@Aldaris Aldaris schrieb:Ich habe bisher noch niemanden aus dieser Szene persönlich kennenlernen dürfen, deshalb interessiert mich, wie man als 'ehemals' oder vermeintlich Linker zu dieser seltsamen Gesamteinstellung kommt und ob das noch etwas mit links zu tun hat.
Verstehst du das wirklich nicht?
Der zunächst ins Auge fallende und klarste Gegensatz zu rechts bzw. rechtsnational ist ja eben die radikale Absage an alles Deutschnationale und damit natürlich auch an alle Neonazis, Pegidas usw. Ich glaube darüber gibt es keinen Dissens.
Der Dissens fängt besonders mit "nicht spezifisch antiamerikanisch" an und hört nicht zuletzt bei "pro Israel" auf.
Wie du weißt, ist z.B. Horst Mahler mit einem einzigen Schritt nahtlos von Linksaußen zu Rechtsaußen gegangen. Und warum? Weil es in der Historie der BRD leider extrem viele Schnittmengen zwischen der Altlinken und der nationalisten Rechten gab und gibt. Dies betrifft dfie Punkte
• Antiamerikanismus
• "regressiver Antikapitalismus"
• Antizionismus
Wir sehen, dass diese 3 Einstellungen mehr oder weniger unbeschadet durch die alte Linke von den Einstellungen des Nationalsozialismus übernommen wurden. Die größte Übereinstimmung der Altlinken mit den Nationalsozialisten, aber auch mit den Neonazis, ist ein relativ emotionaler Antiamerikanismus, dessen Kern der Kritik darin besteht, dass die Amis schon immer und heute mehr denn je Imperialisten sind und das eigentliche Übel in der ganzen Welt. Die Nazis sprachen von "jüdisch-bolschewistischer Weltverschwörug"; sie sahen in Amerika die Juden an den Hebeln der Macht, besonders beim Großkapital; erst die Juden hätten Amerika so stark gemacht. Das würde mehr oder weniger noch jeder Altlinker bestätigen, wenn auch mit leicht anderer Gewichtung. Die Altlnken regten sich genauso wie die Neurechten über den immer noch vorhandenen Einfluss der USA auf Deutschland auf: Es gibt immer noch US-Kasernen in Deutschland und es lagern weiterhin Atomraketen auf unserem Terrain. Beide, Altlinke wie Rechte, sprechen von einer nach wie vor nur begrenzten Souveränität Deutschlands, auch nach der Wiedervereinigung.
Ich glaube, so wie ich das sehe, die "Antideutschen" wollen genau diese 3 Übereistimmungen zwischen der Altlinken und der neuen Rechten zerschlagen und landen damit aber erneut wieder in unsicheren Gewässern:
• nicht antiamerikanisch zu sein bedeutet den Turbokapitalismus in Reinkultur zu unterstützen (aber tut das die deutsche Regierung nicht auch?), bedeutet imperialistische Tendenzen in der Welt zu unterstützen ("Wir verteidigen unsere Freiheit am Hindukush"), bedeutet Folter zu akzeptieren (Guantanamo) etc. Wollen die Antideutschen diese Positionen wirklich sich zu eigen machen?
• Der Antikapitalismus der Altlinken war von Anfang an ein "regressiver", indem er sich nicht nur gegen das kapitalistische System wandte, sondern gegen die moderne Technologie schlechthin. Die Schnittmenge zwischen nationalsozialistischer Träumerei (Deutschland als ein wunderschönes Agrarland bis hin zum Ural, ohne Fremde, nur "Arier") und einem spezifisch deutschen Altlinktum (Landkommunen, autarke Lebensformen, gegen alles industriell-Fortschrittliche) war/ist nach wie vor enorm.
• Der Antizionismus der Altlinken ergibt sich komischerweise als Negativfolie vor dem Hintergrund des Pro-Semitismus. Da die Altlinke (zu recht übrigens) von Anfang an pro Palästina war und einen palästinensischen Staat forderte, musste sie Israel und dessen Politik zwangsläufig für reaktionär halten, zumal aufgrund der USA-Israel-Koalition. In diesem Punkt erkenne ich übrigens den einzigen Fehler der "Antideutschen": Dass sie die Position und Politik Israels mehr oder weniger bedingungslos übernehmen und sich damit im Nahostkonflikt zwangsläufig auf eine antiarabische Position stellen. Heute gegen Israel sein bedeutet alles andere als rückblickend der nationalsozialistischen Position oder gar dem Holcaust zuzustimmen.