Atrox schrieb:Die Zielgruppe sind eben nicht promovierte Politikwissenschaftler, sondern auch Leute, die sich mit solchen Themen zum ersten Mal auseinandersetzen. Leute, die ein weitergehendes Interesse an Politik haben, brauchen den Wahl-o-mat nicht.
Ich verstehe diesen Einwand als eine Art in-Schutz-nehmen des Wahl-O-Mats bzw. eine Argumentation pro seiner Daseinsberechtigung und seines Nutzens.
Daher muß ich glaube ich nochmal näher auf meinen Vergleich mit einem BRIGITTE-Psychotest eingehen. Sehen wir uns doch mal dessen Funktionsweise an:
Bei diesen Lifestylemagazin-Tests werden Dinge abgefragt, die die Testperson dann umformuliert als Ergebnis präsentiert bekommt.
Nach dem Muster „Welches Temperament haben Sie?“ werden entsprechend Fragen gestellt in die jeweilige Richtung und die Probanden stellen „erstaunt“ fest, daß sie der „ausgeflippte Typ“ sind – wie konnte dieser ausgefuchste Test das bloß wissen, wo man doch nur angekreuzt hatte, daß man auf Parties gerne auf Tischen tanzt, zu Hause auch mal streitet wie ein Kesselflicker und auch betrunken mal gerne zum Karaoko-Mikro greift?
Total verrückt…
Fazit: absolut sinnlose Zeitverschwendung!
Und gerade und besonders Leute, die
sich mit solchen Themen zum ersten Mal auseinandersetzen
würde ich gerne von diesem fragwürdigen tool fernhalten.
Denn die Idee/Intention dahinter finde ich dumm und gefährlich: als ob man wichtige, weitreichende politische Fragen in verkürzten Sätzen darstellen, hinreichend verstehen und mit „stimme zu / stimme nicht zu“ beantworten könnte.
Bei über der Hälfte der Fragen sind mindestens Rückfragen notwendig, um die Aussage überhaupt klar verstehen zu können.
So wie sie da stehen ist nicht viel klar und alles in jede Richtung deutbar.
Eine politische Wahl zu haben sollte bitte nicht verkommen in ein spielerisches "hier sage ich mal ja. Ach, und das hier finde ich glaub ich doof" – der Wahl-O-Mat erfasst nur eine Stimmung und vermittelt fälschlicherweise das Gefühl (gerade bei nicht hinreichend über bestimmte Fragen Informierte), das sei ausreichend – zumal ja die Ergebnisse fast immer das eigene Gefühl (Oh Wunder!) bestätigt.
Ich nehme mal exemplarisch direkt die erste Frage im Wahl-O-Mat:
„Bei der Terrorismusbekämpfung soll die Bundeswehr im Inland eingesetzt werden dürfen.“
Worum es konkret geht, wissen bestimmt die wenigsten Nutzer, sie interpretieren die Frage einfach irgendwie und entscheiden sich für eine Antwort pro/kontra. Bei 38 Fragen dieser Art ist das Ding nicht mehr als bestenfalls ein Spielzeug, Zeitvertreib oder ein Stimmungsfänger, der schlimmstenfalls tatsächlich eine fundierte Wahlfindung ersetzt bei manchem Wähler.
Saphira schrieb:Man kann ja im Wahl-O-Mat die Begründungen der Parteien durchlesen, was ich auch mit sämtlichen Parteien getan habe.
Sicher kann man das – aber auch das ist immer stark verkürzt schwer möglich und die einzelnen Punkte sind ja selbst in den Wahlprogrammen nicht hinreichend deutlich ausgeführt und/oder in verschiedene Richtungen deutbar. Und jetzt?
Wählen sollte kein Stadtbummel sein, bei dem man sich die Auslagen von draußen ansieht und hier und da draufzeigt. Es reicht eben nicht, die Werbezettel mit den selling points neben den Produkten zu lesen – denn da steht vielleicht neben den hübschen Stiefeln „wasserdicht und 2 Jahre Garantie“ drauf, aber wenn einem vielleicht auch wichtig ist, unter welchen Bedingungen sie gefertigt wurden oder worauf sich die Garantie eigentlich genau bezieht oder ob die Dinger vielleicht zwicken usw. erfahre ich erst, wenn ich mich ausreichend kundig mache.