EU baut Schutz der Außengrenzen aus
Frontex wird verstärkt, Grenzen technisch hochgerüstet und ein European Border Guard System konzipiert
Von einer "Festung Europa" will der EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos nicht reden, er möchte auch das Wort "Druck" nicht benutzen, wenn es um Staaten geht, die sich in der Flüchtlingskrise einer Zusammenarbeit im Sinne erwünschter Ziele verweigern. Für beide Begriffe bieten die Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 14. September allerdings deutliche Hinweise.
Die dort aufgelisteten 14 Punkte breiten ein Spektrum von Maßnahmen aus, die mit hauptsächlich mit dem Signal "Draußenbleiben" überschrieben sind: Das Problem "Migrationsströme" soll möglichst an den Außengrenzen - und außerhalb - unter Kontrolle gebracht werden.
Die Mittel, die dazu aufgefächert werden, heißen: mehr Geld für Flüchtlingslager außerhalb Europas; das Ansetzen politischer Hebel über Mittelvergaben an EU-Randstaaten oder angrenzende Länder und schließlich der Ausbau einer abgestuften, technisch hochgerüsteten und robusten Sicherung an den EU-Außengrenzen, die Verbesserung der Registrierung von Migranten, die Forcierung von Maßnahmen zur Rückführung von Migranten.
Klar ist, Bilder, die an Straßenkämpfe in Unruhegebieten erinnern, wie aus dem ungarischen Röszke entsprechen nicht dem Image, das die EU von sich haben will. Die Flüchtlingsmengen mit ihrem unbedingten Willen in Länder mit besseren Verhältnissen und Möglichkeiten zu kommen, rücken das Verhalten der Europäische Union in ein Licht, das die Härten herauskehrt. Umso mehr als man zuvor über die deutsche Kanzlerin noch ein ganz anderes Signal an die Flüchtlinge und die Öffentlichkeit gegeben hat.
Umso dringlicher stellte sich dem Rat der Europäischen Union das Präventionsproblem. Dazu setzt man einmal bei den Flüchtlingslagern nahe der Herkunftsländer an, in der Türkei, im Irak und im Libanon: der Regionale Treuhandfonds Syrien wird erheblich aufgestockt, so die Absichtserklärung. Eine genaue Summe wird allerdings nicht genannt.
Ergänzt wird dies laut Dimitris Avramopoulos von einem Treuhandfonds im Volumen von 1,8 Milliarden Euro für afrikanische Länder.
"Wirksame Grenzkontrolle unerlässlich"
Der Hauptteil der präventiven Maßnahmen folgt dann dem Schlüsselsatz: "Der Rat betont, dass für die Steuerung der Migrationsströme eine wirksame Grenzkontrolle unerlässlich ist."
Dazu sollen Mittel für die laufende Frontexoperationen Triton 2015, Poseidon 2015 und EUNAVFOR (Unerwünschte Migration: 39 Schiffe von EU-Mitgliedstaaten kreuzen im Mittelmeer) verstärkt werden, unverzüglich Soforteinsatzteams (Rapid Border Intervention Teams) von Frontex zum Ausbau der "Reaktionsfähigkeit der EU an sensiblen Außengrenzen" zum Einsatz kommen. Eigens verdeutlicht wir, dass damit auch Grenzen zu Transitländern gemeint sind. Die sollen enger mit Frontex zusammenarbeiten, "um den Migrationsdruck zu bewältigen".
Bis Jahresende will die EU-Kommission laut Dimitris Avramopoulos ausarbeiten, wie ein europäisches Grenzüberwachungssystems (European Border Guard System) aussehen könnte. Zu dem Konzept gehören dann dem EU-Innenkommissar zufolge auch multinationale Grenzposten-Teams an den Außengrenzen der EU.
Wie die künftige Grenzsicherung technisch ausgebaut wird, lässt sich am Beispiel Griechenland ablesen. Dem Schutz der griechischen Grenzen wird besonderes Interesse beigemessen, auch dafür werden die Geldmittel laut Schlussfolgerungen aufgestockt.
Möglichst lückenlose Registrierung und Identifizierung der Migranten
An einem Papier zum ISF, zum Fonds für die Innere Sicherheit, veranschaulicht an Details wie die Grenzsicherungsinfrastruktur angefangen von schnellen Internetverbindungen, über automatische Grenzüberwachungssysteme (ABSS) und den einzelnen Grenzsicherungseinheiten aussieht.
Wichtig ist der EU die möglichst lückenlose Registrierung und Identifizierung der Migranten mit der Abnahme von Fingerabdrücken, was auch Juncker in seiner State-of-Union-Rede eigens betonte. Dazu will man auch das System des Datenaustausches zwischen den EU-Ländern intensivieren. Das Schengener-Informationsystem (SIS) soll möglichst lückenlos funktionieren.
Ziel ist es, die sogenannte Sekundärimmigration zu verhindern und um genaue Daten zu haben, die die Rückführungsprozesse effizienter machen. Zur Unterstützung der besseren Grenzkontrollen sind Hotspots in Italien und in Griechenland geplant.
Man will darüberhinaus "alle Hebel in Bewegung setzen", damit die "Laisser-Passer"-Regelung die Rückführung von Flüchtlingen möglichst reibungslos gestaltet. Um die Zusammenarbeit mit Drittländern und Staaten auf der Westbalkan-Route zu verbessern, lockt man mit mehr Mittel oder droht indirekt - über eine Neufestlegung von Prioritäten - mit einer Streichung von Mitteln:
Die erforderlichen Ressourcen sollten durch eine Neufestlegung der Prioritäten bei der Entwicklungszusammenarbeit sowie Wirtschaftshilfe und Direktinvestitionen in die Infrastruktur und die Wirtschaft in den betreffenden Drittländern mobilisiert werden.
http://www.heise.de/tp/artikel/46/46013/1.html