Ich will in dieser Diskussion doch noch einmal zu den rechtlichen Fundamenten zurückkommen, die
@DoctorWho und
@kleinundgrün hier schon einmal angesprochen haben. Als Bürger eines Landes, in welchem Meinungsfreiheit einen sehr hohen Schutz geniesst und in dem es keine Straftat wäre ein hier thematisiertes T-shirt zu tragen, finde ich diese Thematik immer wieder interessant.
Dabei wird aber regelmässig verkannt, worum es dem deutschen Gesetzgeber, zumindest nach der Interpretation seiner höchsten Gerichte eigentlich geht. Es ist bemerkenswert, dass ein solch radikales Verbot, bestimmte Kennzeichen oder auch nur Grussformeln zu verwenden nur in Deutschland und Österreich bestehen. Die Schweiz hat das vor einigen Jahren heftig diskutiert und dann darauf verzichtet, eine solche Strafnorm einzuführen. In Grossbritannien, Kanada oder den USA wäre es undenkbar, einen solchen schwerwiegenden Eingriff in die Meinungsfreiheit zu kodifizieren.
Warum also in Deutschland und Österreich? Nun, und ich beschränke mich im Folgenden auf Deutschland, die Erklärung liegt in der Geschichte.
Der Bundesgerichtshof hat zum § 86a StGB geschrieben:
Die Vorschrift dient nicht dazu, jedwedes Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen oder nationalsozialistischen Organisation unter Strafe zu stellen, sondern tabuisiert lediglich tatsächlich existierende oder diesen zum Verwechseln ähnliche Symbole dieser Organisationen.
BGH 3 StR 228/09 Urteil vom 13.8.2009 zu einem Urteil des LG Gera
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/09/3-228-09.phpDas ist also hier das juristisch entscheidende: Es geht aus der Sicht des BGH hier gar nicht um einen Eingriff in die Meinungsfreiheit. Oder in anderen Worten: wer will, darf so deppert sein und meinen, die Nazis seien ganz gute Kerle gewesen und so weiter. Das steht auch in Deutschland per se nicht unter Strafe. Man darf sogar, nach dieser Auffassung des BGH, sich zu dieser Meinung bekennen.
Was man nicht darf, ist Symbole aus dieser wohl dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte verwenden.
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu geschrieben:
Der Schutzzweck des § 86a StGB besteht in der Abwehr der symbolhaft durch die Verwendung eines Kennzeichens ausgedrückten Wiederbelebung bestimmter Organisationen sowie der symbolhaft gekennzeichneten Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen. Dabei wehrt § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Gefahren ab, die schon allein mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kennzeichens verbunden sind. Ein Unterstützungswille für die durch das Kennzeichen symbolisierte Organisation muss dabei nicht bestehen. Die Norm verbannt somit die entsprechenden Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens und errichtet so ein kommunikatives "Tabu". Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden.
BVerfG 2 BvR 2202/08 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 18. Mai 2009 (OLG Bamberg/LG Bamberg/AG Forchheim)
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/bverfg/08/2-bvr-2202-08.phpEs geht bei §86a darum, ein "kommunikatives Tabu" zu errichten. Es soll klipp und klar erreicht werden, dass in Deutschland nie wieder auch nur der Eindruck entstehen soll, dass der "Schoss noch fruchtbar ist, aus dem das einst kroch" (nach Bertolt Brecht).
Es geht um eine ganz klare politische Entscheidung: Nie wieder Nazis! Die obersten Gerichte billigen dem Gesetzgeber die Freiheit zu, Normen aufzustellen, die verhindern, dass die verfassungsmässige Grundordnung angegriffen wird. Eine "wehrhafte Demokratie" wird also erlaubt, und hier wird dadurch der Meinungsfreiheit eine gewisse Grenze gesetzt. Es geht aber, wie gesagt, nicht um die Meinung an sich, sondern immer um eine "tatsächliche" Wirkung.
Der Gesetzgeber hat befürchtet, dass die Verwendung der Symbole etc. der Nazis als Propaganda dazu gebraucht werden können, noch einmal in Deutschland ein nationalsozialistisches Regime mit seiner Schreckensherrschaft einzuführen, bzw. dafür zu werben. Und das hat er verboten.
Jetzt wird auch klar, warum es eine solche Vorschrift nur in Deutschland und Österreich gibt: den beiden Ländern, die unter einem solchen Regime bereits einmal gestanden haben.
Nun ist es legitim, die Frage zu stellen, ob 70 Jahre nach dem Ende der Nazis immer noch eine Notwendigkeit für diese Strafnorm besteht. Und es ist m.E. legitim zu sagen: ja, denn man braucht sich nur einmal Höckes Rede in Dresden anzuhören.