lawine schrieb:es gibt auch in der Familie Reinhart Menschen, die sich Sinti nennen und nicht Zigeuner genannt werden wollen. so ist das eben. jede/r sll für sich entscheiden. Das beinhaltet aber auch, dass Deutsche sie so nennen dürfen, ohne die Rassismuskeule befürchten zu müssen.
Und wie verhalte ich mich nun, als Nicht-Sinti?
Nenne ich alle Zigeuner, weil manche das nicht schlimm finden, oder nenne ich einen Reinhart Sinti, falls es in unserem Gespräch um seine Familie, Herkunft, Tradition u.s.w. geht, weil das nicht verkehrt ist?
Ich würde mal auf letzteres tippen.
Und dann muss man auch bedenken: Viele Familien, auch Schwarze in den USA, die gerade von den Traditionen lebten, haben es abgelehnt, sich von diskriminierenden Bezeichnungen diskriminiert zu fühlen. Vielleicht hatten einige tatsächlich genug Selbstbewusstsein (und Einkommen), um darüber lachen zu können.
Andere fanden das nicht so lustig, denn ohne die Folklore hätten auch viele schwarze Musiker ihren Job nicht mehr machen können. Also sind sie in den Clubs aufgetreten, in denen nur Weiße als Publikum zugelassen waren, und haben die Klischees erfüllt, auch wenn es kein Spaß war.
Man kann aber kaum ein leidenschaftlicher, guter Musiker sein, der Gigs in Clubs bekommt, und sein Publikum hassen. Also wird man gegenüber den Publikum und seinen Eigenheiten tolerant... auch gegenüber den Demütigungen, und begegnet ihnen im besten Fall mit Selbstbewusstsein.
Familie Reinhardt lebt schon seit Generationen von Folklore und Innovation, Django und Schnuckenack waren absolute Koryphäen.
Aber haben sie sich in ihrem Künstlerleben auch Gedanken über die Diskriminierung von denen gemacht, die weniger begabt waren, und sich nicht durch die Nazizeit durchwursteln konnten? Oder haben sie nur genug Ironie entwickelt, dass es ihnen wurst ist, ob jemand sie Zigeuner nennt, aber trotzdem ihre Platten kauft?
Sind sie ausschlaggebend dafür, ob ich als Nicht-Sinti einen Sinti auch als Zigeuner bezeichnen und ihm, falls er das nicht ok findet, erklären darf, dass das die Reinhardts nicht so eng sahen? Ich denke nicht. Denn es geht gar nicht darum, was die Reinhardts ok finden, sondern wie ich mich gegenüber Sintis verhalte, und da halte ich mich an den gemeinsamen Nenner, nicht an eine individuelle Toleranzgrenze.
Manche Frauen finden "Fräulein" ja auch ok, eine alte Dame sprach von ihrer Schneiderin (Damenmaßschneider-Meisterin) auch schon von einem "Nähmädchen", und meine Oma bezeichnete Schwule als "175er".
Muss man trotzdem nicht durchziehen und sich dann über die Reaktion wundern.