besteuerung litt, blieb aber dem Davidshaus gegenüber loyal; Jerusalem war eh "Privatbesitz" der Dynastie.
In der folgenden sogenannten Königszeit Israels bestanden diese beiden politischen Gebilde stets neben und (zumeist) gegeneinander, bis zum Untergang erst des Nordreichs Israel und dann auch des Südreichs Juda. Es gab zuweilen Bündnisse und Koalitionen, aber es gab auch immer wieder mal Kriege zwischen den beiden Reichen. Selbst der nachexilische Konflikt zwischen den Juden und den Samaritanern ist noch eine Nachwirkung dieser politischen Zweiteilung Israels und der Befindlichkeiten zwischen den beiden Gesellschaften.
Selbst vor der Errichtung der Königsherrschaft (/chiefdom) gab es schon Spannungen zwischen den Stämmen, wovon vor allem das Richterbuch berichtet. Unter den Nordstämmen dominierte oft der Stamm Ephraim, weswegen das Nordreich zuweilen auch "Ephraim" genannt werden konnte. Diese Vormachtstellung bildete sich bereits in vorstaatlicher Zeit heraus. Richter11 berichtet davon, wie die Gileaditer (ein ostjordanischer Sippenverband) sich unter dem "Richter" Jiftach erfolgreich gegen die einfallenden Ammoniter erwehrten. Im Folgekapitel Richter12 wird berichtet, wie der Stamm Ephraim mit Vergeltung droht, daß bei der politischen Entscheidung, unter wessen Regie man gegen die Ammoniter vorgeht, eben der Stamm Ephraim nicht berücksichtigt wurde. Darauf kommt es zu einem Kampf zwischen Ephraim und Gilead.
Es gab also praktisch immer Zwist und Zänkereien zwischen den Stämmen, ebenso Krieg und Gewalt, Vormacht und Ausbeutung. Letztlich also wie gehabt, stets war es eine "Machtfrage". Zuweilen wird das kaschiert, indem man irgendein religiöses Motiv vorschiebt. Aber die wahren Gründe sind doch immer wieder handfester Natur: Macht, Geld...